Eile sei zwar "vermutlich angebracht" gewesen, aber die ohne Begutachtung schnell erlassenen Vorschriften seien teils "lücken- und fehlerhaft" ausgefallen. Im Rechtsstaat habe aber auch in schwierigen Zeiten "Transparenz und Qualität" in der Gesetzgebung zu gelten, sagte er im APA-Gespräch.
Corona-Gesetze und -Verordnungen müssten klar definiert sein
Gesetze und Verordnungen müssten auch in Notzeiten klar festlegen, was erlaubt und was verboten ist. "Oft wissen die Bürger nicht, was sie tun dürfen", kritisiert Wolff - unter Hinweis etwa auf die Verwirrung rund um den Oster-Erlass.
Dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Juristenbedenken mit dem Hinweis abgetan hat, die Regelungen seien bei der Prüfung durch den VfGH nicht mehr in Kraft, missfällt Wolff. Es wäre "durchaus riskant, wenn der Gesetzgeber Verfassungsrecht bricht, denn er riskiert, einem betroffenen Bürger gegenüber ersatzpflichtig zu werden". Deshalb wäre es sehr sinnvoll, wenn der VfGH - wie in Deutschland - Gesetze im Eilverfahren überprüfen kann.
Maßnahmen greifen in Grundrechte ein
Schließlich greifen die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus vielfältig in Grundrechte ein - vom Hausrecht (Besuch zu empfangen) über die Freizügigkeit bis zur Religionsausübung (etwa der verbotene Besuch von Messen in Kirchen). "Nicht gerechtfertigt und unsachlich" - somit verfassungswidrig - ist aus Sicht der Anwälte die Regelung, dass Geschäfte mit weniger als 400 Quadratmetern wieder aufsperren durften, größere Läden aber darüber hinausgehende Verkaufsflächen nicht abriegeln (und damit aufsperren) durften.
Hätte es dazu eine Begutachtung gegeben, "hätten wir eine Lösung gefunden", fordert Wolff zumindest eine "Schnellbegutachtung" der Corona-Gesetze. Damit hätte man auch den (mittlerweile reparierten) Fehler verhindert, dass zwar die Frist für die Einbringung von Berufungen im Strafverfahren ausgesetzt wurde, nicht aber jene für deren Ausführung. "Werden Gesetze nur rasch gemacht, ohne auf die Qualität zu achten, zerstört man mehr als es nützt", konstatierte Wolff.
Anwälte in Experten-Gruppe nicht vertreten
Wurden Fehler begangen, sei es "unsere Verpflichtung, diese aufzuzeigen, das ist keine juristische Spitzfindigkeit" - weist Wolff eine weitere Antwort des Kanzlers auf Juristen-Einwände zurück. Und der Gesetzgeber habe die Verpflichtung, Fehler wieder zu beheben. In der von Gesundheitsminister eingesetzten Expertengruppe zur Prüfung der Gesetze und Verordnungen sind die Anwälte nicht vertreten. Wolff hofft, dass sich das noch ändert - könnten Anwälte doch die Erfahrungen aus der Praxis einbringen.
Jedenfalls sei gerade in Notzeiten "ein extrem sensibler Umgang mit Grund- und Freiheitsrechten" nötig - wobei die Abwägung freilich schwierig sei. Denn die Gesundheit sei ein so hohes Gut, dass für ihren Schutz gewisse Einschränkungen anderer Rechte zulässig seien. Prinzipiell hält Wolff es für "besser, die Bürger positiv zu motivieren als ihnen vieles durch Gesetze zu verbieten". Um die Motivierung bemühe sich die Regierung auch, hat der Anwalts-Präsident durchaus Lob parat: "Es ist der Regierung gut gelungen, zu vermitteln, weshalb Schritte notwendig gewesen sind." An den Infektions-Zahlen sehe man, dass die schweren Einschränkungen "doch Früchte getragen" haben.
(APA/Red)
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