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VN-Interview: Jürgen Türtscher belastet Paterno

Zu den bekannten Vorwürfen gegen Kaplan August Paterno kommt ein neuer hinzu: Erstmals tritt mit dem 42-jährigen Wiener Friseur Jürgen Türtscher ein mutmaßliches Opfer namentlich auf. Paterno hat bereits den Wiener Rechtsanwalt Dr. Gottfried Korn beauftragt.

VN: Was genau ist im Sommer 1978 passiert?

Türtscher: Ich bin gebürtiger Bludenzer und hatte in Dornbirn meine Lehrstelle. Per Autostopp bin ich an diesem Tag nach Feldkirch gekommen. Dort hab ich mich an die Bärenkreuzung gestellt und die Hand hinaus gehalten.

VN: Was geschah dann?

Türtscher: Man wird ja nicht gleich mitgenommen. Nach hinten versetzt steht da eine öffentliche Toilette. Wenn man davor steht, kriegt man mit, was da alles passiert. Ein in meinen Augen älterer Herr ist also da raus gekommen. Er hat einen Blickkontakt zu mir hergestellt. Und ist dann verschwunden.

VN: Und kam in einem Auto zurück?

Türtscher: Etwas später ist dann ein helles Auto stehen geblieben. Ich mach die Tür auf und da war der Herr. Na, wohin musst’ denn, hat er gefragt. Nach Dornbirn, sag ich. Und er hat mich mitgenommen.

VN: Sie sind bedenkenlos eingestiegen?

Türtscher: Es war anfangs ein ganz normales Gespräch. Es hat nicht den Anschein gehabt, dass da was sein sollte. Ich hab mich auch irgendwie wohlgefühlt.

VN: Hat sich der Mann als Priester zu erkennen gegeben?

Türtscher: Nein.

VN: Wie ging es dann weiter?

Türtscher: Nach zehn, 15 Minuten Fahrt hat er die Hand auf meinen linken Fuß gegeben und angefangen, meine Schenkel zu streicheln. Ich hab die Hand weggezogen. Er hat’s dann noch zwei-, dreimal versucht. Das hat bei mir natürlich große Panik ausgelöst. Du bist ja auf der Autobahn bei 100 km/h praktisch gefangen.

VN: Und doch sind Sie wieder rausgekommen aus der Situation?

Türtscher: Ja, er ist also immer zudringlicher geworden. Dann bin ich auch in die Offensive gegangen und hab ihm gesagt, er soll mich rauslassen. Da hat er mich dann bei der Ausfahrt Hohenems aussteigen lassen und ist einfach weitergefahren.

VN: Wann glaubten Sie in dem Mann Kaplan Paterno erkannt zu haben?

Türtscher: Es ist ein Faktum, dass Stimme und Gestik im Kopf immer drinnen bleiben. Ich seh heute noch diese Augen. Das kriegst du nicht weg. Natürlich schaut man mit 16 nicht „Christ in der Zeit“ an. Also hab ich erst drei, vier Jahre später die Stimme wieder gehört. Da hat man mir dann gesagt, das sei Kaplan Paterno.

VN: Und warum haben Sie sich nicht sofort gemeldet?

Türtscher: Erstens einmal: Ich bin schon mit acht Jahren vergewaltigt worden. Für mich hat das alles schon irgendwie dazugehört. Auch die Geschichte mit Paterno. Und dann: Was sollte ich auch tun? Von meiner sozialen Konstruktion und Herkunft her war ich ein Nichts. Ich war froh, dass ich die Lehrstelle gekriegt habe.

VN: Und warum treten Sie

jetzt an die Öffentlichkeit?

Türtscher: Jetzt ist es mir wichtig, dass die Kirche nicht bagatellisiert. „Dem ist die Hand rüber gerutscht“ und so. Und dann will ich den Erwachsenen sagen: Lasst die Kinder in Ruh! Die tragen den Schaden ein Leben lang mit sich herum.

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