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Testamentsfälscher-Prozess: Vorwürfe "vollkommen irrsinnig"

Am dritten Tag im Prozess um Testamentsfälschungen beim Bezirksgericht Dornbirn ist heute, Mittwoch, am Landesgericht Salzburg die Rolle des nicht geständigen pensionierten Rechtspflegers Walter M. beleuchtet worden.
Tag 3: Angeklagte im Gerichtssaal
Testamentsfälscherprozess - Tag 3
Ausblick dritter Prozesstag
Jürgen H. im Kreuzverhör
Nachlese: Der zweite Prozesstag
Nachlese: Der erste Prozesstag
Jürgen H. bekennt sich schuldig
Alkoholgelage in der Kantine
Der Justizskandal im Zeitraffer
Sterbende gezielt ausgesucht

Es handelt sich dabei um jenen 72-jährigen Vorarlberger, der laut dem geständigen Jürgen H. (47) “einer der Väter des Testamentsfälscher-Systems” gewesen sein soll. Walter M. wies alle Vorwürfe zurück. Dass er die Sache gelenkt hätte, bezeichnete er als “vollkommen irrsinnig, da kann man nur perplex sein”.

Winkeln ist geduldet worden

 Walter M. trat 1960 in den Gerichtsdienst ein, er arbeitete bis zu seiner Pensionierung rund 30 Jahre als Grundbuchs-Rechtspfleger. M. kannte viele Leute, wie er schilderte, er war zehn Jahre lang Ortsobmann einer Partei in Dornbirn und u.a. auch Aufsichtsrat einer Bank. Der Vorarlberger wurde vor Jahren wegen “Winkelschreiberei” – der Begriff steht für die illegale Durchführung von Rechtsgeschäften – disziplinarrechtlich und auch gerichtlich zu einer Geldstrafe verurteilt. Zu seiner Anfangszeit sei winkeln “generell von oben bis unten geduldet” worden, erklärte M. heute dem vorsitzenden Richter Andreas Posch.

Er habe in einem Zeitraum von “vielleicht 15 bis 20 Jahren” gewinkelt, das sei wie Schwarzarbeit, strengte der 72-Jährige einen Vergleich an. Gewinkelt habe eigentlich jeder, Rechtspfleger, aber auch Richter. Er habe von dem Winkel-Verbot gewusst, nach seiner Verurteilung habe er dann die restlichen 20 Jahre bis zu seiner Pensionierung nicht mehr gewinkelt. Als “Motiv” nannte er das damals geringe Gehalt bei Gericht, man habe nicht einmal eine Familie ernähren können. Die (illegale) Vorbereitung eines Kaufvertrages für zwei, drei Anwaltskanzleien sei das bessere Geschäft gewesen, für einen Vertrag habe man 300 bis 500 Schilling verlangen können. Es habe einzelne Monate gegeben, wo er damit besser verdient hätte als bei Gericht. Die Leistungen seien auch mit Naturalien wie z. B. Schnaps beglichen worden. Eine Großwildjagd in Afrika habe er sich aber selbst bezahlt, betonte der Angeklagte.

Angeklagter bestreitet Vorwürfe

Die mitangeklagten Rechtspfleger Clemens M. (52) und Kurt T. (48) hätten nicht gewinkelt, meinte der Pensionist. Ob er auch Testamente für Erblasser gemacht habe, wollte der Feldkirchner Staatsanwalt Manfred Bolter wissen. “Nein, außer einem Nachtrag”, antwortete er. Das sei auf Wunsch eines Kollegens erfolgt. Die Vorwürfe in der Testamentsaffäre bestritt der Pensionist. Über Manipulationen sei in der Kantine des Bezirksgerichts Dornbirn auch nie geredet worden. Jürgen H. sei dort auch nie mit ihm an einem Tisch gesessen, erklärte der 72-Jährige.

Der Staatsanwalt befragte Walter M. auch zu Leerstellen im Urkundenverzeichnis und zeigte auf eine Nummer, die eine gefälschte Verlassenschaft zeigte. Das sei ja kein Einzelfall gewesen, mehr als 20 Nummern seien betroffen, sagte Bolter. Die Manipulation stamme nicht von ihm, er habe nie eine Zeile leer gelassen und solche Leerstellen auch nicht bemerkt, sagte M.. Bolter hatte zuvor dargelegt, dass im Register von 1960 an über 600 Fehler gefunden wurden.

Blankounterschriften bestritten

In der Anklage taucht auch der Vorwurf auf, dass für die gefälschten Testamente Blankounterschriften angefertigt worden seien. “Das stimmt nicht. Blankounterschriften hat es nie gegeben”, erklärte der 72-Jährige. “Jürgen H. hat unschuldige Personen belastet, noch und nöcher, das ist mir ein Rätsel. Es war auch unmöglich, ins Register hineinzukommen.” Sein persönliches Verhältnis zu Jürgen H. beschrieb er als “neutral wie zu jedem anderen. Jürgen H. ist erst dann ins Grundbuch gekommen, als ich schon weg war.”

Den Freund von Jürgen H., den geständigen Angeklagten Peter H., habe er gar nicht gekannt, so der Pensionist. Der im Jahr 2008 verstorbene Vorarlberger Rechtsanwalt, der von der Staatsanwaltschaft als Mittäter verdächtigt wurde, sei sein Patenkind gewesen. “Ich war kaum mit ihm zusammen, ich war nie mit ihm in der Kantine.” Die Kantine geriet deshalb in den Fokus der Befragung, weil dort den Aussagen von Jürgen H. zufolge auch Rohfassungen von gefälschten Testamenten vorbereitet worden seien.

