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StVO-Novelle sieht Fahrzeugbeschlagnahmung für extreme Raser vor

Gesetzesänderung in Begutachtung
Gesetzesänderung in Begutachtung ©APA // Canva
In Nachbarländern wie Italien oder der Schweiz ist es bereits möglich, nun soll es auch bei uns kommen: Autos von extremen Rasern sollen künftig beschlagnahmt und versteigert werden.

Eine Gesetzesnovelle soll den "Verfall des Fahrzeugs bei rücksichtlosen und gefährlichen Geschwindigkeitsüberschreitungen" bringen, kündigte Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien an. Das Auto soll künftig an Ort und Stelle beschlagnahmt werden.

Vor mehr als zwei Jahren hatte Gewessler diesen Plan bereits angekündigt. "Extreme Raserei ist lebensgefährlich für alle andere Menschen auf der Straße", sagte die Ministerin. Bei extremen Überschreitungen "hat im Straßenverkehr niemand mehr die volle Kontrolle über sein Fahrzeug, dann wird der Raser zum rücksichtslosen Täter", sagte die Ministerin. Mit der Novelle könne man "die Tatwaffe wegnehmen zum Schutz von uns allen". Gewessler rechnet mit 400 bis 450 Personen im Jahr, bei denen die neuen Bestimmungen anwendbar wären. Für diese "kleine Gruppe an Personen" brauche es eben "andere, härtere Mittel, denen müssen wir die Tatwaffe aus der Hand nehmen", sagte die Verkehrsministerin.

Ab 60 km/h zu schnell

Das Verfallsverfahren ist mehrstufig aufgebaut. Im ersten Schritt wird das Fahrzeug bei einer schwerwiegenden Geschwindigkeitsübertretung vorläufig an Ort und Stelle bereits von der Polizei beschlagnahmt. In Frage kommt, wer im Ortsgebiet das Tempolimit um mehr als 60 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 70 km/h überschreite. Dem Lenker wird künftig auch immer sofort der Führerschein vorläufig abgenommen.

Im Anschluss hat die Bezirksverwaltungsbehörde zwei Wochen Zeit, zu entscheiden, ob ein Verfall des Autos wahrscheinlich ist - in diesem Fall wird das Verfahren eingeleitet. Das Fahrzeug verfällt bei extremen Überschreitungen und Wiederholungstätern. Konkret bedeutet das, dass Wiederholungstäter, die etwa mit 110 km/h durch das Ortsgebiet rasen, sich von ihrem Fahrzeug trennen müssen, also bei mehrfacher Geschwindigkeitsübertretung von mehr als 60 km/h innerorts oder 70 km/h außerhalb des Ortsgebiets.

Auto wird versteigert

Bei einer Geschwindigkeitsübertretung von mehr als 80 km/h innerorts oder 90 km/h außerhalb des Ortsgebiets sollen Lenker bereits beim ersten Vergehen das Fahrzeug verlieren, wenn es geboten scheint, den Täter von weiteren Raser-Aktionen abzuhalten. Darunter fällt beispielsweise ein Raser, der mit 220 km/h über die Autobahn fährt.

Das Fahrzeug wird im Anschluss von der Behörde verwertet, also versteigert. Vom Erlös gehen 70 Prozent an den Verkehrssicherheitsfonds - dorthin fließen etwa auch die Gelder von Wunschkennzeichen - und der Rest an die jeweilige Gebietskörperschaft. Der Verfall eines beschlagnahmten Fahrzeugs ist zusätzlich zu einer Geldstrafe vorgesehen. Damit werde verhindert, dass Raser wieder unterwegs sind und andere in Gefahr bringen, meinte Gewessler. "Wer kein Auto mehr hat, kann nicht mehr rasen", konstatierte sie.

Juristische Gratwanderung

Juristisch sei das Vorhaben "kein einfache Aufgabe gewesen", sagte die Ministerin. In mehreren Ländern ist es bereits möglich, deshalb "muss es auch bei uns gehen", erläuterte Gewessler. Doch nicht alle Raser-Autos werden künftig versteigert werden. "Wir können nicht in das Eigentumsrecht Dritte reingreifen", konkretisierte ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger. Gehört das Fahrzeug, mit dem der Raser erwischt wurde, beispielsweise den Eltern, oder handelt es sich um ein Leasing- oder Mietauto, dann kann es nicht für Verfallen erklärt werden. Allerdings soll für den Raser in den jeweiligen Fahrzeug-Papieren ein lebenslanges Lenkverbot für das jeweilige Fahrzeug eingetragen werden. Die vorläufige Beschlagnahme des Autos von zwei Wochen, die von den Beamten an Ort und Stelle verfügt wird, gilt jedoch auch für diese Fälle.

