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Unfreiwilliger Robin-Hood: Postamt-Räuber von Ottakring erhielt zehn Jahre Haft

Das Geld liegt nicht auf der Straße - außer, wenn ein Postamt-Räuber 120.000 Euro verliert und sich ein Dritter freut
Das Geld liegt nicht auf der Straße - außer, wenn ein Postamt-Räuber 120.000 Euro verliert und sich ein Dritter freut ©Bilderbox (Sujet)
Der Coup, für den ein 27-jähriger Mann am Mittwoch vor Gericht stand, liegt schon einige Zeit zurück: Im Dezember 2009 überfiel Afrim L. ein Postamt in Ottakring und erbeutete 127.000 Euro, die er auf der Flucht aber verlor. Ein Passant dürfte sich darüber gefreut haben - L. erhielt nur eine langjährige Haftstrafe.
Der Postamtraub in Ottakring

Über die reiche Beute, die ihm am 17. Dezember 2009 ein Überfall auf ein Postamt in Wien-Ottakring einbrachte, konnte sich Afrim L. nicht lange freuen. Nachdem er zwei Angestellte mit gezückter Gaspistole zum Öffnen eines Safes der Post-Filiale auf der Thaliastraße gezwungen hatte, lief er mit 127.000 Euro davon – kam aber nicht weit.

Unehrlicher Finder steckte 127.000 Euro ein

Weil eine Polizeistreife zufällig in unmittelbarer Nähe des Tatorts zu tun hatte, kam es unmittelbar nach dem Coup zu einer hollywoodreifen Verfolgungsjagd – doch dann konnte Afrim L. wenige 100 Meter vom Postamt entfernt festgenommen werden. Das Plastiksackerl mit der Beute hatte der 27-Jährige allerdings auf seiner Flucht fallen gelassen, womit der “Robin Hood wider Willen” einem Passanten ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk bescherte.

Während Afrim L. am Mittwoch im Straflandesgericht rechtskräftig zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde, dürfte der Finder in den vergangenen Jahren zumindest in finanzieller Hinsicht ein recht angenehmes Leben verbracht haben: Trotz eindringlicher, medial kolportierter Appelle der Polizei, der Finder möge sich melden, tauchte das Packerl nicht mehr auf. Der oder die Unbekannte, die gegen 8:00 Uhr am Morgen auf der Thaliastraße auf das Geld gestoßen sein dürfte, konnte bis heute nicht ausgeforscht werden.

Postamt-Räuber war Häftling auf der Flucht

Die Verhandlung gegen den glücklosen Räuber wartete mit einer weiteren ungewöhnlichen Komponente auf. “Der Angeklagte hätte zum Zeitpunkt des Überfalls eigentlich im Gefängnis sitzen müssen”, stellte Staatsanwältin Sabine Rudas-Tschinkel fest.

Afrim L. war 2006 von einem Ausgang nicht zurückgekehrt, den ihm die Justizanstalt Hirtenberg zur Betreuung seiner schwer kranken Mutter gewährt hatte. Der junge Mann hatte eine vierjährige Freiheitsstrafe für einen bewaffneten Raub abzusitzen.

Afrim L. wollte neues Leben beginnen

Als Freigänger nützte er die Gelegenheit, um mit einem falschen Pass ein neues Leben zu beginnen. Er arbeitete regelmäßig auf verschiedenen Baustellen, war unter anderem für eine Abbruchfirma tätig, verliebte sich und zeugte mit seiner Freundin ein Kind. Mehr als drei Jahre lang blieb Afrim L. unbehelligt, bis er von einem Gerüst stürzte und sich den Fuß brach. Er verlor seinen Job.

Als dann auch noch Freunde und Bekannte das Geld zurückverlangten, das sich Afrim L. ausgeborgt hatte, um seiner Spielsucht frönen zu können, “war ich so unter Druck, dass ich den Überfall gemacht habe. Es gibt immer einen Ausweg. Ich habe gehofft, dass ich damit durchkomme”, wie er nun einem Schöffensenat (Vorsitz: Claudia Moravec-Loidolt) seine Gedanken beim Postamt-Raub erklärte.

“Robin Hood” warf Geld weg, weil mit Weglaufen beschäftigt

Nachdem er ein ihm geeignetes Postamt ausgekundschaftet hatte, tauchte er eines Morgens trotz insgesamt fünf einschlägiger Vorstrafen unmaskiert und bewaffnet in der Filiale auf und schüchterte die Angestellten zusätzlich mit der Bemerkung “Das ist eine echte Waffe!” ein.

Als Alarm ausgelöst wurde, befanden sich zwei Polizeibeamte in unmittelbarer Nähe. Sie konnten gleich die Verfolgung aufnehmen, als der Räuber praktisch in Sichtweite aus der Tür kam. Dass dieser auf der Flucht, während der die Beamten mehrfach Warnschüsse abgaben, um den Mann zum Stehenbleiben zu bewegen, die Beute fallen ließ, entging ihnen. Auf die Frage des Gerichts, weshalb er denn das viele Geld einfach weggeworfen habe, meinte der Angeklagte: “Ich war damit beschäftigt, wegzulaufen.”

Mit der verhängten Strafe waren sowohl die Staatsanwältin als auch Verteidiger Rudolf Mayer einverstanden. Da sich die P.S.K. als Geschädigte in Form einer Privatbeteiligung dem Verfahren angeschlossen hatte, wurde Afrim L. auch zur Rückzahlung der 127.000 Euro an das Postamt verurteilt – nun muss der unfreiwillige Robin Hood also auch noch zurückgeben, was er nie gehabt hat.

(apa/red)

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