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"Verfolgungen auch in Vorarlberg!"

Heute Abend findet in Bregenz anlässlich des 80. Gedenktages an die Februarkämpfe ein Fackelzug mit anschließender ­Podiumsdiskussion mit Dr. Werner Bundschuh statt.
Heute Abend findet in Bregenz anlässlich des 80. Gedenktages an die Februarkämpfe ein Fackelzug mit anschließender ­Podiumsdiskussion mit Dr. Werner Bundschuh statt. ©VOL.AT
Schwarzach - Am 12. Februar 1934 kam es zur blutigen Auseinandersetzung zwischen der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und den Austrofaschisten. W&W sprach mit Dr. Werner Bundschuh über den Aufstieg des Faschismus in Vorarlberg.

WANN & WO: Welche Umstände führten 1934 zu den sogenannten Februarkämpfen?

Dr. Werner Bundschuh: Die Tragödie hat eine lange Vorgeschichte. Nach dem Justizpalastbrand von 1927 und dem Massaker an etwa 100 Demonstranten war der Weg in ein gewaltsam-autoritäres Regime vorgezeichnet. Der Vorarlberger Landeshauptmann Dr. Otto Ender (Schöpfer der Dolllfuß-Verfassung) und Ulrich Ilg (Landesbauernführer, Staatssekretär unter Dollfuß und nach 1945 Landeshauptmann) verlangten bereits Folgendes: Demonstrationsverbot, Einschränkung der Pressefreiheit und des Streikrechts, Auflösung des Republikanischen Schutzbundes usw. Kanzler Dollfuß nützte im März 1933 eine Abstimmungspanne im Parlament eiskalt aus: Er behauptete, das Parlament habe sich „selbst ausgeschaltet”. Er war ein „anderer Demokrat”, ein „Austrofaschist”, der mit Gewalt gegen Gegner vorging. Auch für Vorarlberg gilt: Das Dollfußregime verfolgte die „Linken”, die Sozialdemokraten und Kommunisten, eine Minderheit in diesem Lande. Bei den Nationalsozialisten waren die Machthaber oft sehr großzügig!

WANN & WO: Welche Auswirkungen hatte das in Vorarlberg?

Der Zweifrontenkrieg der Dollfuß-Regierung führte im Februar 1934 zur Zerschlagung der SDAP. Sie wurde verboten, ihre Organisationen wurden aufgelöst, das Parteivermögen beschlagnahmt. Anton Linder und viele andere Funktionäre wurden verhaftet, obwohl es in Vorarlberg zu keiner bewaffneten Gegenwehr gekommen war. Die Mächtigen im Lande saßen so fest im Sattel, dass tatsächlich nicht einmal das Standrecht ausgerufen werden musste. Die schwache Vorarlberger Sozialdemokratie konnte sich schon 1933 keine Illusionen mehr über den Charakter jenes Regimes machen, das sich nach der Ausschaltung des Parlaments durch eine Flut von Notverordnungen und Zwangsmaßnahmen zu etablieren begann. Auch in Vorarlberg deklarierten führende konservative Politiker, so auch Dr. Otto Ender, eindeutig die Absichten des Regimes. Sie betrachteten in öffentlichen Erklärungen das autoritäre Regime Dollfuß als Wende vom parlamentarischen Parteienstaat zum „Ständesstaat”.

WANN & WO: Es soll im Laufe der Februarkämpfe zu rund 1600 Todesopfern gekommen sein. Gab es auch in Vorarlberg Tote zu beklagen?

Dr. Werner Bundschuh: Vorarlberg hatte keine Toten zu beklagen. Hier waren die Machtverhältnisse zu klar. Die Sozialisten waren für die „Schwarzen” keine ernstzunehmenden Gegner. Anton Linder, der Führer der Sozialdemokraten, verließ das Land, ging in die Schweiz und kehrte erst 1945 wieder zurück.

WANN & WO: Von wem ging der antifaschistische Widerstand im Ländle aus und wie bzw. wann organisierte er sich?

Dr. Werner Bundschuh: Nach dem Februar waren die Sozialisten in den Untergrund gedrängt: Zu den illegalen Sozialisten gehörten u.a. Josef Greußing, Hans Wahsel, Alois Hammer und Franz Zoller. Vor allem aber auch etliche Eisenbahner – insgesamt an die 50 Personen. Sie bezeichneten sich ab 1935 als „Revolutionäre Sozialisten”. Sie waren verantwortlich für Streuaktionen sowie den Vertrieb von Zeitschriften und Broschüren. Besonders wichtig war die in Brünn und schließlich in Paris gedruckte illegale „Arbeiter-Zeitung”, die durch Eisenbahner über die Schweiz oder auf der Arlbergstrecke ins Land geschmuggelt wurde. Acht Mal gaben sie den „Kämpfer” heraus, der mit einer Auflage zwischen 300 und 500 Stück erschien. An eigenen Publikationen kursierte noch ein hektografiertes „Mitteilungsblatt der Revolutionären Sozialisten R.S. Vorarlbergs”. Die Aktionen führten zu Verhaftungen und Prozessen. Der Feldkircher Sozialist Franz Mellich (nach 1945 SP-Bundesrat) wurde verurteilt und verlor seine Stellung, weil er – unter offenem Absender – an Radio Moskau mit der Bitte um Zustellung des Programms geschrieben hatte. Nach einer Streuaktion im September 1937 wurde Josef Greußing festgenommen. Nach Verbüßung einer mehrwöchigen Arreststrafe wurde gegen ihn, allerdings erfolglos, ein Hochverratsprozess angestrengt. Mit der Etablierung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft endete allerdings die organisierte Tätigkeit der Revolutionären Sozialisten endgültig.

Benedikt Brunner, SJ: „Die ÖVP zeigt wenig Willen zur Einsicht, dass ihre Vorgängerpartei etliche Größen des austrofaschistischen Regimes stellte. Neu ist, dass auch die Sozialdemokratie den antifaschistischen Aufstand verleugnet, indem sie Gedenkfeiern gemeinsam mit den geistigen Nachfolgern der Antidemokraten von einst abhält.”

Julian Fässler, JVP: „Die politische Rolle von Dr. Otto Ender bewerte ich gespalten. Als Mitglied der Regierung Dollfuß war er mitverantwortlich für die Einführung des Ständestaates und der damit verbundenen Ausschaltung des Parlaments. Dieser Umstand ist heute kritisch zu bewerten.”

Hier die ganze WANN & WO-Ausgabe online lesen.

(WANN & WO)

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