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Friedliche Proteste in den USA schlugen in Gewalt um

Zahlreiche Menschen protestieren in Washington gegen Polizeigewalt
Zahlreiche Menschen protestieren in Washington gegen Polizeigewalt ©APA (AFP)
In den USA hat es in vielen Großstädten am Dienstag tagsüber erneut friedliche Massendemonstrationen gegen Rassismus, Diskriminierung und Polizeibrutalität gegeben, die teilweise gegen Abend in gewaltsame Ausschreitungen umschlugen.

Das Militär verlegte 1.600 Soldaten in die Hauptstadt Washington. Roxie Washington, die Mutter von George Floyds sechsjähriger Tochter Gianna, fordert Gerechtigkeit.

"Keine Gerechtigkeit, kein Frieden"

Große Märsche fanden in Los Angeles, Philadelphia, Atlanta und New York City sowie in Washington D.C. statt. Auf dem Hollywood Boulevard in Los Angeles füllten Hunderte von Menschen die Straßen und marschierten an berühmten Sehenswürdigkeiten der Stadt vorbei. Andere versammelten sich vor der Hauptwache der Polizei in der Innenstadt, umarmten Polizisten und reichten sich die Hände als Zeichen des Friedens. In New York City marschierten Tausende friedlich die 86th Street hinauf, hielten Schilder mit der Aufschrift "Keine Gerechtigkeit, kein Frieden" und skandierten "sag' seinen Namen, George Floyd", gefolgt von einer stillen Mahnwache. In Floyds Heimatstadt Houston versammelten sich Tausende zu einem von seinen Freunden und seiner Familie organisierten Marsch.

In Minneapolis forderte Roxie Washington, die Mutter von Floyds sechsjähriger Tochter Gianna, Gerechtigkeit und sagte, Floyd sei ein guter Vater und ein guter Mensch gewesen, der es nicht verdient habe, unter dem Gewicht von drei Polizisten mit dem Gesicht nach unten auf dem Gehsteig zu sterben. "Am Ende des Tages können sie nach Hause gehen und bei ihren Familien sein", sagte Washington. "Gianna hat keinen Vater mehr. Er wird sie nicht aufwachsen sehen, nicht bei ihrem Abschluss dabei sein. Er wird sie nie als Braut zum Altar führen können."

Demonstranten vor Weißem Haus

Nach Einbruch der Dunkelheit schlugen die friedlichen Demonstrationen trotz der Ausgangssperre teilweise in Gewalt um: Es kam in mehreren Städten zu Ausschreitungen, Vandalismus, Brandstiftung und Plünderungen. Demonstranten zertrümmerten Fenster und plünderten Luxusgeschäfte auf der Fifth Avenue in New York und setzten ein Einkaufszentrum in Los Angeles in Brand. In einigen Städten wurden Polizeibeamte mit Steinen und Gegenständen beworfen. In zwei Städten wurden nach offiziellen Angaben fünf Polizisten von Schüssen getroffen, einer davon schwer. Vor dem Weißen Haus protestierten Hunderte, Demonstranten skandierten Slogans wie "Wir bewegen uns nicht" und "Scheiß auf eure Ausgangssperre".

Laut einer am Dienstag veröffentlichten Reuters/Ipsos-Umfrage sympathisiert eine Mehrheit von 64 Prozent der US-Bürger mit den Protesten. Mehr als 55 Prozent der befragten Amerikaner gaben an, dass sie den Umgang von US-Präsident Trump mit den Protesten missbilligten, darunter 40 Prozent, die sein Vorgehen "stark" missbilligten. Ein Drittel der Befragten stehe laut der Umfrage hinter Trump.

Verlegung von Soldaten angeordnet

Das US-Militär hat nach eigenen Angaben rund 1.600 Soldaten auf Militärstützpunkte rund um Washington verlegt, um die Sicherheitskräfte in der Hauptstadt angesichts der anhaltenden Proteste bei Bedarf unterstützen zu können. Die Militärpolizisten und Infanteristen stünden bereit, um gegebenenfalls unterstützend einzugreifen, erklärte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Minister Mark Esper habe die Verlegung der Soldaten angeordnet, hieß es weiter.

Die Drohung von US-Präsident Donald Trump, mit Militärkräften angesichts der Unruhen in den USA einzugreifen, spielt in die Hände der chinesischen Propaganda. Staatsmedien warfen den USA vor, mit zweierlei Maß zu messen und "sich selbst zu widersprechen", wie die Zeitung "Global Times" am Mittwoch meinte. Auch beklagten Kommentatoren Rassismus, Ungleichheit und Ungerechtigkeit in den USA.

Gerade vor dem Hintergrund des Donnerstag bevorstehenden Jahrestages des blutigen Militäreinsatzes gegen die Demokratiebewegung am 4. Juni 1989 in China und der anhaltenden Proteste in Hongkong fand Trumps Ankündigung besondere Aufmerksamkeit. "Warum beschuldigen die USA arrogant und unverschämt andere Länder, Proteste niederzuschlagen?", fragte die "Global Times". "Warum porträtieren Politiker in Washington die USA anmaßend als Leuchtturm der Demokratie und Menschenrechte?" Die Staatsagentur Xinhua sprach von der "bevorstehenden Erstickung des amerikanischen Traums".

(APA/dpa)

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