Der Salzburger Landesrat Stefan Schnöll (ÖVP) erinnerte an einen Verkehrsunfall im April 2020, als durch einen "rücksichtlosen Raser" eine 27 Jahre alte Frau gestorben ist. "Der Unfall hat uns damals vor Augen geführt, dass die gesetzliche Grundlage bei Weitem nicht ausreichend ist", sagte er am Montag. Für extreme Raser sei das Fahrzeug "das Heiligtum". Dass dieses künftig beschlagnahmt und veräußert werden kann, habe eine "präventive Wirkung". Auch gegen ausländische Lenker habe man künftig mehr Handhabe.

Neue Regeln für Führerscheinentzug

Zusätzlich zur Beschlagnahme wird im Führerscheingesetz vorgesehen, dass bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 40 km/h innerorts bzw. 50 km/h außerhalb des Ortsgebiets der Führerschein jedenfalls vorläufig abzunehmen ist. Bisher ist dies eine Ermessensentscheidung des einschreitenden Beamten.

"Extremes Rasen hat auf unseren Straßen nichts verloren. Jene, die andere rücksichtslos gefährden, müssen die Konsequenzen tragen. Es gibt keinen Grund durch unsere Orte zu rasen", sagte auch Hermann Weratschnig, Verkehrssprecher der Grünen. Wenn Menschenleben gefährdet werden, wird das Auto zur Waffe, meinte ÖVP-Verkehrssprecher Ottenschläger. "Da muss man die Waffe wegnehmen", forderte er.

Sechwöchige Begutachtungsphase

Die Novellen der Straßenverkehrsordnung (StVO) und des Führerscheingesetzes (FSG) schickt das Ministerium nun in eine sechswöchige Begutachtung. Die Stellungnahmen sollen dann eingearbeitet und die Novellen möglichst zügig in Kraft treten, sagte Gewessler ohne einen konkreten Zeitpunkt zu nennen.

Laut dem Innenministerium wurden im Vorjahr in Österreich insgesamt 5.115.525 Geschwindigkeitsüberschreitungen angezeigt bzw. als Organstrafverfügungen geahndet. 359 Menschen starben bei Verkehrsunfällen auf Österreichs Straßen. Die vermutlichen Hauptunfallursachen der tödlichen Verkehrsunfälle waren nicht angepasste Fahrgeschwindigkeit (26,9 Prozent) vor Unachtsamkeit/Ablenkung (24,5 Prozent) und Vorrangverletzung (15,5 Prozent).

Für VCÖ zu wenig streng

Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) begrüßte am Montag die Ermöglichung der Auto-Beschlagnahme für Extrem-Raser. Jedoch ist aus Sicht des VCÖ die Grenze, ab der das Fahrzeug beschlagnahmt werden kann, zu hoch angesetzt. Der VCÖ fordert, dass ein Teil der Einnahmen aus der Versteigerung beschlagnahmter Fahrzeuge für Gemeinden zur Finanzierung von Discobussen und Anrufsammeltaxis zweckgewidmet werden. Auch Wiens Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) begrüßte die Anti-Raser-Maßnahmen des Bundes. Sima forderte aber darüber hinausgehende Maßnahmen, um Roadrunnern Einhalt zu gebieten.

Kritik vom ARBÖ

Kritik an der angekündigten Gesetzesänderung übt der ARBÖ. Diese könne demnach zu "unverhältnismäßiger Bestrafung führen". "Die Beschlagnahmung ist als Strafe zu werten. Daher zahlt jemand, dessen 1.000-Euro-Fahrzeug beschlagnahmt wird eigentlich viel weniger Strafe als jemand, der sein 100.000 Euro-Auto abgeben muss", meinte Generalsekretär Gerald Kumnig. Zusätzlich zum Problem mit unterschiedlichen Strafhöhen sieht der ARBÖ auch Herausforderungen bei Leasing- oder Leihfahrzeugen. "Und letztlich wird sich jeder sehr gut überlegen, ob er sein Fahrzeug im privaten Umfeld verborgen möchte, wenn es möglicherweise nicht mehr zurückkommt", meinte Kumnig.

ÖAMTC ortet Verfassungswidrigkeit

Der ÖAMTC sieht einen Zugriff auf fremdes Eigentum "klar verfassungswidrig". Wir glauben daher, dass eine grundlegende Überarbeitung notwendig werden wird, denn eine Verwaltungsbehörde wird diese neuen Vorgaben eventuell ressourcentechnisch nur schwer umsetzen können", meinte Martin Hoffer, Leiter der Rechtsdienste. Er ortete außerdem Kapazitätsprobleme bei der Überwachung der Roadrunner-Szene. "Kontrollen sind entscheidend", sagte Hoffer. Der ÖAMTC verwies außerdem darauf, dass in Nachbarländern wie der Schweiz oder Deutschland Beschlagnahmen von Fahrzeugen mit Gerichtszuständigkeit und der Verpflichtung, den Veräußerungserlös, der die Strafdrohung übersteigt, an den Besitzer zurückzuzahlen, durchgeführt werden.

(APA)

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