Im Fall von fünf von sechs Angeklagten, über die der OGH zu befinden hatte – darunter der mutmaßliche Haupttäter Jürgen H. und die suspendierte Vizepräsidentin des Landesgerichts Feldkirch, Kornelia Ratz -, wurden die Schuldsprüche teilweise, bei Ratz zur Gänze aufgehoben und zurück an die erste Instanz verwiesen.
Nur Amtsmissbrauch muss geprüft werden
Von der Aufhebung der Schuldsprüche waren ausschließlich einzelne Anklagepunkte zum inkriminierten Amtsmissbrauch betroffen, wie der Senatsvorsitzende Kurt Kirchbacher betonte: “Alle Schuldsprüche, die Betrugs- oder Urkundendelikte betreffen, sind rechtskräftig.”
Anwalt von Richterin Ratz erfreut
Erleichtert über das Urteil zeigte sich der Anwalt von Kornelia Ratz, Bertram Grass. Grass hatte ja bereits im Vorfeld das Urteil des Salzburger Landesgerichts massiv kritisiert. Für den Rechtsanwalt, war die Urteilsbegründung kein Beweis, für eine Beteiligung seiner Mandantin. Ein angebliches Telefonat zwischen dem Hauptangeklagten Jürgen H. und der Richterin sei nicht eindeutig beweisbar gewesen.
Selbst wenn das Gespräch wie zu Protokoll gegeben stattgefunden habe, ließe der Wortlaut keinen Schuldspruch wegen Amtsmissbrauch zu, so Grass. Dieser Auffassung war nun auch der OGH. Kornelia Ratz war zum Verhandlungstag selbst in Wien anwesend, der Urteilsverkündung blieb sie allerdings fern.
Ratz dürfte suspendiert bleiben
Der stellvertretende Leiter der Medienstelle des OGH, Dr. Christoph Brenn, wollte auf Anfragen von VOL.AT keine Schätzung abgeben, bis wann mit der Wiederaufnahme in Salzburg zu rechnen ist und wie lange das Verfahren dauern dürfte. “Dies wäre höchst unseriös”, so Brenn.
Es sei nicht davon auszugehen, dass die Suspendierung von Kornelia Ratz nun aufgehoben wird. Diese Entscheidung liegt zwar beim Disziplinargericht, welches die Suspendierung ausgesprochen hat, aber dieses wird “ohne rechtskräftiges Urteil” wohl kaum anders entscheiden, so Brenn abschließend.
Wilfried Siegele, Leiter der Staatsanwaltschaft in Feldkirch, erreichte das OGH-Urteil während einer Besprechung. Er wollte daher auf Anfrage keine Stellung nehmen, da er das Urteil noch nicht selbst gelesen habe
Nachweise nicht hieb- und stichfest
Auch bei allen anderen Angeklagten htten sich laut OGH im schriftlichen Urteil Feststellungsmängel zum ihnen – entweder als unmittelbare oder als Bestimmungs- bzw. Beitragstäter – unterstellten amtsmissbräuchlichen Verhalten gefunden.
So habe sich das Erstgericht in diesem Komplex bei einzelnen Fakten zu wenig mit der inneren Tatseite und der Frage auseinandergesetzt, inwieweit diese auf einen vorsätzlichen Befugnismissbrauch gerichtet war, erklärte Kirchbacher. In anderen Punkten wiederum müsse im zweiten Rechtsgang geklärt werden, ob es überhaupt zu einem konkreten Befugnismissbrauch gekommen war.
Insgesamt vermisste der fünfköpfige Richter-Senat die für eine Verurteilung wegen Missbrauchs der Amtsgewalt erforderlichen “konkreten, tragfähigen, ausreichenden Feststellungen”, betonte der Vorsitzende.
“Zweite Chance”
Dem Landesgericht Salzburg – die Verhandlung hat ein anderer Richter mit anderen Schöffen als beim ersten Durchgang zu leiten – wurde daher aufgetragen, “Tatsachengrundlagen” zu schaffen, um in den unklaren Anklagepunkten endgültig beurteilen zu können, ob und wer von den Justiz-Bediensteten sich eines wissentlichen Befugnismissbrauchs schuldig gemacht bzw. dazu angestiftet oder im Sinn einer Beteiligungs-Täterschaft mitgewirkt hatte.
