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Testaments-Affäre wird zur Schlammschlacht

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Feldkirch - Paukenschlag in der Betrugsaffäre um gefälschte Testamente am Bezirksgericht Dornbirn: der inhaftierte Hauptverdächtige Jürgen H. erhebt schwere Vorwürfe gegen die Vize-Präsidentin des Landesgerichts Feldkirch, Kornelia Ratz.
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Aus der Gefängniszelle heraus beschuldigt er die leitende Richterin, sie solle Gerichtsbedienstete damit beauftragt haben, Testamente zu Gunsten ihrer Verwandten zu manipulieren. Angehörige der Richterin sollen eine Million Euro geerbt haben. Ratz selbst weist im Gespräch mit den VN die Vorwürfe auf das Schärfste zurück, spricht von einer “hinterhältigen Verleumdungskampagne”. Sie selbst habe Fälle von Testamentsfälschungen angezeigt, die Vorwürfe seien eine “Retourkutsche”.

Im Herbst 2009 angezeigt

Nach den VN vorliegenden Informationen hat Ratz zwei Schreiben an die Staatsanwaltschaft Feldkirch gerichtet, zunächst im November 2009 – und ein ergänzendes Schreiben mit weiteren Details wenig später. Die Auflistung der Vorgänge – Details im Artikel “Willis gefälschter Wille” auf der gegenüberliegenden Seite – zeigen die Verwicklung der Gerichtsvizepräsidentin in die Testamentsaffäre: Der Hauptverdächtige Jürgen H. selbst habe sich über einen Strohmann nach einem Todesfall in ihrer Verwandtschaft illegal in ein Testament eingeschleust, wie auch Kornelia Ratz selbst den VN schildert.

Kritik an Staatsanwaltschaft

Seit der Anzeige habe weder Gericht noch Staatsanwaltschaft oder Polizei die leitende Richterin auch nur angehört, kritisiert Ratz-Anwalt Bertram Grass das Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Der leitende Staatsanwalt Franz Pflanzner sagte gestern Abend, die Vorwürfe gegen Ratz seien erst kürzlich aufgetaucht. Er habe Kornelia Ratz persönlich bereits einen Tag nach Einleitung des Verfahrens letzten Donnerstag informiert.

Innsbruck wartet ab

Der Präsident des Oberlandesgerichtes Innsbruck (OLG), Walter Pilgermair, weiß laut eigenem Bekunden ebenfalls seit Freitag, dass “es einen Verdacht gegen die Frau Vizepräsidentin des Landesgerichts im Zusammenhang mit Testamentsverfälschungen gibt”. Weil aber erst ein Bruchteil der notwendigen Informationen vorlägen, habe er die Staatsanwaltschaft Feldkirch ersucht, ihm weitere Akten zukommen zu lassen. “Das wurde mir für Montag zugesagt”, schildert Pilgermaier. Erst dann könne er beurteilen, ob dienstrechtliche Schritte erforderlich seien. “Sobald ich die Akten habe, werde ich sie so rasch wie möglich prüfen. Es gilt die Unschuldsvermutung.” Die Untersuchungen in der Testaments-Affäre werden weiterhin von der Staatsanwaltschaft Feldkirch geleitet, nur die dienstrechtlichen Aspekte um Kornelia Ratz wurden an die Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck abgetreten. Die Ermittlungsarbeit in Sachen Testamentsfälschungen bestreitet weiterhin die in der Bregenzer Kriminalpolizei eingerichtete Sonderkommission (SOKO), der unter anderem Staatsanwalt Manfred Bolter und Kripo-Mann Helmut Napetschnig angehören. In Gerichtskreisen immer lauter werdende Kritik, die Staatsanwaltschaft Feldkirch sei befangen und müsse die gesamten Ermittlungen abgeben, will Pilgermair nur so kommentieren: “Dazu kann ich keine Äußerung machen: Ich fälle kein Werturteil über die Staatsanwaltschaft.”

Vertrauensverlust

Vor allem der auf der Hand liegende Vertrauensverlust in die Justiz trifft OLG-Präsident Pilgermair: “Die ganze Geschichte trifft die Justiz ins Mark. Und das tut uns sehr, sehr weh. Auch die Mitarbeiter des Bezirksgerichtes Dornbirn, die hervorragende Arbeit leisten, bedauern das. Um der Bevölkerung zu zeigen, dass wir mit so etwas nicht im Geringsten leben wollen, werden wir alles lückenlos aufklären – ohne Ansehen von Personen.”

“Werden kleingespart”

Diskussionen über die Wirksamkeit des bisherigen Kontrollsystems – im konkreten Fall bei Testamentsangelegenheiten – wird sich die Justiz stellen müssen. OLG-Präsident Pilgermair sagt: “Wenn gefinkelte Fälschungen vorliegen, dann ist es schwer. Und außerdem werden wir im Bereich der Justiz kleingespart. Große Kontrollgruppen sind da unmöglich.” Diese offiziellen Schilderungen bestätigen auf VN-Anfrage Bezirksrichter, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen wollen: “In der nötigen Tiefe kann die interne Revision niemals nachprüfen, vor allem wenn mehrere Begünstigte in den Testamenten hintereinandergeschaltet sind.” Und “Späße wie graphologische Gutachten” zur Überprüfung von Unterschriften könnten nur “in Ausnahmefällen, bei denen es dringenste Anzeichen gibt”, überhaupt durchgeführt werden, bestätigt ein Richter.

Fünf Festnahmen, vier in Haft

Mit der jüngsten Verhaftung des pensionierten Gerichtsbediensteten Walter M. am Freitag sind in der Causa bisher fünf Verdächtige festgenommen worden, davon sitzen Jürgen H., Clemens M., Peter H. und eben Walter M. weiter in Untersuchungshaft. Ein Beschuldigter wurde vor einigen Wochen entlassen. Fünf Personen sind auf freiem Fuß. Sie sollen gemeinsam am Bezirksgericht Dornbirn Testamente manipuliert haben, um sich zu bereichern. Der Schaden könnte in die Millionen gehen.

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