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USA: Anhörung zu Folterungen in Abu Ghraib

Die Anhörung der wegen Gefangenenmisshandlung im Irak angeklagten US-Soldatin Lynndie England hat erhebliche Defizite in der Haftanstalt Abu Ghraib bei Bagdad zutage gefördert.

Ein als Zeuge geladener Gefängniswärter sagte am Mittwoch (Ortszeit) vor dem Militärtribunal von Fort Bragg im US-Bundesstaat North Carolina, er habe noch nie etwas von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gehört. Ein anderer Soldat berichtete, der Militärgeheimdienst habe einzelne Häftlinge von Kontrollen durch das Rote Kreuz ausnehmen lassen. Die Angeklagte England wurde von einem Kameraden als „undiszipliniert“ beschrieben.

Auf die Frage von Englands Anwalt Richard Hernandez, ob er mit der Menschenrechtserklärung vertraut sei, sagte der Unteroffizier Shannon Snider: „Ich weiß nicht. Ich habe sie noch nie gesehen.“ Dann gab er an, von der Existenz eines solchen Dokuments nichts zu wissen. Unteroffizier Christopher Ward beschrieb, wie Vertreter des Militärgeheimdienstes bei bestimmten Gefangenen einen „Artikel 134“ an die Zellentür geklebt hätten. Dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sei es damit nicht gestattet gewesen, mit diesen Gefangenen zu kommunizieren.

Der Soldat Matthew Wisdom sagte aus, England sei bei sexuellen Misshandlungen an Gefangenen zugegen gewesen. Er sei im November 2003 zufällig in einen Zellentrakt gekommen, in dem ein irakischer Gefangener masturbierend an der Wand gestanden habe, vor ihm ein weiterer Gefangener kniend. Dann habe er England „mit belustigter Stimme“ rufen hören: „Er wird hart!“ Feldwebel Ivan Frederick habe unter Bezug auf die Szene gesagt: „Schau mal, was diese Tiere machen, wenn wir sie nur für zwei Sekunden allein lassen.“ Wisdom sagte, er habe in dieser Situation offenbar versehentlich eine Gruppe von Gefängniswärtern gestört.

England habe ein Problem damit gehabt, pünktlich zur Arbeit zu erscheinen, sagte der Gefreite Matthew Bollinger. Sie sei mehrfach wegen Pflichtverstößen verwarnt worden. Einmal sei England abends nicht in ihrem Quartier aufzufinden gewesen, aber kurz darauf „im Bett mit dem Gefreiten (Charles) Graner gefunden“ worden. England ist von ihrem ehemaligen Vorgesetzten Graner im siebten Monat schwanger. Dieser ist ebenfalls wegen Misshandlungen von Gefangenen im Abu-Ghraib-Gefängnis angeklagt.

Bollinger zufolge hätte England sich gar nicht im Gefangenentrakt aufhalten dürfen, da sie nur eine Verwaltungsausbildung hatte. Dies bestätigte auch ein anderer Zeuge. Die Soldatin Felicia Nazelrod, die im Irak mit England das Zimmer teilte, berichtete von häufigen nächtlichen Ausflügen ihrer Kameradin.

Die Angeklagte zeigte während der Zeugenaussagen keinerlei Regung. Englands Anwälte argumentieren, die Befehlskette in Abu Ghraib sei lückenhaft; zahlreiche Wachleute hätten zudem keine angemessene Ausbildung erhalten. Die Soldatin wird den Verteidigern zufolge als Sündenbock für das Fehlverhalten hochrangiger Geheimdienstoffiziere benutzt, welche zur schlechten Behandlung Gefangener ermutigt hätten. Die 21-Jährige war durch drastische Misshandlungsfotos zur Symbolfigur des Skandals im Militärgefängnis Abu Ghraib geworden. Neben England sind in dem Skandal sechs weitere US-Soldaten angeklagt, unter ihnen Graner. Einer der Angeklagten wurde bereits zu einem Jahr Haft verurteilt. England, gegen die 19 Anklagepunkte vorliegen, drohen bis zu 38 Jahre Haft.

Nach den Folter-Vorwürfen ehemaliger britischer Gefangener im US-Stützpunkt Guantanamo sagte Marine-Staatssekretär Gordon England, derartige Vorwürfe seien Teil eines „Propagandakrieges“. Die USA hätten es mit einem „schlauen Feind“ zu tun, der alles tue, um „Misstrauen bei unseren Freunden und Alliierten zu säen“. Die drei im März freigelassenen Männer gaben laut einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht an, in dem Lager nackt fotografiert, mit dem Tod bedroht und unter Drogen gesetzt worden zu sein.

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