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Vorarlberg: Aus der Ampel leuchtete der Sonnenuntergang

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Wie und weshalb die Vorarlberger Polizei immer mehr Drogenlenker aus dem Verkehr zieht.

Bregenz. Er schnitt mit seinem Auto die Kurven, durchbrach eine Schranke, rammte ein Tor, raste in den Tankstellenshop und machte damit ungewollt Schlagzeilen. Als die Polizei den 32-jährigen Drogenlenker aus dem Fahrzeug holen wollte, versuchte er, sich eine Spritze anzusetzen. So geschehen vor wenigen Tagen in Lustenau (die VN berichteten). Der Vorarlberger Polizeiarzt Wilhelm Gruber (54), spezialisiert auf solche Probanden, bezeichnet den Vorfall gegenüber den VN als eines seiner prägnantesten Erlebnisse. „Dabei war es noch ein Wunder, dass nicht mehr passiert ist“, sagt er. „Man stelle sich vor, der Mann hätte Kunden niedergefahren oder Zapfsäulen gerammt. Das Ganze hätte durchaus in einem Super-GAU eskalieren können.“

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Ernüchternde Zahlen

Seit drei Jahren richtet die Vorarlberger Verkehrspolizei ihren Fokus bei den Schwerpunktkontrollen nicht nur auf Promillesünder, sondern verstärkt auch auf Drogenlenker. Seitdem jagt bei den Feststellungen suchtgiftbeeinträchtigter Kfz-Lenker ein Rekordergebnis das andere. Peter Rüscher (51), stellvertretender Kommandant der Verkehrsabteilung, präsentiert ernüchternde Zahlen: „Im Jahr 2016 zogen wir noch elf Drogenlenker aus dem Verkehr, im Vorjahr 44, und seit Anfang 2018 bis zum heutigen Tag sind es bereits 60. Also eine Vervierfachung innerhalb von zwei Jahren.“

Polizist Peter Rüscher
Polizist Peter Rüscher ©Sohm

Bis Ende 2018 werden es an die hundert Probanden werden, schätzt er, denn: „Wir werden die Sache zukünftig noch intensiver und nachhaltiger angehen. Schließlich ist es kein kleines Problemchen, das nur Randgruppen betrifft“, spricht Rüscher die äußerst hohe Zahl von Drogenlenkern in Vorarlberg an. „Auf vier Alko-Sünder kommt mindestens ein Suchtgiftbeeinträchtigter“, ergänzt er. Dabei falle übrigens noch auf, dass es sich bei der Mehrzahl der Betroffenen um jüngere männliche Verkehrsteilnehmer handle.

„Marktführer“ Cannabis

Kommt es zu Schwerpunktkontrollen, machen Polizeiarzt Gruber und ein weiterer Mediziner Station vor Ort. An Untersuchungsmaterial ist alles dabei. Unter anderem auch Spritzen für Blutabnahmen. Landesweit sind 60 Beamte der Verkehrspolizei aus allen vier Vorarlberger Bezirken durch intensive Schulungen auf drogenauffällige Lenker spezialisiert, um einen entsprechenden Verdacht prüfen zu können. Gruber und Rüscher bezeichnen Drogendelinquenten im Straßenverkehr als ein noch sehr viel komplexeres Problem als Alko-Fahrer. „Weil es unendlich viele unterschiedliche Drogen gibt“, sagen sie. „Marktführer“ bei den Probanden sei Cannabis, dann folgen Kokain und Amphetamine, aber auch Heroin. Eventuell auch noch Mischkonsum mit Alkohol. Instinkt und objektive Einschätzungen seien hier die Qualitätsindikatoren der Kontrolleure.

Polizeiarzt Wilhelm Gruber
Polizeiarzt Wilhelm Gruber ©Sohm

So geht der Arzt vor

Nachdem ein verdächtiger Proband aus dem Auto gebeten worden ist, folgen die üblichen klinischen Tests. Pupillendiagnostik, auf einem Bein sehen, eine gerade Linie laufen, mit geschlossenen Augen den Finger auf die Nase und so weiter. Dann, bei dringendem Verdacht, zwingende Harn- und Blutabnahme. Aber: „Es gibt hier keine klaren Regeln und Grenzwerte“, betont Gruber. „Es ist nicht so einfach wie beim Alko- oder Schwangerschaftstest. Schlussendlich beurteilt der Arzt die Beeinträchtigung, und zwar ohne jede Willkür.“

Immerhin fahren zwei von drei Verdächtigen nach der Kontrolle weiter. Doch bestätigt sich die Beeinträchtigung deutlich, zieht das verwaltungsstrafrechtliche Konsequenzen wie bei einem Alkoholgehalt zwischen 0,8 und 1,2 Promille nach sich, bei Verweigerung drohen schärfere Konsequenzen.

Unterschätzte Gefahr

„Dass Suchtgiftbeeinträchtigung im Verkehr sehr gefährlich ist, scheint noch nicht bei allen durchgedrungen zu sein“, sagen Gruber und Rüscher. Doch sie wissen von eindringlichen Beispielen. „Ein Drogenlenker machte keine Anstalten, vor Fußgängern anzuhalten“, erinnert sich etwa der Polizeiarzt. „Als wir ihn bei der Kontrolle fragten, ob er denn die Fußgänger nicht bemerkt hatte, wandte er sich verwirrt an seinen Beifahrer und fragte ihn, ob er denn einen Fußgänger auf dem Zebrastreifen gesehen hätte. Ein anderer Drogendelinquent, der bei Rot über die Kreuzung fuhr, sagte, das Rotlicht der Ampel sei sein schönster Sonnenuntergang gewesen“, erzählt Gruber.

Den ganzen Beitrag lesen Sie in der Abendausgabe der VN!

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