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StPO-Reform: "Legales Tuning für Justiz" - Brandstetter setzt Ermittlungen Frist

Justizminister Wolfgang Brandstetter am Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz anlässlich des Reformpakets zur Strafprozessordnung in Wien.
Justizminister Wolfgang Brandstetter am Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz anlässlich des Reformpakets zur Strafprozessordnung in Wien. ©APA/ Techt
Ein "legales Tuning für die Justiz" erhofft sich Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) von seinem StPO-Paket.

Die Beschleunigung der Ermittlungen in den einigen wenigen, aber meist aufsehenerregenden Großverfahren – vor allem im Wirtschaftsbereich – ist sein Hauptanliegen, sagte er am Mittwoch in einer Pressekonferenz.

Strafverfahren: Zeitlimit für Ermittlungen

Das Paket fiel größer aus als angekündigt – und enthält überraschend auch ein Zeitlimit für die Ermittlungen in Strafverfahren. Wenn sie länger als drei Jahre dauern, muss der Staatsanwalt sich das künftig vom Gericht (konkret vom Einzelrichter am Landesgericht) “absegnen” lassen. Liegen keine ausreichenden Gründe für eine längere Dauer vor, sind die Ermittlungen mit Ablauf der drei Jahre beendet. Bei triftigen Gründen kann der Richter die Frist (auch mehrmals hintereinander) um zwei Jahre verlängern – wenn etwa ein Verfahren “extrem kompliziert” ist, z.B. wegen Firmenverflechtungen oder wenn es viele Beschuldigte gibt. Rechtshilfeersuchen im Ausland werden auf die Frist nicht angerechnet. Die Staatsanwälte sollen damit zu “zügiger und zielgerichteter Ermittlungstätigkeit” angehalten werden – aber auch sie könnten davon profitieren, meinte Brandstetter: Denn mit dem Gerichtsbeschluss auf Fortführung werde ihnen “der Rücken gestärkt”, wenn Ermittlungen zu Recht lange dauern.

Schöffenverfahren: Zweiter Berufsrichter

Ebenfalls eine Beschleunigung großer Verfahren erhofft sich Brandstetter von der Wiedereinführung des Beisitzers in Schöffenverfahren – und zwar bei Wirtschaftsdelikten mit Schaden über einer Mio. Euro, bei schwerem Amtsmissbrauch und Korruptionsdelikten (Schaden über 100.000 Euro), Terror- oder organisiertem Verbrechen bzw. allen Verbrechen mit Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren (z.B. schwerer Raub). Die nötigen Planstellen dafür sind bereits im Budget enthalten. Elf Posten wurden vorgesehen – das sind so viele, wie mit dem Sparpaket 2009 bei der Streichung des zweiten Berufsrichters weggefallen sind.

Wiedereinführung des Mandatsverfahrens

Um Beschleunigung, aber auch um die Entlastung der von Einsparungen stark betroffenen Bezirksgerichte geht es Brandstetter bei der Wiedereinführung des Mandatsverfahrens. In Strafverfahren vor dem Bezirksgericht, aber auch dem Einzelrichter am Landesgericht kann bei “unterster Kriminalität” – “wenn alles klar ist” – auf die Hauptverhandlung verzichtet und das Verfahren einfach mit einer Strafverfügung beendet werden. Der Betroffene muss zustimmen. Ist er nicht einverstanden, kann er mit einem formlosen Einspruch beim Gericht die Fortsetzung des Verfahrens samt Hauptverhandlung erzwingen. In Frage kommt das Mandatsverfahren bei Delikten, die maximal mit Geldstrafe oder einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind. Dies fällt nicht unter “Diversion”: Deren Einsatz soll mit dem Paket übrigens gestärkt werden, der Tatausgleich soll “unbürokratischer” durchgeführt werden können.

“Anfangsverdacht”: Beschuldigter versus Verdächtiger

Mit der großen Vorverfahrensreform 2008 – die Beschuldigtenrechte (etwa auf Beiziehung eines Anwalts) von Beginn an – brachte, ist das Problem aufgetaucht, dass Personen oft nur wegen anonymer Anzeigen mit unbegründetem Verdacht als Straftäter gebrandmarkt werden. Das will Brandstetter mit der Unterscheidung zwischen Beschuldigtem und Verdächtigem verhindern – mithilfe des neuen Begriffs “Anfangsverdacht”. Es wird (auch mit Blick auf die Berichterstattung der Medien) klargestellt, dass ein Ermittlungsverfahren erst dann beginnt, wenn es hinreichende Anhaltspunkte gibt, dass eine Straftat begangen wurde. Nicht als “Ermittlung” gelten soll die Nutzung allgemein zugänglicher Informationsquellen wie Internet, Grundbuch etc. Und auch eine Auslieferung eines Abgeordneten soll nicht schon zur Abklärung einer vagen Verdachtslage gestellt werden müssen, sondern erst bei tatsächlichen Ermittlungen wegen eines konkreten Tatverdachts.

Die Information der Öffentlichkeit durch die Staatsanwaltschaft soll überdies rechtlich abgesichert werden. Staatsanwälte würden mitunter wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses angezeigt, wenn sie Medien Auskunft geben. Das sollte mit der neuen Regelung ausgeschlossen sein, meinte Brandstetter.

Änderungen beim Einsatz von Sachverständigen

Ein viel diskutiertes Problem in Großverfahren ist der Einsatz von Sachverständigen – vor allem, wenn ein Sachverständiger, der schon für den Staatsanwalt in den Ermittlungen tätig war, auch im Hauptverfahren vom Gericht eingesetzt wird und seinem Gutachten widersprechende Privatgutachten vorliegen. Auch angesichts der höchstgerichtlichen Judikatur will Brandstetter dies beheben, indem die Beschuldigten stärker in die Sachverständigenbestellung eingebunden werden. Sie sollen im Ermittlungsverfahren einen Antrag auf Enthebung stellen und auch einen anderen Sachverständigen vorschlagen können. Wenn die StA diesem Antrag nicht folgt, muss sie es begründen. Außerdem sollen vom Beschuldigten bzw. seinem Verteidiger vorgelegte Privatgutachten zwingend Akteninhalt werden – also auch in der Beweiswürdigung beachtet werden müssen.

Gegen einen vor allem seit dem Tierschützer-Prozess diskutierten Missstand will Brandstetter “im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten” – also der knappen Mittel – einen ersten Schritt setzen: Der Verteidigungskostenersatz für Freigesprochene soll verdoppelt werden. Das bedeutet z.B. künftig 10.000 Euro bei Geschworenen- oder 1.000 Euro für Bezirksgerichtsverfahren.

Brandstetter geht davon aus, dass sich an dem vorgeschlagenen Paket nicht mehr allzu viel ändern wird. Mit dem Koalitionspartner sei es akkordiert. Und der Minister selbst hat “eine riesen Freude” – und lobte die Verfasser mehrfach für ihren “wirklich hervorragend geschriebenen” Entwurf.

(APA/red)

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