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Unermüdlicher Erzähler, unerschrockener Redner: Michael Köhlmeier 70

Michael Köhlmeier
Michael Köhlmeier ©VOL.AT/Paulitsch
Am 15. Oktober wird der Vorarlberger Autor und Musiker Michael Köhlmeier 70 Jahre alt.

"Ich bin auf der Welt, um Romane zu schreiben", sagt Michael Köhlmeier. Dieser Aufgabe ist er mit Büchern wie "Spielplatz der Helden" oder "Abendland" nachgekommen. Populär wurde der Vorarlberger als Erzähler und Nacherzähler, der sich alter Märchen und Mythen annahm. Im Mai 2018 erregte er in der Hofburg als unerschrockener Redner Aufsehen. Am 15. Oktober wird der Autor und Musiker 70 Jahre alt.

Am 15. Oktober 1949 in Hard als Sohn eines Journalisten geboren, studierte Köhlmeier nach der Matura zunächst Germanistik und Politikwissenschaften in Marburg und später Mathematik und Philosophie in Gießen und Frankfurt. Gemeinsam mit Reinhold Bilgeri gründete er 1972 das Duo Köhlmeier & Bilgeri; ihr Mundartlied "Oho Vorarlberg" wurde zum Hitparaden-Erfolg und zur heimlichen Landeshymne. Das Musizieren und Liedermachen hat ihn auch später nie losgelassen. Eine neue Vinyl-Ausgabe von "9 Songs" wurde am 12. Oktober in Feldkirch präsentiert.

Durchbruch mit Nacherzählungen

Mit "Originalton-Hörspielen", in denen Köhlmeier Konflikte in Fabriken und sozialen Randgruppen dokumentierte, begann Anfang der 80er Jahre sein vielfältiges literarisches Schaffen. 1982 erschien sein Debütroman "Der Peverl Toni und seine abenteuerliche Reise durch meinen Kopf". Nach emsiger Produktion weiterer Romane wie der Liebesgeschichte "Bleib über Nacht" oder der "Trilogie der sexuellen Abhängigkeit" fing Köhlmeier 1995 an, die "Klassischen Sagen des Altertums" in der gleichnamigen Ö1-Reihe zu erzählen, schrieb sie in drei Bänden nieder und adaptierte sie später auch für das Fernsehen.

So war es nicht das ureigene Erzählen, sondern das Nacherzählen, mit dem Köhlmeier seinen Durchbruch feierte. Vermittler alter Mythen, antiker Sagen, Märchen, des Nibelungenliedes und der Bibelgeschichte war Köhlmeier in seinen Bestsellern sowie im Radio. Schon seine früheren Romane, wie der "Spielplatz der Helden" (1988), "Die Musterschüler" oder der "Telemach" (1995), hatten Köhlmeier als kraftvolle österreichische Erzählerstimme etabliert, mit dem hochgepriesenen Mammut-Werk "Abendland" gelang ihm nach sechsjähriger Schreibarbeit im Jahr 2007 allerdings ein ganz neuer literarischer Höhepunkt. Der Roman kam auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises, die Erzählung "Madalyn" (2010) und der schmale Roman "Zwei Herren am Strand", eine Verflechtung der Biografien von Charlie Chaplin und Winston Churchill (2014), schafften es jeweils auf die Longlist.

Großer, souveräner Erzähler

Im 650-Seiten-Buch "Die Abenteuer des Joel Spazierer", Schelmenroman und Lügengeschichte, Gottsuche und Höllenfahrt in einem, führte Köhlmeier, der mit seiner Frau, der Schriftstellerin Monika Helfer, in Hohenems lebt, 2013 nicht nur seine Alter-Ego-Figur des Schriftstellers Sebastian Lukasser weiter, sondern zeigte sich erneut als großer, souveräner Erzähler, der gleichzeitig die Bedingungen des Erzählens reflektieren kann, ohne dabei aufdringlich zu werden.

Scharfe Kritik an Regierungsparteien

Köhlmeiers Geschichten-Strom ist weit verzweigt: Auch Prosa-Werke, Hörspiele, Theaterstücke (für Frühjahr ist "Lamm Gottes" als Auftragswerk des Theater Kosmos in Bregenz und vom Schauspielhaus Salzburg angekündigt), Lyrik und Drehbücher (etwa die von Robert Dornhelm verfilmten "Der Unfisch" und "Requiem für Dominic") listet sein Werkverzeichnis auf, in dem der Ende 2018 erschienene Sammelband "Reden gegen das Vergessen" einen gewichtigen Punkt nicht nur in seiner literarischen Biografie markiert. "Sehr geehrte Damen und Herren, erwarten Sie nicht, dass ich mich dumm stelle", begann er am 4. Mai 2018 in der Wiener Hofburg seine Rede zum Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus vor den Spitzen des Staates und übte scharfe Kritik an den Regierungsparteien sowie an jenen, die zwar Unbehagen bei gesellschaftlichen Vorgängen verspüren, dieses jedoch nicht öffentlich artikulieren. Die Aufsehen erregende, kaum mehr als sechsminütige Rede ist auch auf YouTube zu sehen und wurde breit rezipiert. "Meine politischen Äußerungen tätige ich als normaler Bürger, der für das Gemeinwesen eine gewisse Verantwortung spürt", sagt Köhlmeier.

Zahlreiche Preise

Ausgezeichnet wurde Köhlmeier u.a. mit dem Rauriser Literaturpreis (1982), dem Johann-Peter-Hebel-Preis (1988), dem Manes-Sperber-Preis (1993), dem Anton-Wildgans-Preis (1996), dem Grimmelshausen-Preis (1997), dem Preis des Vorarlberger Buchhandels (2001), dem Aachener Literaturpreis (2014), dem Marie-Luise-Kaschnitz-Preis (2016), dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse (2016), dem Literaturpreis der Adenauer-Stiftung (2017) und dem Ferdinand-Berger-Preis (2019).

(APA)

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