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Steuern: Weitere Reformen gefordert - Wirtschaftsbund verlangt Nachschärfung

Steuern: Experten fordern weitere Reformen
Steuern: Experten fordern weitere Reformen ©APA
Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, Karl Aiginger, hält die Steuerreform für nicht leistbar, wenn es sich bei dieser um den ersten und einzigen Reformschritt handle. Es brauche weitere Reformen. Ähnlich sieht das ein Linzer Experte, der die Kalte Progression nur vorübergehend gebremst sieht. Und der Wirtschaftsbund verlangt Nachschärfungen.
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Das Ziel der Regierung, den Faktor Arbeit zu entlasten, werde aber erreicht. Es sei nicht nur gekleckert worden: “Das war geklotzt”, sagte Aiginger im Ö1-“Mittagssjournal”.

“Der Konsum wird 2016 belebt werden”, so Aiginger. Nun sei es aber nötig, dass die Regierung jene Energie, die sie in Sachen Kompromissfähigkeit offenbar gewonnen habe, auf andere Sektoren übertrage. Etwa gebe es bei der Bildungsreform seit Jahrzehnten Diskussionen ohne Erfolge. “Auch bei der Pensionsreform ist viel zu wenig passiert”, so Aiginger. Bei der Forschungsquote sei Österreich auch viel zu weit weg von vergleichbaren Ländern und vor allem müsse auch der öffentliche Sektor effizienter werden.

Reform senke Abgabenquote nicht langfristig

Die jetzige Steuerreform senke zudem die hohen Abgabenquote langfristig nicht. Damit diese langfristig unter die 50 Prozentmarke gedrückt werden könne, müssten die Ausgaben durchforstet werden.

Steuersenkung: Gegenfinanzierung mit Lücken

Die Gegenfinanzierung sei auch nicht so gesichert, wie die Steuersenkung. Beide Haupt-Gegenfinanzierungen seien nicht so einfach zu bewerkstelligen – einerseits die Möglichkeit über Betrugsbekämpfung Einnahmen zu lukrieren und andererseits die Selbstfinanzierung, die konjunkturabhängig sei und nicht von Österreich aus alleine klappen werde, sagte Aiginger mit Blick auf die Konjunktur in Europa und weltweit.

Es gibt auch Steuererhöhungen erinnerte Aiginger. Insgesamt sei hier das Ausmaß aber geringer als befürchtet. Die Auswirkungen der Senkungen seien aber höher als jene der Steigerungen.

Steuerreform im †berblick - Aktualisiert
Steuerreform im †berblick - Aktualisiert

Schneider: Guter Start, Arbeitsplan für mehr Reformen nötig

Ähnlich wie Wifo-Chef Aiginger hat der Linzer Volkswirtschafter Friedrich Schneider am Samstag darauf verwiesen, dass die aktuelle Steuerreform unbedingt ausgabenseitig Reformen nach sich ziehen müsse. “Es ist ein guter und wichtiger Anfang. Bis spätestens 2016/17 müssen aber etwa Steuerausnahmen gestrichen und Subventionen gekürzt werden, um die aktuelle Reform zu finanzieren.” Für die aus Schneiders Sicht notwendigen Reformen brauche es einen verbindlichen Arbeitsplan der Regierung für den Rest der Legislaturperiode.

Schneider sprach davon, Subventionen um zehn bis 15 Prozent zu kürzen, um 2,5 bis 3 Mrd. Euro aufzutreiben. “Große Anstrengungen sind auch zu unternehmen, um das Pensionsantrittsalter bis spätestens 2020 auf 65 Jahre zu erhöhen”, sagte er am Samstag zur APA.

Hier meinte Schneider in erster Linie Männer, bei Frauen könne man zumindest vorerst bei 62 Jahren bleiben, die Angleichung sei ja auch noch nicht beschlussreif, erinnerte der Volkswirt. Steige das Pensionsantrittsalter der Männer auf 65 und bei Frauen auf 62 Jahre, so könnten vom derzeitigen Zuschuss von 9 Mrd. Euro 3 bis 4 Mrd. Euro eingespart werden.

Kalte Progression nur “vorrübergehend gebremst”

Dann könnte es gelingen “die Lohnnebenkosten wirklich zu senken. Die sind zu teuer und die Wettbewerbsfähigkeit leidet. Das wäre auch für die Wirtschaft wichtig, insbesondere für kleine und mittlere Betriebe”, so Schneider. Damit dann die kalte Progression tatsächlich beendet werden könnte, sollten Lohnerhöhungen an die Inflation indexiert werden. Mit der jetzigen Reform sei die kalte Progression nur “vorrübergehend gebremst, in vier, fünf Jahren ist alles wieder aufgezehrt”.

