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Träumen von einer Welt ohne Ausländer

HAK Lustenau: Dajana Micic
HAK Lustenau: Dajana Micic ©Edith Rhomberg
Schüler der HAK Lustenau hinterfragen Vorurteile und Klischees im Dialog mit prominenten Referenten.
HAK Lustenau Beteiligungsprojekt

 

Lustenau. Die Schüler der Klassen 2a und 2b der Handelsakademie mit ihren Lehrern Natalie Jäger und Rainer Kempf nahmen die Projektwoche zum Anlass, sich im Rahmen des Beteiligungsprojekts erneut mit Fragen der Migration zu befassen. Prof. Manfred Hagen, Jugendrotkreuz Referent an der HAK Lustenau, brachte als Generalthema analog zur JRK Jugendcharta: „Ich träume von einer Welt ohne Ausländer. In meiner Welt gibt es keine Ausländer. Weil wir alle in derselben Welt leben. Weil jeder gleich viel wert ist und die gleiche Chance verdient.“

Als Referenten lud Hagen die Landtagsabgeordnete Vahide Aydin, Michaela Wolf, Gruppenleiterin Zusammen.leben Gemeinde Lustenau und Oliver Heinzle vom Historischen Archiv Lustenau, in den Sitzungssaal der Raiffeisenbank ein. Außerdem sprach Gerardo Rojas, der aus Mexico City stammt, über seine Erfahrung.

Von Mexico City nach Lustenau

Obwohl Gerardo Rojas, geb. 1952 in Mexico City, nie gedacht hätte, dass er seine Heimat je verlassen würde, lebt er seit 28 Jahren mit seiner Frau und drei Kindern in Lustenau. Seine Frau Gabriele, gebürtige Lustenauerin, lernte er in Mexico City kennen, wo sie gemeinsam sieben Jahre verbrachten. „Den Impuls, nach Vorarlberg zu übersiedeln, hat ursprünglich mein Schwiegervater gegeben. Die Sprache ist eine große Hürde“, erinnert sich Rojas „und der Dialekt ist der zweite Stolperstein“, ergänzt er. Probleme, hier gut aufgenommen zu werden, habe es nie gegeben. „Um aber nicht nur passives Mitglied der Gesellschaft zu sein, muss man etwas tun“, sagt Rojas. Bereits seit zehn Jahren engagiert er sich unter anderem im Verein Tierra Madura, der für Lateinamerikanische Kultur in Vorarlberg steht.

Migration in der Geschichte Lustenaus

Oliver Heinzle sprach über seine Recherchen zur Migration in der Geschichte Lustenaus. Bereits 2011 gab es dazu vom Historischen Archiv eine Ausstellung in der Galerie Stephanie Hollenstein. Heinzle ging zunächst weit zurück in die Geschichte und beleuchtete Beweggründe, warum Menschen aus Lustenau ihre Heimat verließen oder, umgekehrt, andere nach Lustenau zuzogen.

Er nannte auch das Beispiel von Lustenauern, die im 19. Jahrhundert nach Amerika emigrierten. In New Jersey gab es ein Stickerei Zentrum, wo die Menschen Arbeit fanden. Dort blieben die Migranten unter sich, man musste nicht Englisch lernen.  Sie hatten eigene Geschäfte und im Fußball gab es sogar eine eigene Zuwanderer Liga. Die Mehrheitsgesellschaft grenzte ab.

Umgekehrt gab es hier Mangel an Handwerkern. Viele Leute kamen von Süddeutschland nach Lustenau. Sie waren auf Wanderschaft als Sattler oder Schreiner. Bauarbeiter kamen aus Italien. Sie bauten Häuser aus Stein, während es davor vorwiegend Häuser aus Holz gab. „Die Rheinbegradigung machten Arbeiter aus dem Trentino“, führte Heinzle weiter aus. Ernsthafte Konflikte gab es schon mit dem Zuzug von Kärntnern und Steirern ab den 1950er Jahren. „Es ist 20 Jahre gegangen, bis ich mich wohl gefühlt habe hier“, zitiert Heinzle einen Betroffenen.

Die letzte Welle von Zuwanderern kam aus dem ehemaligen Jugoslawien und aus der Türkei. Vor 50 Jahren machte Österreich Werbung in der Türkei, um Arbeitskräfte zu akquirieren. Über diese Aktion ist offiziell nur ein kleiner Prozentsatz gekommen, viele kamen infolge der durch Eigendynamik entstandenen Kettenmigration.

