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Türkei ist wachstumsstärkster Markt Europas

Die Türkei liegt als boomender Wachstumsmarkt quasi vor der Haustür der heimischen Unternehmen, sollte aber dem Handelsdelegierten Marco Garcia zufolge noch intensiver beackert werden.

“Wir hatten in Österreich eine Osteuropa-Euphorie, momentan haben wir eine BRIC-Euphorie, die aufkommt”, sagte der Vertreter der Außenwirtschaftsorganisation in der Wirtschaftskammer Österreich heute, Freitag, vor Journalisten.

Der Blick richte sich derzeit hauptsächlich auf die aufstrebenden Märkte Brasilien, Russland, Indien und China. Die Türkei werde dabei oft übersehen. “Das ist schlecht für die Türkei, weil sie so durch den Rost fällt”, so Garcia.

Mit einem erwarteten BIP-Wachstum von 6,5 bis 8 Prozent für heuer und 4 Prozent für 2011 sei das Land der am stärksten wachsende Markt in Europa. Die Aufwärtsentwicklung hält nun schon seit fast zehn Jahren an. Lediglich 2009 gab es einen starken Einbruch. Türkische Staatsanleihen hätten viel bessere Spreads als jene in westeuropäischen Ländern. Nach der Krise 2001 habe das Land strenge IWF-Auflagen bekommen und sich auch daran gehalten. Die Früchte würden jetzt geerntet. “Die Türkei hat keine einzige Bank, die in Schieflage geraten ist,” und steht laut Garcia kurz davor, Investmentgrades zu bekommen.

Über die boomende Istanbuler Börse könne man sich derzeit “relativ leicht kapitalisieren”. Zuletzt hat sich dies der börsenotierte Wiener Caterer Do&Co von Attila Dogudan zunutze gemacht – seit gestern, Donnerstag, notierte das Unternehmen neben Wien auch in Istanbul. Die Börse wird allerdings von ausländischen Investoren beherrscht, verwies der Handelsdelegierte auf einen Schwachpunkt. “Wenn wieder eine Krise kommt, wird das Geld abgezogen.”

In der Türkei werde der Markteintritt immer schwieriger. “Da hoffe ich, dass die österreichischen Unternehmen aufwachen.” Der Verdrängungswettbewerb ist jetzt schon massiv. Für jedes Produkt gibt es lokale Konkurrenz, Billigkonkurrenz aus Asien und Konkurrenz aus Westeuropa. “Es ist nicht möglich, über den Preis hineinzugehen”, betonte Garcia. Die Unternehmen bräuchten eine wohldurchdachte Strategie und schlaues Marketing. “Wenn man gut vorbereitet ist, profitiert man von dem Wachstum”, ist der Handelsdelegierte überzeugt.

Kleineren und mittleren Unternehmen, denen der gesamte türkische Markt zu groß ist, könnten sich auf Istanbul konzentrierten, so die Empfehlung. Fast 50 Prozent des gesamten Dienstleistungssektors seien dort geballt vertreten. In der 13 Millionen Einwohner starken Metropole findet man – nur zwei Flugstunden von Wien entfernt – die höchste Kaufkraft in ganz Südosteuropa vor. Angesichts des starken Wachstums und der Wirtschaftskraft könne man dort gute Geschäfte machen.

Gegenwärtig sind österreichische Unternehmen mit rund 150 Niederlassungen am Bosporus vertreten – der Verbund-Konzern, bereits seit ein paar Jahren mit der EnerjiSA vor Ort, bietet derzeit um türkische Stromverteiler mit, die OMV kaufte mit Petrol Ofisi eines der größten Tankstellennetze und die Wiener Städtische eine Versicherung. Der Eintritt in den klassischen Bankensektor sei mittlerweile sehr teuer. Die Erste Bank ist in einer Nische im Broker-Geschäft aktiv. Punkten könnten heimische Betriebe in Zukunft beispielsweise in den Bereichen Infrastruktur, Wasserver- und -entsorgung, erneuerbare Energie und Medizin.

In den ersten acht Monaten haben die österreichischen Exporteure ihre Lieferungen in die Türkei vorläufigen Berechnungen zufolge um 36,5 Prozent auf 653 Mio. Euro gesteigert – nach einer Wachstumsdelle im Vorjahr. Im Warenaustausch mit den Türken erzielten sie einen Außenhandelsüberschuss von 99 Mio. Euro – die Importe erhöhten sich nur geringfügig um 4,5 Prozent auf 554 Mio. Euro. Fast die Hälfte der türkischen Exporte (46 Prozent) gehen nach Europa – in erster Linie nach Deutschland, Frankreich und England. Hauptlieferant ist Russland – die Türkei muss viel Energie importieren -, gefolgt von Deutschland, China und den USA.

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