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©M. Rauch, Pixabay/Tumisu ©Stadt Dornbirn bzw. Pixabay/Tumisu

Übergewichtige Menschen und ihre Herausforderungen im Gesundheitswesen

Übergewicht und Adipositas ist ein sich rasant entwickelnder Gesundheitsbereich des 21. Jahrhunderts. Die medizinische Infrastruktur für diese Patientengruppe ist größtenteils unterentwickelt. Vorarlbergs Landeskrankenhäuser versuchen entgegenzuwirken.

In Österreich waren im Jahr 2018 3,4 Millionen Menschen übergewichtig oder adipös. Der Grund dafür ist eine falsche Ernährung und der übermäßige Konsum von ungesunden Lebensmitteln. Auf dem österreichischen Speiseplan stehen vor allem Gerichte mit einem zu hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren, Transfetten, Zucker und Salz. Gemüse, Obst und Vollkornprodukte kommen oft zu kurz. Die Vorarlberger Krankenhaus -Betriebsgesellschaft weist darauf hin, dass Adipositas für viele Krankheiten (z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates) ein Risikofaktor darstellt. Eine große Zunahme an Adipositas und Übergewicht sind gerade im ländlichen Raum zu beobachten.

© Vorarlberger Nachrichten

Das Land und der BMI

Eine internationale Studie untersuchte den Body Mass Index (BMI) von 112 Millionen Menschen aus insgesamt 200 Ländern. Auch Österreich. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass in der Zeitspanne von 1985 bis 2017 weltweit der durchschnittliche BMI von Frauen und Männern um 2,1 Einheiten angestiegen ist. Dies entspricht einer durchschnittlichen Gewichtszunahme von fünf bis sechs Kilogramm pro Person. Über die Hälfte dieses globalen Gewichtsanstiegs wurde dabei im ländlichen Raum verzeichnet. Österreich gehört zu den Industrieländern, in welchen die größte Differenz des BMI zwischen städtischen und ländlichen Regionen vorzufinden ist.

Laut Body Mass Index sind Menschen mit einem Wert von 25 bereits übergewichtig. Ab einem BMI von 30 leidet der Patient, die Patientin an der Stoffwechselerkrankung Adipositas, Fettleibigkeit. Laut Schweizer Bundesamt für Statistik waren 1992 6% der Männer und 5% der Frauen in der Schweiz adipös. 2017 hat sich der Anteil bei beiden Geschlechtern verdoppelt. Aufgrund der starken Zunahme von übergewichtigen Menschen stehen in der Schweiz die Gesundheitseinrichtungen vor Herausforderungen.

Adipopsitaszentrum in der Ost-Schweiz

"Adipöse Patienten werden bei uns grundsätzlich so behandelt wie alle anderen auch", zitiert das "Tagblatt" Thomas Frick, Leiter des Ostschweizer Adipositaszentrum in St. Gallen. Es gib in der Schweiz unterschiedliche Ansätze, stark adipöse Patientinnen und Patienten zu behandeln. Bis zu einem BMI-Wert von 40 sind Schlauchmagenoperationen oder Magenbypässe Routineeingriffe. Sobald der BMI von 40 überschritten ist, werden die Eingriffe schwieriger. Jedoch sind es genau diese Menschen, die von solchen Operationen am meisten profitieren.

Anlaufstellen für Übergewichtige in Vorarlberg

Auch in Vorarlberg gibt es mehrere Anlaufstellen für übergewichtige Menschen. Am LKH in Bregenz finden überwiegend chirurgische Eingriffe statt. In der Vorarlberger Landeshauptstadt bieten wir nach Abklärung von gesundheitsgefährdenden und ausgeprägter Adipositas bariatrische Chirurgie als stationäre Behandlungsmöglichkeitan, erklären die Vorarlberger Krankenhaus-Betriebsgesellschaft (KHBG Vorarlberg). Bei übergewichtigen Patienten mit zunehmendem Alter zeigt sich eine Steigerung der Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus, Herzkreislauferkrankungen und orthopädische Erkrankungen. Zudem ist auch bei der Anzahl der übergewichtigen Menschen eine Steigerung zu beobachten (Lebensstil, Gene) sodass Prävention gefordert werden muss, postuliert Primar Dr. Dietmar Wohlgenannt, Leiter der Chirurgie am LKH Bregenz.