Die PlŠne zur Steuerreform - AKTUALISIERT
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Wirtschaftsbund verlangt Nachschärfungen

Das Steuerreformpaket ist aus Sicht der ÖVP-Wirtschaftsvertreter noch nicht ganz fix: Der Wirtschaftsbund drängt auf Nachschärfungen im Gegenfinanzierungskonzept. Kritisiert werden die Registrierkassenpflicht, die höhere Mehrwertsteuer für Hotels, der Fall des Bankgeheimnisses bei Betriebsprüfungen oder die neue Grunderwerbssteuer. Scharfe Kritik kam aus Tirol und Kärnten.

Geplante Finanzierungsmaßnahmen als Wermutstropfen

“Wermutstropfen” sind die geplanten Finanzierungsmaßnahmen – auch die KESt- und Immobilienertragssteuererhöhung – für Wirtschaftskammer-Präsidenten Christoph Leitl. Bei der Registrierkassenpflicht “erwartet” er sich “Verbesserungen im parlamentarischen Prozess” – damit sie nicht zu einer bürokratischen Schikane werde. “Diskussionsbedarf” sieht er auch bei der Grunderwerbssteuer: “Die geplante Erhöhung ist trotz einer erhöhten Freibetragsgrenze von 900.000 Euro pro Betrieb und Steuerfall ein echtes Problem für die Betriebe.” Beim Bankgeheimnis will er sichergestellt haben, dass die Offenlegung nur bei begründetem Verdacht erfolgt.

WK-Präsident Leitl hätte sich “mehr gewünscht”

Auch wenn er sich “mehr gewünscht” hätte – an Strukturreformen -, begrüßte Leitl die Tarifentlastung sehr als wichtigen Beitrag zur Stärkung der Kaufkraft. Und war auch sehr zufrieden damit, dass es keine Erbschafts- und Vermögenssteuern gibt. Deshalb hat er im ÖVP-Vorstand am Nachmittag auch zugestimmt. Dies allerdings “nur unter Vorbehalt”, wie Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Hauber in einer Aussendung kundtat: Nämlich, dass ausgabenseitige Reformen parallel auf den Weg gebracht werden müssten. Und es müsse nachgeschärft werden, aus Haubners Sicht vor allem bei der Registrierkassenpflicht.

“Schlag ins Gesicht für den Wirtschaftsstandort”

Scharfe Töne kamen aus der Tiroler und der Kärntner Wirtschaftskammer: Der Tiroler Kammerpräsident Jürgen Bodensser (ÖVP) nannte die Steuerreform einen “Schlag ins Gesicht für den Wirtschaftsstandort”. Die Zeche würden der Westen und die mittelständischen Unternehmen zahlen – mit der Umsatzsteuererhöhung für Nächtigungen, die Registrierkassenpflicht und der Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Tirol sei davon “besonders negativ betroffen”.

Es sei ein “wesentlicher Punkt des einstimmigen Beschlusses im ÖVP-Bundesparteivorstand”, dass einzelne Bereiche – wie die MWSt-Erhöhung für Hotelnächtigungen – noch nachgeschärft werde könnten, betonte umgehend der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) in einer Aussendung. Aber er strich hervor, dass die lange geforderte spürbare Entlastung durch Senkung der Lohnsteuer das “Herzstück der Reform” sei.

“Gewaltiges Belastungspaket” für Tourismusbetriebe

“In Wirklichkeit ein gewaltiges Belastungspaket” sei die Steuerreform für die Tourismusbetriebe, war der Spartenobmann der Kärntner Wirtschaftskammer, Herlmut Hinterlehner, “tief enttäuscht über die Details zur Gegenfinanzierung”. Er sprach in einer Aussendung von einer “Steuerkeule” für die Tourismusbetriebe – durch die Anhebung der Mehrwertsteuer für Nächtigungen und die Anhebung der Abschreibdauer für Hotels von 30 auf 40 Jahre. Die Registrierkassenpflicht sei nicht nur ein empörender Generalverdacht, sondern auch von den Kosten her ein “weiterer unnotwendiger Schlag vor allem wieder gegen Klein- und Kleinstbetriebe”.

Bundesparteichef Reinhold Mitterlehner hatte schon nach dem Parteivorstand von “Befürchtungen und Einwendungen” wegen der Gegenfinanzierung gesprochen – und gemeint, er halte da und dort einen Nachschärfungsprozess für möglich. Bei der Präsentation der Steuerreform mit Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) deutete er eine mögliche Lösung an: Den Hoteliers könnte man damit entgegenkommen, dass die Mehrwertsteuererhöhung von zehn auf 13 Prozent möglicherweise erst zum Halbjahr 2016 schlagend wird. (APA/red)

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