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Türkei: Autorin wegen Beleidigung vor Gericht

In der Türkei hat am Donnerstag erneut ein Prozess gegen eine Schriftstellerin Ipek Calislar wegen Beleidigung des Türkentums begonnen. Ihr drohen vier Jahre Haft. Die Verhandlung wurde vertagt.

Ipek Calislar wird vorgeworfen, in ihrer Biografie der Ehefrau von Mustafa Kemal Atatürk den Staatsgründer in seiner Ehre gekränkt zu haben. Ihr drohen bei einer Verurteilung bis zu vier Jahre Haft. Mitangeklagt wurde ein Redakteur der Zeitung „Hürriyet“, Necdet Tatlican, der Auszüge aus dem Buch „Latife Hanim“ veröffentlicht hatte.

Calislar und Tatlican erschienen am Donnerstag nicht zur ersten Anhörung vor Gericht. Der Prozess wurde daraufhin auf den 19. Dezember verschoben. Das Gericht wies die Polizei an, Tatlican zum Gericht zu bringen und forderte Calislar auf, zu dem Prozess zu erscheinen, wie die Nachrichtenagentur Dogan berichtete. Auslöser der Anklage gegen Calislar war ein Abschnitt aus „Latife Hanim“, in dem die Autorin die Flucht Atatürks aus dem Präsidentenpalast beschreibt. Darin heißt es, der Staatsgründer habe ein Attentat befürchtet und sich daher mit einem Tschador, einem Ganzkörperschleier, als Frau verkleidet.

Die Zeitung „Hürriyet“ druckte den Auszug, der einen Leser zu seiner Klage veranlasste. Atatürk sei ein unglaublich mutiger Mann gewesen und hätte so etwas nie getan, schrieb Hüseyin Tugrul Pekin an die Staatsanwaltschaft, die daraufhin Anklage erhob. Atatürk war mit Latife etwa zwei Jahre verheiratet, bevor er sich 1925 von ihr scheiden ließ. Calislar hat erklärt, die umstrittene Passage sei durch Aussagen der Schwester von Latife belegt. Der Attentatsversuch sei eine historische Tatsache. „Historiker können das Thema diskutieren, aber ich glaube nicht, dass es Sache von Anwälten sein sollte“, erklärte die Autorin.

Das Verfahren begann am letzten Tag des Türkeibesuchs von EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn, der die Regierung wiederholt aufgefordert hat, den umstrittenen Artikel 301 des Strafgesetzesbuches zu reformieren. Die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat erklärt, sie werde das umstrittene Gesetz nicht ändern. In solchen Fällen würden die Anschuldigungen meist fallen gelassen oder der Angeklagte freigesprochen, hieß es zur Begründung. Kritiker führten dagegen an, allein die Möglichkeit einer Strafverfolgung schränke die Meinungsfreiheit ein. Vor Calislar wurde unter anderem bereits gegen den prominenten Autor Orhan Pamuk und die Schriftstellerin Elif Shafak ermittelt, die Vorwürfe wurden jedoch fallen gelassen.

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