Primar D. Wohlgenannt (Foto: M. Mohr)

Eine umfangreiche Vorbereitung ist Pflicht. Zuerst wird eruiert, ob eine OP für eine Gewichtsreduktion überhaupt zielführend ist. Anschließend wird der Patient, die Patientin von einem Internisten und einem Psychiater untersucht. Erst wenn diese den Patienten bzw. die Patientin freigeben, wird der Eingriff vorbereitet. Adipositas ist mittlerweile als Ernährungs- und Stoffwechselerkrankung anerkannt und sollte  bei gesundheitlicher Gefährdung dementsprechend abgeklärt und behandelt werden. Anlaufstellen für Betroffene im niedergelassenen Bereich sind wichtig, gleichzeitig ist auch die Möglichkeit der bariatrischen Chirurgie für viele hilfreich, erklärt die KHBG Vorarlberg. Die Methode und die Entscheidung hängen schlussendlich vom Patienten ab.

© Paulitsch

Alltägliche Herausforderungen

Bei der Behandlung von stark übergewichtigen Menschen stehen Ärzte, sowie das Pflegepersonal vor Herausforderungen. Es beginnt bereits beim Transport der Patienten. Das Rote Kreuz Vorarlberg ist in Besitz eines Spezialfahrzeuges, das mit unterschiedlichen Hilfsmitteln ausgestattet ist. Ärztliche Behandlung, wie Bauchabtastungen bei Bauchschmerzen, bei der Messung des Blutdrucks oder bei Ultraschalluntersuchungen sind bei adipösen Patienten erschwert. Wenn die Untersuchungen kein eindeutiges Resultat liefern, muss man chirurgisch Eingreifen, um zu wissen, was los ist, erklärt Thomas Frick im Gespräch mit dem "Tagblatt".

Ein weiteres Problem ist die Magnetresonanztomographie (MRT). In gewissen Fällen ist das MRT-Gerät zu klein für den Patienten, die Patientin. Hier werden spezielle Anfertigungen benötigt. Solche speziellen medizinischen Geräte sind in den meisten Krankenhäusern Mangelware. In Vorarlberg ist es glücklicherweise die Situation, dass die Behandlung von stark übergewichtigen Menschen noch nicht so oft vorkommt, erklärt die Vorarlberger Krankenhaus-Betriebsgesellschaft. Vorbereitet ist man in Vorarlberg dennoch. In den Landeskrankenhäusern befinden sich Betten oder OP-Tische mit großer Hebelast. Außerdem stehen spezielle WC-Stühle oder Schwerlaststühle zur Verfügung.

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Erhöhte Pflegeleistung

Bestimmte Betten, Rollstühle und Tragen sind mittlerweile in beinahe jedem Vorarlberger Krankenhaus aufzufinden. Nicht nur das Inventar muss stimmen, es entsteht außerdem zusätzlicher Aufwand für das Pflegepersonal. Muss ein übergewichtiger Patient umgelagert werden, werden dafür mindestens zwei Pflegepersonen benötigt. Die Mobilität der Patienten und Patientinnen ist unterschiedlich und benötigt deswegen auch situationsabhängig unterschiedlich viele Pfleger und Pflegerinnen. Spezielle technische Hilfsmittel sind in einigen Krankenhäusern vorhanden, jedoch richten Hersteller ihre medizinischen Geräte nicht auf die Patientengruppe der übergewichtigen Menschen aus. Eine grundlegend adäquate Untersuchung ist je nach Situation nicht immer gegeben. Ein Bereich des Gesundheitswesens, in dem Aufholbedarf besteht.

Übergewicht, Fettleibigkeit und Adipositas sind vom gesundheitlichen Blickwinkel aus betrachtet für die Betroffenen, die darunter leiden, sehr sensible Themen, mit denen im öffentlichen Diskurs respektvoll umgegangen werden muss. Primar Dr. Wohlgenannt mahnt: "Für die Betroffenen darf hier keine Stigmatisierung passieren. Von medizinischer Seite ist eine umfassende Aufklärung nötig sowie die Möglichkeit, bei krankhaftem Übergewicht eine entsprechende Therapie oder OP zu erhalten, welche -  wie bei uns -  von der Krankenkasse übernommen wird."

(Red.)

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