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Visafreiheit für die Türkei? Pro und Kontra

EU-Türkei-Deal: Das wichtigste politische Ziel der türkischen Regierung ist, dass Türken ab Ende Juni ohne Visa in den Schengen-Raum reisen dürfen.
EU-Türkei-Deal: Das wichtigste politische Ziel der türkischen Regierung ist, dass Türken ab Ende Juni ohne Visa in den Schengen-Raum reisen dürfen. ©APA/AFP
Brüssel, Ankara. Ende der Visapflicht für Türken, die in den Schengen-Raum reisen wollen - das ist eine zentrale Forderung der Regierung in Ankara für ihr Entgegenkommen in der Flüchtlingskrise. Der Punkt wird auch deshalb so kontrovers diskutiert, weil die Folgen schwer abschätzbar sind.

Für ein Ende der Visapflicht gibt es gute Gründe. Es gibt allerdings auch starke Bedenken. Pro und Kontra:

Das spricht für die Visafreiheit für die Türkei

– Weit mehr als 90 Prozent der türkischen Antragsteller bei den deutschen diplomatischen Vertretungen bekommen ihr Visum für die EU. Alleine im Generalkonsulat in Istanbul bindet Bearbeitung dieser Anträge rund 30 Stellen. Wenn ohnehin fast alle Bewerber eine Einreiseerlaubnis bekommen, könne die Visapflicht gleich ganz aufgehoben werden, sagen Befürworter des Schritts.

– Viele Türken empfinden die Visapflicht – die Deutschland für Türken erst im Jahr 1980 einführte – als demütigend. Die meisten EU-Bürger können unter Vorlage des Reisepasses in die Türkei einreisen, bei Bundesbürgern reicht der Personalausweis. Türken müssen dagegen lange Wartezeiten in Kauf nehmen und unter anderem glaubhaft darlegen, dass sie in die Türkei zurückkehren werden.

– Die Visapflicht sorgt nicht nur für ständige Irritationen im europäisch-türkischen Verhältnis. Sie erschwert auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Türkei und der EU, weil türkische Geschäftsleute ebenfalls nicht frei reisen können.

– Visafreiheit würde nur für Kurzzeitvisa gelten. Türken dürften sich dann in einem Zeitraum von 180 Tagen maximal 90 Tage im Schengen-Raum aufhalten. Befürchtungen, Türken könnten massenhaft (legal) in die EU kommen, sich dort niederlassen, auf den Arbeitsmarkt drängen oder die Sozialsysteme belasten, sind also unbegründet.

Das spricht dagegen:

– Gegner der Visafreiheit führen ins Feld, dass Türken, die wissen, dass ihr (kostenpflichtiger) Antrag keine Chance hat, diesen derzeit gar nicht erst stellen. Ein Grund kann beispielsweise sein, dass sie nicht überzeugend darlegen können, dass sie wieder zurückkehren wollen. Befürchtet wird, dass diese Türken dann massenhaft in die EU strömen könnten – um dort unterzutauchen und schwarz zu arbeiten.

– In der Flüchtlingskrise wird vor allem über Syrer diskutiert. Wenig Beachtung findet, dass auch aus der Türkei ein Zustrom an (kurdischen) Flüchtlingen drohen könnte. Nach Angaben der Regierung hat die eskalierende Gewalt im Südosten bereits mehr als 350 000 Menschen vertrieben. Sie suchen derzeit im Land Zuflucht. Ohne Visapflicht könnten sie ins nächste Flugzeug steigen – und nach der Landung beispielsweise in Deutschland Asyl beantragen. Derzeit kommen Türken ohne Visum gar nicht erst bis zum Flugzeug.

– Die Visapflicht für Angehörige von Nicht-EU-Staaten soll auch dazu dienen, Terroristen aus der EU fernzuhalten – und die Terror-Gewalt in der Türkei eskaliert. Die Selbstmordattentäter der letzten beiden Anschläge von Ankara waren türkische Staatsbürger. Sie hätten ohne Visapflicht theoretisch auch problemlos in die EU einreisen können.

Stichwort Einreise in die EU: Visapflicht und Visafreiheit

Bürger aus rund 50 Staaten brauchen kein Visum, wenn sie in die Europäische Union und den Schengen-Raum reisen. Für Irland und Großbritannien gelten gesonderte Bestimmungen. Zur Schengen-Zone gehören auch die Nicht-EU-Länder Schweiz, Norwegen und Island.

Voraussetzung für die visafreie Einreise ist immer, dass Besucher in einem Zeitraum von 180 Tagen maximal 90 Tage bleiben und über einen modernen Pass mit biometrischen Angaben verfügen.

Die EU hat in den vergangenen Jahren mehrfach auf den Visazwang für einzelne Staaten verzichtet. Keinen “Sichtvermerk” im Pass brauchen bei der Einreise unter anderem Menschen aus Ländern des westlichen Balkans, aus den USA und Kanada sowie den meisten Staaten Lateinamerikas, aus Australien, Neuseeland, Japan, Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Bürger aus mehr als 120 weiteren Staaten, darunter die Türkei, Russland, der Ukraine und alle afrikanischen sowie die meisten arabischen und asiatischen Länder, müssen einen aufwendigen Prozess durchlaufen, um ein Visum zu bekommen. (dpa/APA)

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