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Umstrittener Kunstsammler Cornelius Gurlitt mit 81 Jahren gestorben

Bekannt wurde Cornelius Gurlitt durch den umfangreichen Kunstfund in seiner Münchner Wohnung (rechts) im Februar 2012.
Bekannt wurde Cornelius Gurlitt durch den umfangreichen Kunstfund in seiner Münchner Wohnung (rechts) im Februar 2012. ©APA, AP
Der Kunstsammler Cornelius Gurlitt ist tot. Er starb am Dienstag am späten Vormittag im Alter von 81 Jahren in seiner Münchner Wohnung, wie sein Sprecher Stephan Holzinger der dpa bestätigte.
Aus der Sammlung Gurlitts
Fall Gurlitt: Fragen bleiben offen
Beschlagnahmung aufgehoben
Einigung mit deutscher Regierung
Über 60 Werke in Salzburger Haus
Die verräterische Nachtzugfahrt

Sein Arzt und sein Pfleger seien bei ihm gewesen, sagte Holzinger. Gurlitt, der Sohn von Adolf Hitlers Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, war schon länger schwer krank.

Ermittlungsverfahren endet mit Tod

So war er nach einer Herz-OP und einem wochenlangen Klinikaufenthalt auf eigenen Wunsch in seine Münchner Wohnung zurückgekehrt. Dort sei er in den letzten Wochen rund um die Uhr pflegerisch betreut und versorgt worden, heißt es. Gurlitt befand sich seit Ende vergangenen Jahres unter amtlicher Betreuung. Wie sein Sprecher gemeinsam mit seinem Rechtsanwalt und Betreuer weiter mitteilte, endet mit dem Tod Gurlitts auch das Betreuungs- und Ermittlungsverfahren.

Spektakuläre Kunstsammlung entdeckt

In Gurlitts Münchner Wohnung war im Februar 2012 eine Sammlung an rund 1.280 Kunstwerken gefunden und beschlagnahmt worden. Dazu zählten Werke von Picasso, Chagall, Matisse, Beckmann und Nolde. Auch in einem Salzburger Domizil wurden zuletzt Kunstwerke entdeckt.

Erst Anfang April hatte Gurlitt der Bundesregierung und dem Freistaat Bayern vertraglich zugesichert, seine millionenschwere Sammlung auch nach dem Ende der Beschlagnahme von Experten untersuchen zu lassen und unter Nazi-Raubkunstverdacht stehende Werke gegebenenfalls zurückzugeben. Daraufhin gab die Staatsanwaltschaft Augsburg die Werke frei.

Raubkunst soll zurückgegeben werden

Bis Ende des Jahres sollte die Herkunft der Gemälde weitgehend erforscht sein. Gurlitt sollte gemäß der Vereinbarung dann jene Bilder zurückerhalten, die sich nicht als Raubkunst erweisen und den ursprünglichen Besitzern zurückgegeben werden. Die deutsche Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) würdigte am Dienstag den Verstorbenen: Mit dem Bekenntnis zur moralischen Verantwortung habe Gurlitt ein Zeichen für faire und gerechte Lösungen bei der Rückgabe von NS-Raubkunst gesetzt.

Bis er in das Zentrum der wohl spektakulärsten Kunstsensation der vergangenen Jahrzehnte geriet, hatte Gurlitt ein zurückgezogenes Leben in seiner Schwabinger Wohnung und seinem Haus in Salzburg geführt. “Mehr als meine Bilder habe ich nichts geliebt in meinem Leben”, sagte er in seinem einzigen Interview im “Spiegel”.

