Die Faszination einer Geburt, der Adrenalinrausch, der erste Schrei eines Babys: Susanne Haunold-Sam durfte in ihrer Karriere als Hebamme rund 3500 Geburten und zahlreiche Familien vor und nach der Geburt begleiten. Die besondere, intime Verbindung zu den Frauen und die Freude über das „kleine Wunder Mensch“ mitzuerleben, aber auch Familien in schweren Stunden beizustehen, das macht die Besonderheit dieses Berufes aus. „Die Familie, die ich am meisten betreute, hat zehn Kinder“, erzählt Susanne. „Das ist schon eine Rarität.“ Für Susanne Haunold-Sam begann alles nach ihrem Diplomabschluss 1979 in Innsbruck. Sie arbeitete einige Zeit im Entbindungsheim Alberschwende, in der Hausgeburtshilfe, 15 Jahre im LKH Hohenems und zuletzt 16 Jahre lang im LKH Bregenz. Inzwischen ist sie offiziell seit Jahresbeginn im Ruhestand, wobei sie aus Leidenschaft bereits drei Jahre länger im Beruf blieb. Zudem war sie Gründungsmitglied der „IG Geburtskultur a-z“, dessen Bestreben es u. a. ist, in Vorarlberg wieder ein Geburtshaus eröffnen zu können.
Entwicklung der Geburtshilfe. Wie sich auch in der Medizin alles verändert und Fortschritte macht, ist auch die Geburtshilfe mit den Jahren sicherer geworden. „Wenn ich es vergleiche mit meiner Ausbildungszeit Ende der 70er-Jahre an der Innsbrucker Klinik, wurde die Geburtshilfe auch humaner, also menschlicher. Damals wurde die schwangere Frau vom Partner ‚abgegeben‘, sie wurde ins Bett gelegt, hatte keine Bewegungsfreiheit, bekam nichts zu essen und nichts zu trinken. Wenn das Kind auf der Welt war, wurde es kurz der Mutter gezeigt und dann mitgenommen. Sie bekam es nur zum Stillen zu Gesicht. Der Vater sah das Baby erst zu Hause. Das ist heute unvorstellbar.“ Frauen psychologisch bei der Geburt zu begleiten, war damals nicht im Lehrinhalt für die Hebammen vorgesehen. Dabei ist gerade das so wichtig. Heute geht es in der Geburtshilfe ganz viel um die frühe Beziehung, das Bonding, zwischen Mutter, Vater und Kind, damit die Familie gut zusammenwächst. Das Personal gibt der Familie bewusst Zeit dafür. „Was und wie die Hebammen-Studentinnen heutzutage lernen und wie viel mehr Praxis sie haben, kann man mit damals nicht vergleichen.“ Früher dauerte die schulische Ausbildung zur Hebamme zwei Jahre, heute ist es ein sechssemestriges Studium. Der Andrang ist, damals wie heute, sehr hoch.
„Lasst euch nicht stressen“. In all den Jahrzehnten ihrer Karriere blickt Susanne Haunold-Sam sehr gerne auf gewisse Höhepunkte zurück. Dazu gehöre, wenn sie Frauen betreut, die selbst schon bei ihr auf die Welt kamen. „Heute sind die meisten jungen Frauen viel besser vorbereitet, sie googlen natürlich auch alles – was nicht unbedingt schlecht ist aber durchaus zu Verwirrung führen kann. Sie sind selbstbewusster geworden und wissen, was sie brauchen und wollen“, so Haunold-Sam. Wichtig sei eine wertschätzende Kommunikation der Hebammen ohne Bevormundung, wenn die Geburt oder die erste Zeit mit dem Kind in der Realität dann doch anders erlebt werde, als sie sich die jungen Frauen vorstellen. „Lasst euch nicht stressen“, rät die pensionierte Hebamme. „Seid mutig, hört auf euch und lasst euch nicht verunsichern. Traut euch die Geburt und das Muttersein zu.“ Inzwischen ist in der Geburtsvorbereitung oder auch in der Nachsorge die mentale Betreuung sowie die Vermittlung von Sicherheit und Bestätigung sehr wichtig. „Man muss die jungen Mütter eher mit praktischen Sachen gut unterstützen. Ganz oft braucht es nur jemanden, der kommt und ihnen sagt, dass sie das schaffen“, sagt Susanne.
Auch Vätern möchte sie mitgeben, sich ausreichend über eine Geburt zu informieren, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und ihre Frau gut zu begleiten. „Sie sollen aber auch auf sich schauen, sich und ihre Emotionen mitteilen, wenn sie Sorgen haben oder überfordert sind. Das geht oft unter.“ Man frage Männer zu selten nach ihrem Befinden, sie lernen aber zunehmend, über ihre Gefühle sprechen zu können.