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Umstrittener Film: "Passion Christi"

Die Diözese Feldkirch lud gestern Mittag ins Cineplexx zur Vorpremiere von Mel Gibsons „Jesusfilm". Und man tat gut daran, auf Popcorn zu verzichten.

Das ließen sich viele nicht entgehen: Pfarrer, Diözesanmitarbeiter, Angehörige. Um 12 Uhr mittags senkte sich das erwartete Dunkel über den gut besuchten Kinosaal Nummer 9 und das 127 Minuten lange Martyrium begann. Dieser Film ist anders. Die Kamera hält drauf, wo sie bis dato verschämt zur Seite sah. Die Schauspieler sprechen allesamt aramäisch und Latein. Deutsche Untertitel inklusive, wird dem Zuschauer suggeriert, dass er Jesu Tod miterlebt, wie er wirklich war. Blutig, peinvoll, ungeschminkt.

Die letzten zwölf Stunden im Leben Jesu. Aus Sicht von US-Star Mel Gibson. Die Technik des modernen Films leistete ihm gute Dienste dabei.

Ein Mensch stirbt

Seine Bilder rücken bittersüße Verklärungen zurecht. Denn wenn ein Mensch Todesangst hat, trägt er das Haar nicht mehr dauergewellt locker-flockig auf der Schulter. Er schwitzt. Er stinkt. Seine Augen blicken irr. Die Hände graben sich in den Dreck. Menschen, die sich fürchten, sind nicht schön. Oder die Geißelung. Schlag für Schlag zermatscht den Körper Jesu Christi zu einem blutigen, zuckenden Bündel Fleisch. Und im Widerschein der geifernden Gesichter der Legionäre sieht man die Haut zerplatzen. In Zeitlupe bohren sich die Widerhaken ins Fleisch und mit einem gewaltigen Ruck reißen sie Fetzen davon heraus. Die bestimmende Farbe des Filmes ist rot und man ist dankbar, dass das Geruchskino noch nicht erfunden wurde.

“Überzogen”

So sieht man nach der Vorführung leicht blasse Gesichter, und die Reaktionen sind geteilt. „Viel weniger beeindruckt als erwartet”, zeigt sich Ingrid Holzmüller vom Ehe- und Familienzentrum. „Gibson hat überzogen”, sagt sie, die „nach einer Stunde ausgestiegen” ist.

Solange hat es Hanno Loewy vom Jüdischen Museum nicht ausgehalten. Der verließ das Kino bereits nach 30 Minuten, weil es ihm „schlichtweg zu blöd” geworden war. Ganz anders Bischof Klaus Küng. Der war „sehr beeindruckt”, weil man eben in diesem Film sah, „dass das Leiden des Herrn etwas Furchtbares war”. Küng fühlte sich an jenen Pathologen erinnert, der das Turiner Grabtuch solange untersuchte, bis er geistig verwirrt verschied. Dieser Mann habe den Tod Christi rekonstruiert. Und auch der Film Mel Gibsons tue das in weiten Teilen. Selbst „die Geißelung entspricht den römischen Folterwerkzeugen”. Nur mehr Auferstehung hätte sich der Bischof gewünscht, der den Film „Erwachsenen empfehlen kann”. Küngs Sekretär Bernhard Augustin findet, dass die Passion durchaus mit dem Kreuzweg übereinstimmt, „den wir ja beten”.

Doch die Geschmäcker sind verschieden. Andernorts hagelt es Tadel. Dem Theologen Dr. Walter Schmollyist der Film „zu dominant und distanzlos”. Die Bilder sind derart dicht, „dass man selber mit seinem Glauben keinen Platz mehr findet”. Der Zürcher Filmjournalist Thomas Binotto nennt Gibsons Werk schlicht einen „Horrorfilm” und empfindet es ebenso wie Schmolly als „sehr problematisch”, wenn sich der Film anmaßt, die historische Wahrheit darzustellen.

Was sagte Hanno Loewy? Weshalb diese geschmacklose Blutorgie, die den Juden wenig schmeichelt, „gerade jetzt” in die Kinos kommt, will er wissen. Und weshalb sie wohl in Europa so begeistert aufgenommen wird.

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