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Die niederösterreichische "Übereinkunft" sorgt für heftige Kritik, auch vonseiten der Vorarlberger Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher oder Gesundheitsminister Johannes Rauch.
Die niederösterreichische "Übereinkunft" sorgt für heftige Kritik, auch vonseiten der Vorarlberger Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher oder Gesundheitsminister Johannes Rauch.

Verbot für Impf-Werbung? Was Rüscher vom Corona-Paper in Niederösterreich hält ...

Joachim Mangard (VOL.AT) joachim.mangard@russmedia.com
Das Arbeitsübereinkommen zwischen ÖVP und FPÖ sorgt österreichweit für Stirnrunzeln und kommt in Bezug auf die Corona-Maßnahmen einem schwarzen Kniefall vor dem blauen Koalitionspartner gleich. Für Gesundheits-Landesrätin Rüscher steht die Impfung außer Frage.

"Das Land Niederösterreich wird keine Werbemaßnahmen mehr für die Corona-Impfung durchführen" lautet der achte Punkt in dem ausdrücklich dem Virus gewidmeten Teil in dem umstrittenen Arbeitsübereinkommen, das VOL.AT vorliegt.

ÖVP-Kniefall für Koalition mit FPÖ

Mit der Bekanntgabe erfolgreicher Koalitionsverhandlungen zwischen Mikl-Leitners ÖVP und Udo Landbauers FPÖ in Niederösterreich kamen auch fragwürdige Teile dieser Übereinkunft ans Licht.

VOL.AT hat bei der Vorarlberger Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher und dem Covid-Beauftragten Dr. Robert Spiegel nachgefragt, wie sie zu den kontroversen Passagen stehen, die sich eigentlich einer Bekämpfung der Pandemie widmen sollten, zumindest in den Augen vieler.

Kein Geld mehr für Impf-Bewerbung

Vor allem dieser Passus sorgt österreichweit für Irritationen. ©Screenshot Arbeitsübereinkommen

Viel mehr geht es in dem im Netz bereits heftig umstrittenen Textteil und dadurch wohl auch in der Regierungsausrichtung der schwarz-blauen Koalition darum, gewissen Opfern der Pandemie zu helfen. Gemeint sind aber nicht jene, die beispielsweise an Long Covid oder den Folgen der Erkrankung leiden. Oder jene, die ihr Leben in den medizinischen Betreuungseinrichtungen nach Ausbruch des Virus aufs Spiel setzen. Sondern jene, die unter den Maßnahmen durch die Politik zu leiden hatten.

Rauch reagiert mit Empörung

Gerade das offensichtliche Infrage-Stellen einer Impfung, die zehntausende Leben gerettet hat, stößt beispielsweise dem Gesundheitsminister sauer auf. So reagierte Johannes Rauch (Grüne) eindeutig auf Twitter:

Kein Freund der neuen Koalition in Niederösterreich ist auch Othmar Karas als Vizeparlament des EU-Parlaments, auch wenn er aus dem Lager der neuen, designierten Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner kommt.

Und auch Bürgermeister Kurt Fischer aus Lustenau, ebenfalls ein Vertreter der Volkspartei, zeigt sich auf Twitter angesichts eines de facto Werbeverbots für die Corona-Impfung überrascht:

30 Millionen Euro für den Ausgleich negativer Corona-Politik

Die Einrichtung eines Fonds für Opfer negativer Auswirkungen der Maßnahmen in Höhe von 30 Millionen Euro sorgt ebenfalls für Irritation, hier der Passus, der VOL.AT vorliegt:

30 Millionen Euro für Opfer der Corona-Maßnahmenpolitik in Niederösterreich. ©Screenshot Arbeitsübereinkommen

Landesrätin Rüscher: "Impfung als Schlüssel im Kampf gegen Virus"

Auf VOL.AT Anfrage bei Landeshauptmann Markus Wallner wollte man sich zu niederösterreichischen Arbeitsübereinkommen nicht äußern. Dafür steht Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) voll und ganz für die Impfung ein: "Auch Vorarlberg erarbeitet derzeit die Lehren aus der Corona-Pandemie, um die Bevölkerung bei künftigen Krisensituationen bestmöglich zu schützen. Auch wenn wir rückblickend einzelne Maßnahmen mit heutigem Wissen nicht mehr oder anders umsetzen würden, steht eines völlig außer Frage: Die Medikamente und Impfstoffe gegen das Covid-19-Virus waren und sind der Schlüssel für die Bewältigung der Pandemie."

Landesrätin Rüscher zeigt wenig Verständnis für die fragwürdigen Formulierungen in der Arbeitsübereinkunft zwischen ÖVP und FPÖ in Niederösterreich. ©Hartinger

Das Virus habe sich Gott sei Dank stark abgeschwächt, die Immunität in der Bevölkerung sei sowohl durch Ansteckungen als auch durch Impfungen hoch – "aber der Virus wird bleiben und gerade vulnerable Personen sollten sich freiwillig weiterhin schützen."

Zum geplanten Covid-Entschädigungsfonds von Niederösterreich lägen der Gesundheitslandesrätin keine Richtlinien vor, weswegen sie diese Maßnahme daher nicht bewerten könne

"Entstandene Gräben schließen"

"Auch aus meiner Sicht ist es wichtig, entstandene Gräben im Miteinander wieder zu schließen. Die Gesundheit und unser Gesundheitssystem haben aber auch durch die letzten Jahre einen neuen Stellenwert erhalten. Es ist unser klares Ziel, dass Mitarbeitende im Gesundheitssystem wieder gestärkt werden sowie Vorarlberger länger gesund bleiben und bei Bedarf eine verlässliche Versorgung in Gesundheit und Pflege erhalten. Dafür arbeiten wir mit voller Kraft", schließt Rüscher auf VOL.AT-Anfrage.

Covid-Beauftragter Dr. Robert Spiegel findet deutliche Worte für den Text. ©Steurer

Dr. Spiegel: "Formulierung entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage und ist völlig inakzeptabel"

Deutliche Worte findet auch Dr. Robert Spiegel, Covid-Beauftragter des Landes Vorarlberg und lässt kein gutes Haar an dem umstrittenen Text-Passus: "Tetanus, Polio, Masern oder Mumps – die bewusste Ausklammerung und dezidierte Stigmatisierung der Corona-Impfung macht fassungslos. Eine solche Formulierung entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage und ist völlig inakzeptabel."

Seite 6 im niederösterreichischen Papier – interessant auch die Reihung, direkt nach der Präambel, und nicht alphabetisch, da als nächster Punkt der Schwerpunkt "Arbeit" folgt. ©Screenshot Arbeitsübereinkommen

"Im Herbst werden viele Menschen eine Auffrischung benötigen"

Das bewusste Negieren von Daten und Fakten, die eindeutig die Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe und Medikamente belegen, mache ihn fassungslos. Der Mediziner warnt und kehrt die Aussagen um: "Wenn man sich die aktuelle Situation betrachtet, braucht es weiterhin Aufklärung und Information. Denn im Herbst werden viele Menschen und vulnerable Gruppen eine Auffrischung benötigen, im Idealfall die Kombination einer Corona- und Influenza-Impfung. Mit solchen Aktionen stößt man den Menschen vor den Kopf."

(VOL.AT)

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