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Staudamm Belo Monte: "Es gab nie einen Dialog"

Erwin Kräutler setzt sich seit Jahrzehnten für die Rechte der indigenen Bevölkerung ein.
Erwin Kräutler setzt sich seit Jahrzehnten für die Rechte der indigenen Bevölkerung ein. ©APA
Rund um die Uhr wird trotz Protesten am riesigen Staudamm vor Altamira gebaggert. Bischof Erwin Kräutler (72), der 2010 mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde, prangert Belo Monte im VN-Interview an: Das riesige Kraftwerk am Rio Xingu wird gegen alle Proteste durchgezogen.
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Wie weit sind die Arbeiten an Belo Monte gediehen?

Bischof Kräutler: Die von uns immer befürchtete Strategie der Regierung, das Volk am Xingu schlichtweg vor vollendete Tatsachen zu stellen, ist Wirklichkeit geworden. Es gab nie einem Dialog zwischen der Regierung und der Bevölkerung. Die Arbeiten laufen auf vollen Touren. Jeden Morgen bringen schon zwischen fünf und halb sechs Uhr Dutzende Omnibusse die Arbeiter, die am Baugelände noch keine Unterkunft haben, von Altamira zum etwa 60 Kilometer entfernten Belo Monte. Die mit allen möglichen Versprechen angeheuerten ehemaligen Arbeitslosen haben um vier Uhr morgens Tagwache und kommen frühestens zwischen acht und neun Uhr abends in ihre Unterkünfte zurück. Alle Busse sind ausrangierte Fahrzeuge, die den Arbeiterinnen und Arbeitern nicht einmal ein Minimum an Komfort bieten. Die Arbeitsbedingungen sprechen der brasilianischen Arbeitsgesetzgebung Hohn. Überstunden werden nicht vergütet. Erst nach sechs Monaten sind Familienbesuche vorgesehen. Tag und Nacht, auch samstags und sonntags wird gearbeitet.

Welche Aktionen des Widerstands laufen derzeit?

Bischof Kräutler: Der Widerstand kommt nun aus den Reihen der Arbeiter. Sie drohten zunächst nur mit Streik, dann aber machten sie mit der Drohung ernst. Ich konnte vom Fenster meines Büros um halb sechs Uhr früh den Aufstand der Arbeiterinnen und Arbeiter mitverfolgen, die sich einfach weigerten, die Omnibusse zu besteigen. Schließlich rückte eine Sondereinheit der Polizei mit Gummigeschossen an. Einschüchterungsmanöver. Ein Arbeiter schrie nach dem Bischof: „Bispo, schau, was hier vor sich geht!“ Die Polizei beschwichtigte sofort: „Keine Sorge! Wir tun euch eh nichts!“ Die Omnibusse fuhren schließlich leer in die Garage und die Leute gingen nach Hause oder in ihre Unterkünfte zurück. Von der Situation im Baugelände gibt es nur spärliche Informationen. Niemand wird hineingelassen, um sich vor Ort ein Bild machen zu können.

Antônia Melo de Silva berichtet über massive Einschüchterungen und Todesdrohungen durch die Betreiber. Hat sich die Tonart derart verschärft?

Bischof Kräutler: Das Wort „Einschüchterung“ ist viel zu mild. Was wirklich vorgeht, spottet jeder Beschreibung. Wer sich „aufregt“, wer Menschenrechtsverletzungen „anzeigt“, hat mit Folgen zu rechnen. Alle möglichen juristischen Schikanen, die man sich nur vorstellen kann, können das Leben zur Hölle machen. Mit seiner Unterschrift will ein unverschämter Richter alle Menschenrechtsaktivisten aus dem Weg räumen und ihnen den Mund schließen, ja sogar einem Journalisten seine professionelle Tätigkeit verbieten. Mich schaudert es einfach bei der Feststellung, dass sich im Zusammenhang mit Belo Monte die übelsten Methoden aus der Asche der Militärdiktatur der 60er-, 70er- und 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts neu erheben. Ich kenne Antônia Melo, Mônica, Lázaro und den Journalisten Ruy persönlich. Was ihnen vorgehalten wird, ist gemeine Lüge und verbrecherische Verleumdung. Rechtsanwälte erklären die richterliche Verfügung als völlig absurd und bar jeder gesetzlichen Grundlage. Aber es ist schwer, einem Richter einen Prozess anzuhängen!

Wie hast du persönlich Ostern gefeiert?

Bischof Kräutler: Ich habe meinen Leuten schon nach meiner Bischofsweihe versprochen, die Karwoche und Ostern immer in Altamira zu verbringen.

VN/Thomas Matt

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