Einzig bei Clemens M. – der ehemalige Rechtspfleger in Außerstreitsachen am Bezirksgericht Dornbirn war in die betrügerischen Machenschaften zulasten rechtmäßiger Erb-Berechtigter verwickelt – waren nach Ansicht des OGH keine ergänzenden erstinstanzlichen Feststellungen nötig: Der 53-Jährige fasste endgültig drei Jahre Haft aus, davon zwölf Monate unbedingt.
Hunderte gefälschte Testamente
Das Landesgericht Salzburg hatte im Sommer 2012 nach einem umfangreichen Verfahren insgesamt zehn Personen verurteilt. Der OGH musste nun im Fall von sechs Verurteilten die Rechtsmittel prüfen, die entweder diese selbst oder die Staatsanwaltschaft eingebracht hatten.
Dabei hatte der Hauptangeklagte Jürgen H. (49), der mit einem unfangreichen Geständnis wesentlich zur Aufklärung der strafbaren Handlungen beigetragen hatte, die über ihn verhängte siebenjährige Freiheitsstrafe bereits akzeptiert. Doch der Anklagebehörde war seine Strafe nicht hart genug, sie forderte aus generalpräventiven Gründen eine Anhebung des Strafausmaßes.
Ratz sieht sich selbst als Opfer
Anders lag die Sache bei der suspendierten Vizepräsidentin des Landesgerichts Feldkirch, Kornelia Ratz (49), die das Höchstgericht mit Nachdruck um einen Freispruch ersuchte. Sie soll dafür gesorgt haben, dass mittels eines gefälschten Testaments in einer Verlassenschaft nach einem entfernten Verwandten ihre Mutter und ihre Tante als Erben zum Zug kamen, was sie vehement abstreitet. “Ich bin ein Opfer von Spekulationen geworden”, erklärte die in erster Instanz zu zweieinhalb Jahren teilbedingter Haft verurteilte Richtern, “bitte machen Sie nicht die Tür für Willkür auf!”
Ihre Schuldsprüche bekämpften auch die ehemaligen Gerichtskollegen des mutmaßlichen Haupttäters, Clemens M. (53) und Kurt T. ( 50), die vom Erstgericht je drei Jahre teilbedingt ausgefasst hatten. Sie sollen gemeinsam mit Jürgen H., von dem sie sich zu Unrecht belastet fühlen, zwischen 2001 und 2008 in Verlassenschaftsverfahren, in denen keine engen Verwandten der Erblasser bekannt waren, gefälschte Testamente fabriziert und damit die rechtmäßigen Erben um ihre Ansprüche gebracht haben.
Wohnungen mit erschwindeltem Geld finanziert
In den getürkten Dokumenten wurden ihnen nahe stehende bzw. hochbetagte oder besachwalterte Personen als Erben eingesetzt, die oftmals Peter H. (49) – ein enger Freund von Jürgen H. – auftrieb. Unter anderem nominierte Peter H. gern seinen Onkel als “Scheinerben”, wobei die falschen Testamente im Urkundenarchiv des BG Dornbirn hinterlegt wurden und im weiteren Verlauf dem ahnungslosen Notar zugespielt wurden, der dann die Verlassenschaften abwickelte. Über die nichts ahnenden “Strohmänner” soll das Vermögen am Ende bei den Justizbediensteten gelandet sein, die damit beispielsweise Wohnungen im hochpreisigen siebenten Wiener Gemeindebezirk finanzierten.
Nur die Spitze des Eisbergs?
Peter H. hatte vom Erstgericht fünf Jahre Haft kassiert. Zwei Jahre bedingt hatte Walter M. erhalten. Der 73-jährige, im Tatzeitraum bereits pensionierte Rechtspfleger soll “Ideengeber” des Justiz-Skandals gewesen sein, dessen Ausmaß sich unter anderem an einer Reisetasche zeigte, die bei einer Hausdurchsuchung bei Jürgen H. sichergestellt worden war. Darin fanden sich nicht weniger als 785 Fälscher-Unterlagen. (red/APA)
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