Angehöriger: “Es war eine Sauerei”

Nach Walter M. sind auch die Angehörigen von Jürgen H. über ihren Werdegang und über das “Testamentsfälschungs-System” im Allgemeinen befragt worden. Der 49-jährige Angehörige des Hauptbeschuldigten, ein ehemaliger Bankangestellter, sagte, die Vorwürfe gegen ihn seien richtig. Der Angeklagte ist allerdings von einer Einzeltäterschaft des Jürgen H. ausgegangen: “Ich habe von anderen Beteiligten nichts gewusst.”Dem 49-Jährigen wird vorgeworfen, dass er in einem Fall seine – ebenfalls angeklagte – Schwägerin als Schein-Nacherbin bestimmt habe und bei einer anderen Testamentsfälschung einen “tauglichen” Erben genannt habe – alles im Einvernehmen mit Jürgen H. “Es ist nicht richtig, was ich da gemacht habe”, gestand er ein. Den mitangeklagten Freund von Jürgen H., Peter H., habe er zwar gekannt, von den Machenschaften zwischen den beiden habe er aber erst in der Vernehmung erfahren, erklärte der Angehörige.   

Der jüngere Angehörige von Jürgen H. zeigte sich ebenfalls geständig. “Es war schon eine Sauerei, was ich getan habe.” Der 40-Jährige schilderte, wie er als Altenpfleger in einem Seniorenheim schwer kranke, vermögende und meist demente Pensionisten zwecks “Umleitung von Testamenten” ausgekundschaftet hatte. Jürgen H. habe ihm angeboten, da mitzumachen. Er habe sich in mehreren Fällen Reisepässe und Personalausweise der Auserwählten unter den Nagel gerissen. “Es war schon eine gewisse Angst, ein Druck da, erwischt zu werden”, so der Angeklagte. Als Motiv nannte er “den Reiz, es auszuprobieren, aber eher Geldgier”. Mit den Daten der Ausweise wurden Testamente manipuliert, der ausgeforschte Pensionist wurde als Haupterbe und “Zwischenstation” eingesetzt, damit der Schwindel nicht zu offensichtlich war. Diese Person “vererbte” dann in der Fälschung das Vermögen an einen Freund oder Angehörigen des Hauptbeschuldigten.

“Dazu kann ich nichts sagen”

Auf die Frage von Ersatzrichterin Bettina Maxones-Kurkowski, ob Jürgen H. bei den Unterredungen zum Thema Testamentsfälschungen auch die Namen der mitangeklagten Gerichtsbediensteten Kurt T., Clemens M., und Walter M. erwähnt habe, antwortete der 40-Jährige nach längerem Überlegen: “Dazu kann ich nichts sagen.” Sicher dabei gewesen seien er und Jürgen H. In seiner bisherigen Einvernahme vor Gericht hat Jürgen H. den mitangeklagten Kollegen auch noch keinen konkreten Vorwurf gemacht.

Im “Testamentsfälscher”-Prozess sind insgesamt zehn Personen angeklagt, darunter fünf Justizbedienstete. Sie sollen von 2001 bis 2008 in 18 Verlassenschaftsverfahren 16 Testamente und zwei Schenkungsverträge manipuliert oder dazu beigetragen haben, sich und Angehörige zu bereichern. Der inkriminierte Gesamtschaden beträgt zehn Millionen Euro, 158 Geschädigte sind bekannt. Die Vorwürfe lauten auf Amtsmissbrauch, gewerbsmäßig schweren Betrug unter Ausnützung einer Amtsstellung und Fälschung besonders geschützter Urkunden unter Ausnützung einer Amtsstellung. Im Falle eines Schuldspruchs drohen bis zu 15 Jahre Haft.

Eine Angehörige fühlte sich belogen

Zwei weitere Angehörige des Hauptbeschuldigten, zwei Frauen, sind offenbar über die Fälschungen, die sie betrafen, im Unklaren gelassen worden. “Ich war in der Annahme, dass mein Vater erben würde”, sagte eine 47-jährige nahe Verwandte von Jürgen H. Eine Schwägerin eines 49-jährigen Angehörigen von Jürgen H. erklärte wiederum, sie sei angelogen worden. Beiden Frauen wurden in jeweils einem manipulierten Verlassenschaftsfall als Schein-Erbinnen eingesetzt. Sie bekannten sich schuldig.Sie habe einmal von Jürgen H. wissen wollen, warum es ihm psychisch schlecht gehe. “Er hat mich im Glauben gelassen, es war wegen der Schwarzarbeit. Er sagte, er habe das Gefühl, dass man deswegen recherchiere”, erzählte die nahe Verwandte. Der im Jahr 2008 verstorbene Rechtsanwalt habe in ihrem Fall das Testament abgewickelt, sie habe sich als Erbin eintragen lassen. Verdacht geschöpft, dass das nicht die einzige Fälschung sei, habe sie nicht. “Ich habe auch nicht gehört, dass auch andere Personen daran beteiligt sind.”

Die Schwägerin des 49-jährigen Angehörigen von Jürgen H. verbarg ihre Enttäuschung nicht: Hineingeschlittert in die Causa sei sie durch ihre Gutgläubigkeit, so die Angestellte. “Ich bin belogen worden.” Sie sei ein Mensch, der zu wenig denke, “oder zu viel mit dem Herzen”. Vor Auffliegen des Skandals habe sie nichts über mögliche andere Beteiligte gewusst.

Sterbende gezielt ausgesucht

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Ausblick auf den dritten Prozesstag:                 

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