Und diesmal ist das Patt wirklich ein Patt. Wenn man bisher zumindest die knappste Mehrheitskoalition bilden konnte, die im 200-köpfigen Abgeordnetenhaus 101 Stimmen hatte, ist nun die Situation völlig ausgeglichen – 100 zu 100.
Wenn man von den Kommunisten (KSCM), mit denen keine andere Partei koalieren will, absieht, ist mathematisch praktisch nur eine einzige Mehrheitskoalition möglich: die Große Koalition des Wahlsiegers – der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) von Mirek Topolanek – mit den Sozialdemokraten (CSSD) des bisherigen Premiers Jiri Paroubek. Dieser Zusammenschluss hätte insgesamt 155 Stimmen.
Der ODS ist es gelungen nach acht Jahren in der Opposition die Parlamentswahl zu gewinnen. Das Ergebnis über 35 Prozent der Stimmen – um elf Prozent mehr als 2002 – ist dabei unerwartet hoch – selbst die ODS hat damit nicht gerechnet. Trotzdem hat ihr Wahlsieg einen bitteren Nachgeschmack. Die ODS kann keine nicht linke Regierung schaffen, wie es Topolanek wünschte. Mit der christdemokratischen Volkspartei (KDU-CSL) und den Grünen, denen eher eine Rechts-Neigung nachgesagt wird, hat die ODS nur jene 100 Mandate – also sehr wenig.
Die restlichen 100 Sitze gehören der CSSD und der KSCM. Dies bedeutet, dass nicht einmal die von Paroubek mehrmals in Aussicht gestellte CSSD-Minderheitsregierung, die von der KSCM geduldet würde, zu Stande kommen kann.
Schwierig scheint auch eine Große Koalition zu sein. Die gegenseitige Feindschaft zwischen Topolanek und Paroubek ist so stark, dass sich bisher kaum jemand eine solche Konstellation vorstellen konnte. Übrigens hatten dies beide Parteichefs schon vor der Abstimmung mehrmals abgelehnt. Auch würde man sehr schwer Gemeinsamkeiten in den Programmen von ODS und CSSD finden.
Nun ist ein weiteres Problem dazugekommen: die Rede Paroubeks vom Samstagabend, in der er ablehnte, seine Wahlniederlage anzuerkennen, und mit der er das Wahlergebnis wegen eines nach seiner Auffassung unfairen Wahlkampfs in Frage stellte. Paroubek hat damit sehr überrascht – er hat offensichtlich die Nerven verloren, obwohl es im Wahlkampf so schien, dass er stärkere als Topolanek hat. Es passierte zum ersten Mal in der Geschichte Tschechiens, dass der Chef einer Großpartei es ablehnte, das Wahlergebnis anzuerkennen.
Paroubek hätte dabei relativ zufrieden sein können. Die CSSD soll künftig im Unterhaus um vier Mandate mehr als bisher haben und auch ihr Wahlergebnis von 32,3 Prozent der Stimmen (um rund zwei Prozent mehr als 2002) kann als Erfolg betrachtet werden. Umso mehr, als bei den Europawahlen 2004 die CSSD nur 8,8 Prozent der Stimmen erzielt hatte und sich noch vor einem Jahr bei Wählerumfragen irgendwo bei der Zehn-Prozent-Marke bewegte.
Eine äußerst komplizierte Suche nach einem Ausweg aus der stark polarisierten Patt-Situation steht nun in Tschechien bevor. Ein baldiges Ende dieses Prozesses ist dabei nicht in Sicht. Eine wichtige Rolle wird dem Staatspräsidenten – und ODS-Ehrenvorsitzenden – Vaclav Klaus zukommen. Schon am Montag will er Topolanek auf die Prager Burg zu ersten Konsultationen einladen. Höchstwahrscheinlich wird er ihn – früher oder später – auch mit der Regierungsbildung beauftragen. Ob es Topolanek schaffen wird, steht aber in den Sternen.
Klaus kann sich aber auf jeden Fall in seiner Auffassung bestätigt fühlen, dass es für Tschechien geeignet wäre, das Mehrheits-Wahlsystem anstatt des bisherigen Proporzsystems einzuführen. Damit sollten die Patt-Situationen künftig vermieden werden. Allerdings steht eine entsprechende Änderung des Wahlgesetzes offenbar nicht auf der Tagesordnung. Ein solcher Versuch der beiden großen Parteien – ODS und CSSD – war schon vor einigen Jahren beim Verfassungsgerichtshof gescheitert.
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