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TEATA-Auftakt mit Gudarzis "Das Ende ist nah" bejubelt

Sara Ostertag feiert mit Romanadaption TEATA-Auftakt
Sara Ostertag feiert mit Romanadaption TEATA-Auftakt ©APA/Schauspielhaus Wien/Apollonia T. Bitzan
Bereits vor Erscheinen von Amir Gudarzis Romandebüt "Das Ende ist nah" im Jahr 2023 begann das Rennen um die Dramatisierungsrechte. Dabei hatte der österreichisch-iranische Autor damals schon viele Theaterstücke geschrieben, die auf den heimischen Bühnen jedoch kaum gespielt wurden. "Wie absurd ist das denn?", kommentierte der Autor damals. Nun hat Sara Ostertag das 400 Seiten starke, vielschichtige Werk mit ihrem neuen TEATA im Schauspielhaus Wien zur Uraufführung gebracht.

Bis das ehemalige Theater an der Gumpendorfer Straße (TAG) in Wien-Mariahilf fertig renoviert ist und als TEATA in neuem Glanz erstrahlt, setzt die Neo-Theaterleiterin auf Koproduktionen mit anderen Bühnen, und so machte das Schauspielhaus am Donnerstag den Anfang. Gespielt wird ganz nach Ostertags Anspruch, ein Theater zu etablieren, "das viele Elternsprachen spricht", auf Deutsch, Farsi, Englisch und Arabisch mit Übertiteln in Deutsch und Farsi.

Wenn der Boden keinen Halt bietet

Ostertags langjährige Bühnenbildnerin Nanna Neudeck hat ein eindrucksvolles Bühnenbild geschaffen, das neben Shabnam Chamani, Florentine Krafft, Kaspar Locher, Johnny Mhanna und Maximilian Thienen als sechster Mitspieler fungiert, Paul Plut erweitert den Text mit seinen eigenwilligen Kompositionen und Coverversionen bekannter Songs. Gleich zu Beginn des 110-minütigen Abends wird deutlich: Der Boden, auf dem der junge, aus dem Iran geflüchtete A. in Österreich wandelt und in der Deutschen Sarah eine Freundin findet, bietet keinen Halt. Neudeck hat Berge von grauem Granulat auf die Bühne geschüttet, durch das sich die Darsteller wühlen, das sie immer wieder verschluckt und wieder ausspuckt. Eine "Landschaft aus körnigem Asphalt, eine Wüste aus Treibsand", heißt es dazu im Programmheft.

Spielt Gudarzis Geschichte auf drei Ebenen, sind es hier mit Chamani, Locher, Thienen und Mhanna gleich vier Spielende, die A.s Text (und alle anderen Rollen bis auf Sarah) abwechselnd sprechen, wobei sich erzählte Passagen mit direkter Rede abwechseln. Und so folgt man A. auf seiner mehr als beschwerlichen Reise, in Österreich Fuß zu fassen, trifft auf boshafte Beamte des Asylwesens, gefährliche Mitbewohner in Traiskirchen, hilfreiche iranische Taxifahrer und durchtriebene Dolmetscher.

Entwürdigende Safari durch Asyl-Dschungel

Gerahmt wird diese entwürdigende Safari durch den Dschungel des österreichischen Asylwesens von Rückblicken auf die Gründe seiner Flucht (die aktive Teilnahme an Protesten gegen das Regime) und Szenen mit Sarah, die süchtig nach Videos der Proteste ist und in A. endlich ein lebendes "Objekt" findet, auf das sie ihr Interesse projizieren kann - und Dankbarkeit für ihre Hilfsbereitschaft schließlich letal mit Liebe verwechselt. Florentine Krafft gibt die immer mehr aus dem Tritt geratende junge Frau mit einer einnehmenden Mischung aus naivem Helfersyndrom und verzweifelter Suche nach Liebe.

Ostertag ist ein rasanter Abend gelungen, der stark auf choreografische Elemente setzt und die unvermeidliche Gegenbewegung des Haltsuchens und Haltverlierens von A. und Sarah konsequent bebildert. Romana Zöchling setzt in ihren Kostümen mit groß aufgeblasenen Ausschnitten von Körperteilen auf einen Zoom-Effekt. Jene Szene, in der die Darsteller in tragbare Stoffhäuser schlüpfen, bringt die Suche nach einem sicheren neuen Zuhause auf den Punkt. Das mit großem Körpereinsatz spielende Ensemble meistert die fordernde Aufgabe, scheinbar mühelos zwischen Sprachen und Figuren zu wechseln, bravourös.

Einzig die der Romanvorlage geschuldete Entscheidung, Handlung durch erzählende Passagen voranzutreiben, führt im Laufe des Abends bisweilen zu Ermattung. Doch daran sollte man sich besser gewöhnen: Alle der vier weiteren Koproduktionen der laufenden Saison, die das TEATA unter anderem ans Landestheater Linz oder ins Theater Nestroyhof Hamakom führen, basieren auf Romanen. Was Ostertag an Romanen reizt, ist der Umstand, dass sie "mehr noch als bei Theaterstücken oft schon eine Art von Welt" vorfindet, erklärte die Regisseurin einmal im APA-Interview. Gudarzis Art von Welt ist eine, die man definitiv auch lesend erkunden sollte. Das Publikum zeigte sich zum TEATA-Auftakt jedenfalls euphorisch und bedachte das Team mit tosendem Applaus.

(Von Sonja Harter/APA)

(S E R V I C E - "Das Ende ist nah" nach dem Roman von Amir Gudarzi in einer Fassung von Tobias Herzberg, Sara Ostertag und Amir Gudarzi. Regie: Sara Ostertag, Bühne: Nanna Neudeck, Kostüme: Romana Zöchling, Live-Musik: Paul Plut. Mit Shabnam Chamani, Florentine Krafft, Kaspar Locher, Johnny Mhanna und Maximilian Thienen. Koproduktion des Schauspielhauses Wien mit TEATA in der Gumpendorfer. Weitere Termine im Schauspielhaus: 15., 19., 20., 21., 22. (16 Uhr), 28. und 29. November sowie am 2., 3., 5. und 6. Dezember, jeweils um 20 Uhr. bzw. )

(APA)

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