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Suppe löffeln aus "Nazi-Teller"

Schwarzenberg (VN) -  Geheimniskrämerei ist nicht angesagt im Ferienheim Maien in Schwarzenberg. „Ja“, sagt Verwalterin Evi Madlener etwas verschämt, „es stimmt. Wir haben noch Restbestände von Nazi-Geschirr“. In Vorarlberger Ferienheimen wurde bis zuletzt 70-jähriges Nazi-Geschirr verwendet.
Nazi-Geschirr im Ferienheim

Fein säuberlich hat die Chefin die Relikte aus unglückseliger Zeit aufgeschlichtet: 14 Suppenteller, fünf Dessertteller, eine große Suppenschüssel und ein Fleischtablett. „Es ist beste Qualität. Und das trotz seines Alters von 70 Jahren. Vor allem die Suppenschüssel mit dem dicken Rand war herrlich. Weil dort das Porzellan trotz des heißen Inhalts kühl blieb. Zum Servieren ideal.“ Madlener redet jetzt in der Vergangenheit. „Wir werden es ab nun nicht mehr verwenden. Geht ja nicht mehr.“

Hakenkreuze auf Geschirr

Natürlich habe man sich schon vorher gelegentlich Gedanken gemacht über die Porzellanstücke mit den eingravierten Hakenkreuzen am hinteren Tellerboden. „Mich hat vor Jahren einmal ein Hauptschüler drauf aufmerksam gemacht“, gesteht Martha Lang, Evi Madleners ­Mutter und jahrelang Verwalterin des Ferienheims Maien. Vor Kurzem war’s ein erwachsener Besucher, dem das aufgefallen war und der seinen Unmut äußerte.

„Wir haben das nie für so wichtig gehalten“, rechtfertigen sich die beiden Frauen. „Wann immer wir reagieren wollten, kamen weit gravierendere Probleme auf uns zu. Oder hätte ich lieber neues Geschirr kaufen sollen, statt einem Kind die Teilnahme am Lager zu verweigern, weil dessen Eltern den Ferienaufenthalt nicht berappen konnten?“, fragt sich Madlener. Und gibt sich die Antwort gleich selbst: „Nein!“

Nazi-Porzellan auch in Oberbildstein

Vor knapp zehn Jahren, erinnert sich Martha Lang, „hat es eine Plattformsitzung der Ferienheimträger gegeben. Dort wurde das Thema Nazi-Geschirr besprochen. Die vom Kinderdorf haben ihre alten Bestände sofort herausgenommen. Wir und Oberbildstein argumentierten damals so, dass wir nicht die Mittel hätten, Geschirr auszuwechseln. Wir brauchten das Geld für andere Dinge.“ Auch in Oberbildstein gab es bis zuletzt noch Nazi-Porzellan. „In aktiver Verwendung hatten wir es jedoch nicht mehr“, verriet eine Köchin den VN. Mehr wollte man in Oberbildstein nicht sagen, Heimleiter Illmayer war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Im seit 1904 existierenden Ferienheim Maien wird die Geschichte nicht versteckt. Auch nicht jene der finsteren Nazi-Jahre. So gibt es Porträts von den ehemaligen Heimleitern. Unter anderem von Emil Bildstein. Der wurde nach Machtübernahme der Nazis sofort seines Amtes enthoben. „Die Nazis haben auch langjährige Betreuer vom Ferienheim vertrieben. Und sie haben Kindern den Zutritt verweigert, deren Eltern keine Nazis waren“, weiß Martha Lang. Nicht nur Maien wurde damals der regionalen NS-Kontrolle unterstellt – auch andere Ferienheime. „Maien hatte während des Krieges ganzjährig offen. Es kamen auch viele reichsdeutsche Kinder her. Denen wollte man Abstand vom Krieg gönnen“, erzählt die 70-jährige ehemalige Verwalterin. Natürlich statteten die Nazis „ihre“ Heime auch mit Hausrat aus. Dazu gehörte das Geschirr der noch heute für ihre Markenware bekannte Firma Hutschenreuther aus dem oberpfälzischen Selb.

“Reichsdeutsches Kind“ und die Erinnerungen

Horst Hartmann war zwölf und eines jener „reichsdeutschenKinder“, das im Juli/August 1943 im Zuge der sogenannten Kinderlandverschickung aus Pommern (heute in Polen) nach Maien kam. Der heute 80-Jährige hat diese Zeit nie vergessen. Nach dem Krieg lebte er in Wismar in der DDR. „Mein sehnlichster Wunsch war es, endlich einmal wieder nach Maien zu fahren.“ Hartmann musste bis zum Mauerfall 1989 warten, kam dann aber 1990 das erste Mal von insgesamt zehn Aufenthalten nach Schwarzenberg. „Ich war tief bewegt und wollte unbedingt jenen Ort noch einmal sehen, der uns als Kinder für vier Wochen vom Krieg wegbrachte. Ich wollte diese wunderbare Landschaft noch einmal erleben.“ Hartmann war Gast beim ehemaligen Schwarzenberger Bürgermeister Jakob Franz Greber. Über die politischen Verhältnisse habe er als Kind damals nichts mitbekommen. „Uns ging es in Maien einfach nur wunderbar.

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