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Vielschichtiger Lesemarathon mit Goethes Alterswerk „Faust II“

„Faust“-Spezialist Joachim Bliese am Lesetisch.
„Faust“-Spezialist Joachim Bliese am Lesetisch. ©Veranstalter/TAK
Schaan. (sch)  Am 19. und 20. April 2013 wird eines der berühmtesten Werke der Weltliteratur, „Faust II“ von Johann Wolfgang von Goethe, auf der Bühne des SAL zu erleben sein.

Die Koproduktion des Thalia Theaters Hamburg und der Salzburger Festspiele mit Starregisseur Nicolas Stemann, die zum Berliner Theatertreffen 2012 eingeladen worden war, wird in wenigen Wochen der Höhepunkt der diesjährigen künstlerischen Beschäftigung mit Goethes Opus Magnum, dem „Faust II“, sein. Kürzlich begann nämlich die heurige Goethe-Pflege im TAK mit dem voluminösen „Der Tragödie zweiter Teil“ als Lesemarathon, der sich über zwei  intensive Abende erstreckte und die Wiederbegegnung mit dem bedeutenden deutschen Charakterdarsteller Joachim Bliese (geb. 1935 in KieI) brachte. Seine Darstellung des „Minetti“ im gleichnamigen Stück von Thomas Bernhard in der TAK-Spielzeit 2009/10 ist den Theaterfreunden noch in bester Erinnerung. Am schlichten Lesetisch nahm Joachim Bliese in grauer Alltagskleidung auf der TAK-Bühne Platz, und außer wechselndem dezentem Licht-Design und vor der Bühne dem deutschen Theaterwissenschafter Hajo Kurzenberger, der im Textbuch die jeweiligen Personen nannte, war Bliese mit seinem „Faust II“ allein. Und diese szenische Lesung, die zur Symbiose des versierten „Faust“-Kenners Bliese mit dem Olympier Goethe wuchs, wurde an beiden Abenden zum glanzvollen Fest deutscher Sprech-bzw. Gestaltungskunst.

 

Goethes Universalität

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) schrieb den „Faust II“ im Alter von 80 Jahren als Finanzminister des schwer verschuldeten Weimarer Hofs (diesbezügliche. Passagen sind klar erkennbar). Doch der zweite Teil der Faust-Tragödie ist insgesamt das Resümee, das Lebenswerk eines genialen universellen Geistes bzw. Dichters. Das erst 1854, lange nach Goethes Tod uraufgeführte Werk wirkt faszinierend in seinen weiten geistigen und historischen Räumen, in seiner eigenwilligen Konsequenz, das Leben Fausts nicht im Reiche des Mephisto, sondern bei der Himmelskönigin Maria (!) enden zu lassen.

Faust durch „die kleine und die große Welt“ zu führen, hatte der Teufel zu Beginn der Tragödie einst versprochen. Nun, „Faust I“ schildert deutlich die rohen Genüsse und Abwege von Auerbachs Keller bis zu den kriminellen Verstrickungen des Paares Faust/Gretchen. In der Tragödie zweitem Teil  breitet Goethe das 16. Jahrhundert und das klassische Altertum als Schauplätze mit einer Unzahl von Figuren neben Faust und Mephisto aus. Wesentlich etwa ist der kaiserliche Hof mit seinen Machtverführungen: Goethe warnt verschlüsselt und  höchst aktuell vor uferloser Papiergeldschöpfung, vor Geldgier des Kapitalismus, Ausbeutung und Zerstörung der Natur; ein anderes Problem unserer Gegenwart wird in der Figur des kleinen bibbernden Homunculus, des künstlichen Geschöpfs, dargestellt. Markante Aspekte sind auch Faust und Helena, der Abstieg ins „Reich der Mütter“, Philemon und Baucis etc. Besonders fesselnd der Schluss des Werks mit dem endgültigen, aber glücklosen Kampf Mephistos um die Seele Fausts.

 

Grandioser Rezitator Joachim Bliese

Joachim Bliese meisterte beide Abende mit prägnanter und höchst flexibler Sprachgewalt – was die Vielzahl der Figuren ebenso wie die metrische Vielfalt der Goethe-Sprache betraf.

Ein tröstlicher und zutiefst christlicher Schluss Goethes – es gibt keine Selbsterlösung des  Menschen ohne „die Liebe von oben“ (sprich: Gnade).

„Faust II“ mit Joachim Bliese war im TAK ein geniales verbales „Vorspiel“ zur bühnendramatischen Umsetzung im SAL (April).

 

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