Möglich wäre im schlimmsten Fall eine Sperre von Alpen mit Wanderwegen, die über Weiden verlaufen.
Im Juli 2014 ereignete sich im Tiroler Stubaital eine Tragödie: Auf einer Alpe wurde eine 45-jährige deutsche Touristin von Kühen attackiert und in weiterer Folge zu Tode getrampelt. Die Frau war mit ihrem Hund auf einem öffentlichen, eine Weide kreuzenden, Wanderweg unterwegs. Nach dem Vorfall entbrandete ein Rechtsstreit zwischen den Hinterbliebenen und dem Landwirt. Bereits das erstinstanzliche Urteil im Zivilprozess – der Bauer ging in Berufung – sorgt österreichweit für Aufsehen.
Ausschlag gab öffentlicher Weg mit hoher Frequenz
Laut Urteil war es zwar fahrlässig von der Urlauberin, die Hundeleine mit einem Karabiner an sich zu fixieren. Da der Hund und die Urlauberin sich korrekt verhielten, sei ihr Mitverschulden vernachlässigbar. Jedoch hätte der Alpbetreiber die Situation an diesem Wanderweg anders einschätzen müssen. Der Wanderweg führt zu einer großen Hütte, ist eine öffentliche Straße und entsprechend stark frequentiert. In diesem besonderen Falle wären die aufgestellten Warnschilder nicht ausreichend und eine Abzäunung zur Straße hin zumutbar. Der Landwirt wurde daher zu einer Schadenersatzzahlung von 180.000 Euro und eine monatliche Rentenzahlung von 1.500 Euro an den Witwer und den Sohn verurteilt. Der Beklagte geht in Berufung, das Urteil ist daher nicht rechtsgültig.
Schutzinstinkt von Mutterkühen
Der Geschäftsführer der Vorarlberger Alpwirtschaftsvereins, Christoph Freuis, räumte gegenüber den VN ein, “dass wir uns als Älpler nach diesem Urteil noch in Schockstarre befinden. Wir sind noch nicht in der Lage, mögliche Konsequenzen tatsächlich in Betracht zu ziehen.” In Vorarlberger gibt es viele Alpen, auf deren Weideflächen sich Wanderwege befinden. Meist befinden sich auf den Weiden Mutterkühe mit Kälbern in Sommerfrische. Besonders Mutterkühe können gefährlich werden, meist aber nur, wenn Wanderer mit Hunden die Weiden kreuzen. “Dann entwickelt die Kuh ihren ausgeprägten Schutzinstinkt und kann auf die Hunde, die in ihrer Wahrnehmung Wölfe sein könnten, losgehen“, erklärt Freuis. Besonders Hunde, die nicht flüchten, würden in diesem Fall ihre Besitzer gefährden.
Hundeverbot als letzte Konsequenz
Landwirte fürchten nun, dass das Urteil in anderen Fällen Vorbildwirkung entfalten könnte. Der steirische Landwirtschaftskammerpräsident Franz Titschenbacher spricht von einem “extrem harten und praxisfernen” Urteil, dass zu großer Verunsicherung und Unverständnis führe. Bei aller Tragik sei für ihn das Urteil nicht nachvollziehbar, meinte etwa der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP). Die Tiroler Grünen und Freiheitlichen sprechen von einem realitätsfernen und existenzbedrohenden Urteil, der Bauernbund von einer “Katastrophe” und der Wirtschaftsbund von “fatalen Konsequenzen”. Alpen drohen nun mit Betretungsverboten für Hunde oder eine Sperrung von Wanderwegen. Bei öffentlichen Wegen, wie in dem aktuellen Fall, wäre dies jedoch nicht möglich. Doch auch eine Einzäunung entlang öffentlicher Wege halten Kritiker des Urteils für realitätsfremd und warnen vor Einschränkungen des Tourismus in den Alpregionen.
Weiteres Vorgehen unklar
Am Mittwoch wird es in Tirol einen runden Tisch mit Vertretern der Landesregierung, des Tourismus, des Alpenvereines und der Tirol Werbung geben. Die Landwirtschaftskammer hofft, so offene Fragen klären zu können. So steht etwa noch nicht fest, ob und wie weit die Versicherung die Kosten des verurteilten Bauern übernehmen wird. Auch in Vorarlberg soll das weitere Vorgehen besprochen werden. Am 7. März, wenn sich die Vertreter der 500 Vorarlberger Alpen im Bildungszentrum Hohenems treffen, wird es ebenfalls um das Urteil von Innsbruck gehen.
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