Spektakulärer Kunstfund: Eine Chronologie

Monatelang hielt der “Fall Gurlitt” die Kunstwelt in Atem. Ein Überblick über die wichtigsten Stationen in der Causa:

  • 22. September 2010: Der Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt wird auf einer Zugfahrt von Zürich nach München kontrolliert. Zollfahnder schöpfen Verdacht, es könne ein Steuerdelikt vorliegen.
  • 23. September 2011: Das Amtsgericht Augsburg bewilligt einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss für Gurlitts Münchner Wohnung.
  • 28. Februar 2012: Gurlitts Wohnung in München wird durchsucht. Die Fahnder entdecken rund 1.280 wertvolle Kunstwerke. Der Fund wird geheim gehalten, eine Berliner Kunstexpertin mit der Erforschung der Herkunft beauftragt.
  • 3. November 2013: Das Nachrichtenmagazin “Focus” bringt den Fall an die Öffentlichkeit und sorgt damit für eine Sensation.
  • 11. November 2013: Die ersten 25 Werke werden auf der Plattform “lostart.de” veröffentlicht – nach und nach folgen alle weiteren unter Verdacht stehenden Werke. Eine Taskforce wird eingesetzt, sie soll die Herkunft der Bilder erforschen.
  • 19. November 2013: Die Behörden teilen mit, dass Gurlitt Hunderte Bilder zurückbekommen soll, die ihm zweifelsfrei gehören. Den Angaben zufolge scheiterten mehrere Übergabeversuche.
  • 23. Dezember 2013: Es wird bekannt, dass Gurlitt unter vorläufige Betreuung gestellt wird.
  • 28. Jänner 2014: Die Taskforce gibt bekannt, dass nach einer ersten Sichtung 458 Werke aus Gurlitts Sammlung unter Raubkunstverdacht stehen. Gurlitts damaliger Anwalt, Hannes Hartung, sagt, sein Mandant sei gesprächsbereit und an einer “fairen und gerechten Lösung” interessiert.
  • 3. Februar 2014: Gurlitts Anwälte teilen mit, dass sie Anzeige gegen Unbekannt stellen, weil vertrauliche Informationen aus den Ermittlungsakten an die Öffentlichkeit gerieten.
  • 10. Februar 2014: Nach Angaben von Gurlitts Sprecher Stephan Holzinger wurden mehr als 60 weitere wertvolle Bilder in Gurlitts Haus in Salzburg gesichtet und an einen sicheren Ort gebracht – darunter Werke von Picasso, Renoir und Monet.
  • 19. Februar: Gurlitts Anwälte geben bekannt, dass sie beim Amtsgericht Augsburg Beschwerde gegen die Beschlagnahmung der Kunstsammlung eingelegt haben.
  • 24. und 28. Februar: Bei weiteren Besichtigungen des Salzburger Anwesens von Gurlitt werden zahlreiche weitere Kunstgegenstände “in einem zuvor nicht zugänglichen Teil des alten Hauses” gefunden.
  • 5. März: Das Amtsgericht München ordnet die weitere Betreuung Gurlitts an. Sie soll zunächst bis Ende des Jahres gelten.
  • 26. März: Gurlitts Betreuer Christoph Edel lässt mitteilten, dass die Salzburger Sammlung Gurlitts nicht nur 60, sondern 238 Werke umfasst. Außerdem gibt er bekannt, dass Gurlitt sich bereit erklärt, als Raubkunst anerkannte Bilder der Münchner Sammlung an die Erben jüdischer Vorbesitzer zurückzugeben. Den Anfang soll die “Sitzende Frau” von Henri Matisse machen.
  • 7. April: Gurlitts Anwälte unterzeichnen einen Vertrag mit der Bundesregierung, in dem der Kunsthändler sich bereit erklärt, Bilder, bei denen es sich um Nazi-Raubkunst handelt, freiwillig zurückzugeben.
  • 9. April: Zwei Tage nach der Vertragsunterzeichnung zwischen Gurlitt und dem Bund gibt die Staatsanwaltschaft Augsburg die beschlagnahmten Bilder nach mehr als zwei Jahren wieder frei.
  • 6. Mai: Cornelius Gurlitt stirbt im Alter von 81 Jahren in seiner Wohnung in München.

(APA)

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