In Lustenau Zusammen.leben

Über das Bestreben der Gemeinde, wonach alle Einwohner in Lustenau gut leben können sollen, sprach Michaela Wolf. „Das oberste Leitziel ist die Bildung:  Alle Menschen sollen die gleiche Chance bekommen, es darf niemand auf der Strecke bleiben“, spricht Wolf das Leitpapier an, dessen Grundsätze während der letzten sieben Jahren ausgearbeitet wurden. Zusammen.leben heißt die Devise. Der zuständige Politiker ist Bürgermeister Kurt Fischer, der das Thema zur Chefsache macht. Andererseits gibt Wolf zu bedenken, dass die Gemeinde nicht überall einwirken kann und soll. Es zähle vielmehr auch die Eigenverantwortung der Menschen. Weit mehr gibt es von ihrer Seite zu berichten. Dazu ein wichtiger Termin: Das Leitpapier wird am 15. Juli um 19 Uhr im Feldhotel in Virgls Hoschtat präsentiert.

Nichts außer Ja und Guten Morgen

Mit neun Jahren ohne Deutschkenntnisse nach Schwarzach geholt wurde Vahide Aydin von ihren Eltern, ihr Vater war durch die Anwerbung nach Vorarlberg gekommen. „Es war höllisch, sprachlich ohnmächtig zu sein, ich konnte mich nicht artikulieren“, berichtet sie über ihre großen Schwierigkeiten am Anfang. Gefördert von ihrer Lehrerin lernte sie schnell, was ihr aber später den Ruf der Streberin einbrachte. „Diese positive Art der Diskriminierung brachte mich weiter“, erinnert sich Aydin. Später hat sie Verwandte zu Behördengängen begleitet und sie sei immer ein politischer Mensch gewesen. Nach Absolvierung der Sozialakademie arbeitete sie in der Ausländerberatung. „Durch das Parteiprogramm der Grünen Dornbirn bin ich zu den Grünen gekommen. 2009 wurde ich in den Landtag gewählt mit über 3000 Vorzugsstimmen“, sagt sie nicht ohne Stolz. Mit der Mehrheitsgesellschaft habe sie nie Probleme gehabt. Ihre Devise: „Man muss sich trauen, Fragen zu stellen. Außerdem sind die Kommunikation und gegenseitige Wertschätzung das Um und Auf“.

Für Organisator Manfred Hagen war es nicht einfach, die Inputs der Referenten sowie die Wortmeldungen und Fragen der Schüler im Rahmen des Vormittags unterzubringen. Das beweist nicht zuletzt das große Interesse am alten aber immer aktuellen Thema Zuwanderung. Auch für Hausherrn Bernd Schneider war es eine tolle Veranstaltung mit fesselnden Themen. Er wünschte seitens der Raiffeisenbank allen einen schönen Sommer.

 

Wortmeldungen von Schülern:

 Johanna Blaser:
„Wenn man hier auf die Welt kommt, ist man Österreicher. Wann hört es auf, dass man zurückschaut auf die Herkunft, wie viele Generationen dauert das?

Dajana Micic:
„Meine Muttersprache ist Serbisch, die Religionszugehörigkeit griechisch orthodox. Ich bin früh in die Spielgruppe gekommen und habe Deutsch spielerisch gelernt. Meine Familie kann ich als weltoffen bezeichnen, auch die HAK Lustenau ist offen für alle“.

Dominik Gfall:
„In der Schule funktioniert es, aber ich glaube nicht, dass es EU-weit umsetzbar ist, das Thema Ausländer in den Griff zu bekommen. Trotzdem soll man es nicht unversucht lassen“.

Franziska Scheffknecht:
„Ich denke, dass rassistische Ansätze hauptsächlich unter älteren Menschen vorhanden sind. Für uns Junge ist die neue Gesellschaft ganz normal. Das ist gut so und man sieht schon in der Schule, dass es funktioniert“.

Natalie Grabher:
„Ich denke, dass die Wurzeln eines Menschen Teil von ihm bleiben und das soll auch so sein. Heimat hingegen ist dort, wo du bist. Dass das Miteinander unterschiedlicher Kulturen funktioniert, kenne ich seit der Volksschule“.

Cheyenne Scherer:
„Man muss Menschen aus anderen Kulturen kennenlernen, um Vorurteile abzubauen“.

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