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Terror-Prozess gegen Mittelsmann des Wiener Attentäters: Ein Jahr Haft

Der Terroranschlag am 2. November 2020 in Wien hat Österreich erschüttert. Ein mutmaßlicher Mittelsmann des Attentäters steht jetzt vor Gericht.
Der Terroranschlag am 2. November 2020 in Wien hat Österreich erschüttert. Ein mutmaßlicher Mittelsmann des Attentäters steht jetzt vor Gericht. ©APA/GEORG HOCHMUTH
Der Verbindungsmann des Attentäters von Wien, welcher am 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt vier Menschen erschossen hat, wurde vor Gericht zu einem Jahr Haft verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Ein Kontaktmann des Attentäters von Wien, der am 2. November 2020 in der Innenstadt vier Menschen erschossen und 23 weitere zum Teil schwer verletzt hat, ist am Montag am Landesgericht für Strafsachen wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation zu einem Jahr Haft, davon drei Monate unbedingt verurteilt worden. Der Schuldspruch erging zu einem einzigen Anklagepunkt, von sämtlichen anderen inkriminierten Fakten wurde der 26-Jährige freigesprochen.

Schuldspruch bezog sich auf ein Foto mit IS-Symbol

Der Schuldspruch bezog sich auf ein Foto, das der Angeklagte 2015 an 24 Personen, mit denen er in einer Chat-Gruppe war, weitergeleitet hatte. Es zeigte eine tschetschenische Flagge mit dem Symbol der radikalislamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS). Dafür erhielt der bisher Unbescholtene die vom Gesetz vorgegebene Mindeststrafe, von der ihm zudem der Großteil bedingt nachgesehen wurde. Der 26-Jährige hatte sich seit 3. November durchgehend in U-Haft befunden, mehrere Haftbeschwerden waren zurückgewiesen worden.

Verteidiger meldete Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde an

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Sinan Dikme (Kanzlei Rast Musliu) meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab. Da die U-Haft auf die Strafe angerechnet wurde, kam der 26-Jährige unmittelbar nach der Verhandlung auf freien Fuß.

Angeklagter bekannte sich "nicht schuldig"

Ein Kontaktmann des Attentäters von Wien, der am 2. November 2020 in der Innenstadt vier Menschen erschossen und 23 weitere zum Teil schwer verletzt hat, hat sich am Montag in einem Prozess wegen terroristischer Vereinigung am Landesgericht für Strafsachen "nicht schuldig" bekannt. Er sei "ein ganz normaler Moslem", mit Terror habe er nichts am Hut. Zum von der Polizei erschossenen Attentäter meinte er: "Ich hab' ihn nicht sehr gut gekannt. Er hat nicht sehr viel geredet." Am Montag wurde der 26-Jährige nicht rechtskräftig zu einem Jahr Haft verurteilt.

Bei Ermittlungen auf den Mittelsmann aufmerksam geworden

Die Staatsanwältin räumte in ihrem Eingangsstatement ein, dass es zwar keine Hinweise auf eine direkte Beteiligung des 26-jährigen Tschetschenen "an diesem feigen, hinterhältigen Anschlag" gebe. Im Zuge der Ermittlungen zum Attentat sei man aber auf den Tschetschenen "aufmerksam geworden", der 2008 nach Österreich gekommen war, die Schule und eine Lehre abgeschlossen hatte und zuletzt als Karosserie- und Bautechniker arbeitete.

26-Jähriger soll in Chat-Gruppen IS-Propaganda verbreitet haben

Der 26-Jährige war am 3. November festgenommen worden. Bei einer Hausdurchsuchung wurden Handys und Datenträger sichergestellt, die Auswertung habe ergeben, dass er in einschlägigen Chat-Gruppen Propagandamaterial der radikalislamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) geteilt hatte, "um andere für dieses Weltbild begeistern zu wollen", hielt die Anklägerin fest. Er habe sich weiters "an Zusammenkünften anderer Dschihadisten beteiligt" und dabei auch den späteren Attentäter getroffen.

Treffen mit radikalem Inhalt in Wohnung in St. Pölten

Der Anklage zufolge soll sich der 26-Jährige im Sommer 2019 einer salafistisch-dschihadistischen Gruppierung angeschlossen haben, deren regelmäßige Treffen in einer Wohnung in St. Pölten stattfanden. Donnerstags und samstags wurde Arabisch gelehrt, sonntags laut Anklage "einem kleineren, ausgewählten Personenkreis" religiöser Unterricht erteilt, wobei radikale Glaubensinhalte und der IS hochgehalten worden sein sollen. An zwei dieser Treffen - konkret am 27. September und am 25. Oktober - nahm neben dem Angeklagtem nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes auch der spätere Attentäter von Wien teil, wobei er dabei offen einen IS-Ring getragen und präsentiert haben soll. Der Angeklagte soll wiederum dem "inneren Kreis" dieser Gruppe angehört und einen von drei Schlüsseln zur Wohnung besessen haben, die eine Bibliothek mit radikalem Schriftgut enthielt.

Angeklagter lehne den IS ab

Für den Angeklagten und seinen Rechtsbeistand Sinan Dikme (Kanzlei Rast Musliu) waren die Vorwürfe nicht nachvollziehbar. Er sei zwar gläubig, bete fünf Mal am Tag, faste im Ramadan, lehne aber den IS ab: "Das sind Terroristen, ganz klar." Auf Vorhalt, dass er in Wien eine Moschee besucht hatte, in der eine radikale Auslegung seines Glaubens gepredigt wurde, erwiderte der 26-Jährige: "Die haben auf Arabisch oder Bosnisch gepredigt. Ich habe kein Wort verstanden."

Angeklagter nahm an Treffen teil um "den Koran besser zu verstehen"

In der Wohnung in St. Pölten sei er gewesen, um Arabisch zu lernen, "dass ich den Koran besser verstehen kann". Über den IS sei dort "nie gesprochen worden, wo ich dabei war". "In diese Wohnung sind ein Haufen Menschen gegangen", ergänzte Rechtsvertreter Dekme. Von dort gehaltenen Vorträgen gebe es Audio-Aufnahmen: "Die reden nicht vom IS." Eine Verbindung seines Mandanten zum Attentäter "besteht nicht".

Ermittler analysierten 81.810 Daten

Bezüglich der angeblichen Verbreitung von IS-Propagandamaterial bemerkte Dekma, von den Ermittlern wären 81.810 Daten analysiert worden, die sich auf beschlagnahmten Datenträgern des Tschetschenen fanden. Davon habe die Staatsanwaltschaft ganze fünf Bilder in ihre Anklage einbezogen, darunter etwa das Foto einer Massenerschießung von Moslems durch britische Soldaten aus dem Jahr 1914: "Ich hab' nicht verstanden, was da den IS verharmlosen soll."

(APA/Red)

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