AA

Türkei: Schriftsteller Pamuk vor Gericht

Wenige Tage vor Beginn seines Prozesses in Istanbul hat sich der türkische Erfolgsschriftsteller Orhan Pamuk zuversichtlich über seine Chancen vor Gericht geäußert.

“Ich glaube, sie werden mich am Ende nicht ins Gefängnis werfen”, schrieb Pamuk in einem am Montag veröffentlichten Beitrag für die türkische Tageszeitung „Radikal“. Pamuk muss sich ab diesem Freitag vor einem Istanbuler Gericht wegen „Beleidigung des Türkentums“ verantworten.

Die Staatsanwaltschaft will den Friedenspreisträger bis zu drei Jahre ins Gefängnis bringen, weil er zu Beginn des Jahres in einem Schweizer Magazin gesagt hatte, in der Türkei seien 30.000 Kurden und eine Million Armenier getötet worden. Die EU betrachtet das Verfahren als Testfall für die Meinungsfreiheit im Bewerberland Türkei.

In dem Zeitungsbeitrag bekräftigte Pamuk seine Aussagen über den Kurdenkrieg und die türkischen Massaker an den Armeniern im Ersten Weltkrieg und plädierte für eine freimütige Diskussion darüber. Nicht die Debatte über dunkle Kapitel in der Geschichte beflecke die „Ehre“ einer Nation, sondern das Verschweigen dieser Kapitel, schrieb Pamuk.

Das Verfahren gegen Pamuk wird international mit großer Aufmerksamkeit verfolgt; zur Prozesseröffnung wird unter anderem eine Beobachterdelegation des EU-Parlaments in Istanbul erwartet. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn hatte Pamuk im Oktober in Istanbul einen Solidaritätsbesuch abgestattet. Gegen Pamuk läuft noch ein weiteres Verfahren, in dem ihm wegen einer anderen Interview-Äußerung eine Beleidigung der Armee vorgeworfen wird.


Namhafte Schriftsteller unterstützen Pamuk

Acht namhafte Schriftsteller, darunter die Nobelpreisträger Günter Grass, José Saramago (Portugal) und Gabriel Garcia Màrquez (Kolumbien), haben die Einstellung des Gerichtsverfahrens gegen den türkischen Autor Orhan Pamuk verlangt. Ein Prozess gegen den diesjährigen Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels sei mit einem Rechtsstaat „absolut unvereinbar“, erklärten die Autoren in einem Manifest, das die spanische Mediengruppe PRISA©am Montag in Madrid veröffentlichte.

Ein Istanbuler Bezirksstaatsanwalt hatte gegen den 53-jährigen Pamuk Anklage erhoben, weil dieser in einem Interview auf „eine Million Armenier“ hingewiesen hatte, die im Ersten Weltkrieg im Osmanischen Reich „ermordet“ worden seien. Dafür droht ihm wegen „Herabsetzung des Türkentums“ eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren. Die Türkei weist alle Vorwürfe, die in die Richtung eines Völkermords an den Armeniern gehen, entschieden zurück.

Die acht Schriftsteller betonten in ihrem Manifest, dass eine Meinungsäußerung über geschichtliche Ereignisse unter keinen Umständen ein Vergehen darstellen könne. Das Papier wurde neben den drei Nobelpreisträgern von den Autoren Umberto Eco (Italien), Carlos Fuentes (Mexiko), Juan Goytisolo (Spanien), John Updike (USA) und Mario Vargas Llosa (Peru) unterzeichnet.

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Welt
  • Türkei: Schriftsteller Pamuk vor Gericht