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Taxi-Service Rettungsdienst?

Der Rettungsdienst soll im Notfall helfen, wird aber auch in Vorarlberg zunehmend durch Nicht-Notfälle überlastet.
Der Rettungsdienst soll im Notfall helfen, wird aber auch in Vorarlberg zunehmend durch Nicht-Notfälle überlastet. ©ÖRK
Immer häufiger rücken die Sanitäter im Ländle ohne Notfall aus. Das führt inzwischen zu Problemen.

Von Anja Förtsch (Wann&Wo)

Seit Mittwoch hat der Patient jetzt schon Bauchschmerzen. Nach drei Tagen hält er es nicht mehr aus und ruft den Rettungswagen – oder besser gesagt nach dreieinhalb Tagen, nämlich mitten in der Nacht auf Samstag. Und genau das lässt die Vorarlberger Rettungskräfte immer häufiger ihre Köpfe schütteln. „Natürlich sind wir für Notfälle da, rund um die Uhr, sieben Tage die Woche“, sagt Siegfried Marxgut, Leiter der Rettungsleitstelle für das ganze Bundesland, gegenüber WANN & WO. „Aber immer häufiger werden wir gerufen, obwohl gar kein Notfall vorliegt, sondern wegen gesundheitlicher Probleme, die man auch ganz normal zu den üblichen Ordinationszeiten beim Arzt abklären lassen könnte.“

Die Frage ist: Was ist ein Notfall?

Wobei es sich um einen „echten“ Notfall handelt, sei Ansichtssache, räumt Marxgut ein. „Wenn ich eine Definition liefern sollte, würde ich sagen: alle akut auftretenden Probleme, die sofort behandelt gehören. Auch wenn ein Armbruch nicht unbedingt sofort lebensbedrohlich ist, sollte er natürlich gleich behandelt werden.“ Mittlerweile würden die Rettung aber immer öfter wegen Problemen gerufen, die zum Einen nicht lebensbedrohlich und zum Anderen nicht akut sind – etwa wegen tagelanger Bauchschmerzen. „Das Rettungssystem gerät so immer mehr an seine Grenzen“, klagt der Experte. Schließlich gäbe es nicht unendlich viele Rettungswagen und Sanitäter. Wer wirklich einen kleinen Notfall – wie eben etwa einen Armbruch – hat, müsse dann unter Umständen länger warten. „Außerdem müssen die Ärzte, die nachts Bereitschaftsdienst haben, am folgenden Morgen wieder ihre Praxen aufsperren. Viele Sanitäter arbeiten ehrenamtlich und müssen am nächsten Tag wieder ihrem Beruf nachgehen.“ Auch wenn jeder aus Leidenschaft Arzt oder Sanitäter ist: Der Bereitschaftsdienst sei eben für Notfälle gedacht, so Marxgut.

Unwissen oder Dreistigkeit?

Die Vorarlberger würden ihm zufolge dabei großteils aus Unwissenheit vorschnell zum Telefon greifen. „Es gibt immer mehr Gesundheitsdienste und Anlaufstellen. Die Leute wissen vor lauter Angeboten nicht wohin.“ Die 144 lernt hingegen jeder schon als Kind kennen, sie wird daher schnell gewählt. Ein weiterer Faktor sei die fehlende Kommunikation: „Viele fragen bei Schmerzen nicht mehr ihre Eltern oder Großeltern, sondern Google. Und dort landet man irgendwann automatisch bei den schlimmsten Krankheiten“, sagt Marxgut WANN & WO. Der Anruf beim Rettungsdienst scheine dann das Richtige. Es gäbe aber durchaus auch dreiste Motive, den Rettungswagen zu rufen. „Manche Patienten könnten sehr wohl privat zum Arzt oder ins Spital kommen. Sich mit dem Rettungswagen fahren zu lassen, erscheint ihnen aber schlicht bequemer“, so der Experte. „Ein Patient sagte sogar einmal, dass er bewusst nachts die Rettung gerufen hat. Er war überzeugt, dass das für den Arzt und die Sanitäter angenehmer wäre, weil um diese Zeit nicht so viel los sei und sie sich mehr Zeit bei ihrer Arbeit lassen könnten. Viele vergessen einfach, dass der Rettungs- und Bereitschaftsdienst für Notfälle gedacht ist und es für alle anderen Dinge die Ordinationszeiten gibt.“ Auch Pflegepersonal würde immer häufiger ohne Not die Rettung rufen. Zwei Bitten hat Marxgut an die Patienten: „Machen sie es wie beim Einkaufen: Wenn Sie wissen, dass Sie etwas brauchen und bald Ladenschluss ist, gehen Sie rechtzeitig los – also gehen Sie auch zu den Ordinationszeiten zum Arzt, wenn das Problem nicht plötzlich nachts auftritt. Und wenn es schon der Bereitschaftsarzt sein muss: wenn es kein Notfall ist, Familie oder Freunde bitten, zu fahren.“

Im Zweifelsfall erst die 1450 wählen

Seit fast zwei Jahren gibt es die telefonische Gesundheitsberatung unter 1450. Vorarlberg war neben Niederösterreich und Wien eines der Pilotländer, in denen das Projekt getestet wurde. Seit 1. Jänner ist die Hotline nun regulär in Betrieb. Die Bürger können die Nummer bei medizinischen Fragen jederzeit kostenlos anrufen und dabei etwa erfahren, wer für ihr Problem der richtige Ansprechpartner ist – und auch, ob ein Rettungseinsatz wirklich notwendig ist.

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