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Starkregen wird häufiger fallen

Schwarzach -  Bei der Frage, ob es sich bei Starkregen um einen klimatologischen Trend handelt, sind die Forscher vorsichtig.
Klimaspiegel Bregenz

Montag, 14.25 Uhr. In Schwarzach scheint die Sonne. Aber über das Regenradar des Schweizer Wetterdienstes kann man den Regen schon herankriechen sehen. Auf Höhe Frauenfeld dokumentiert ein roter Fleck im Radarbild Starkregen, im Jura leuchtet ein gelber Punkt, das heißt „extrem“. Ob Niederschläge wieder im Leiblachtal niedergehen werden, kann zur Stunde niemand sagen. „15 Minuten vorher“ traut sich die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) das zu, das ist verdammt knapp. Dass die Kollegen in den Vorhersagen extremer Ereignisse derart im Dunklen stochern, freut zumindest den Klimatologen Dr. Reinhard Böhm, dem es sehr ähnlich ergeht. Kann man die Stark-regen der vergangenen Tage in einen größeren klimatologischen Zusammenhang stellen? Treten Extremereignisse häufiger auf, weil sich die Sommertemperaturen in unseren Breiten bis 2050 in Bezug auf 1990 um 2,7 Grad erhöhen werden? „Wenn ich das wüsste“, seufzt der Wiener Klimatologe. Er mahnt: „Da wäre ich extrem vorsichtig.“ Um einen Zusammenhang rechnerisch nachzuweisen, „fehlt uns schlicht und einfach die Computerpower“. Warum? „Extremereignisse sind extrem selten. Wenn Sie etwa glauben, dass ein Ereignis alle 100 Jahre vorkommt, dann müssen Sie für mehrere Hundert Jahre eine Computersimulation anlegen. Das ist noch nicht drin. Deshalb müssen wir den Umweg gehen über das Wissen aus der Vergangenheit.“

Bis zu 20 Prozent häufiger

Für Österreich sagt dieser Umweg, dass „überall dort, wo der Niederschlagstrend per se ansteigend ist, auch die Extremereignisse zunehmen werden“. Die meisten Zukunftsstudien sagen Böhm zufolge „für Vorarlberg und die angrenzende Schweiz eine Steigerung der Starkregenfälle „von zehn bis 20 Prozent“ voraus. „Das würde ich unterschreiben.“ Alle anderen österreichischen Bundesländer bleiben demnach von dieser Tendenz verschont. Jetzt ist es 15 Uhr. Ein zweiter gelber Punkt bei Diepoldsau pickt auf dem Radarschirm. In Vorarlberg scheint noch die Sonne. Böhm hat in einem großanlegten Projekt das Klima der vergangenen 1000 Jahre im Alpenraum rekonstruiert. Die Rekonstruktion des historischen Klimas ist der Schlüssel zum Verständnis des Klimawandels. „Wir haben mit Baumringen gearbeitet.“ Höher gelegene Bäume sind gute Thermometer. Sie erzählen durch verkümmerte Wachstumsphasen von kalten und durch starkes Wachstum von warmen Sommern. So kam Böhm den hohen Temperaturen im 10. und 12. Jahrhundert auf die Spur sowie der kleinen Eiszeit vom 16. bis 18. Jahrhundert und dem erneuten Temperaturanstieg, der „mit dekadischen Abweichungen bis heute andauert“. Wissen die Schweizer mehr? Meteoschweiz hat die Temperatur- und Niederschlagsentwicklung von 1864 bis 2001 untersucht und dabei auch versucht, einen Trend bei Starkregenereignissen abzulesen. Mit mäßigem Erfolg. Immerhin: Wetteraufzeichnungen haben eine erhöhte Anzahl von Unwettern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und ziemlich genau 100 Jahre später Ende der 1970er-Jahre auf der Alpennordseite festgestellt. Hydrologische Analysen weisen zudem ab 1977 an einigen Flüssen in Europa häufiger große Tagesabflüsse nach. Von 1871 bis 1900 erstreckte sich die Saison mit hohem Starkniederschlags-Risiko und insgesamt 104 Ereignissen über die Monate zwischen Juni und Oktober. In der Periode von 1971 bis 2000 mit insgesamt 129 Ereignissen setzte die Saison zwei Monate früher ein, endete aber auch einen Monat früher. Längerfristig versprechen auch die Schweizer Meteorologen eine Zunahme der Häufigkeit von Starkniederschlägen „insbesondere im Winterhalbjahr“. Der Bericht „Klimaänderung und die Schweiz 2050“ sagt weiter: „Modellrechnungen zeigen, dass Starkniederschläge wie sie heute nur alle acht bis 20 Jahre vorkommen bis Ende des Jahrhunderts durchschnittlich alle fünf Jahre auftreten können.“ Im Mittelland und Jura sowie in den Voralpen ( . . . ) könnte die Gefahr für Hochwasser steigen. Ganz besonders gilt dies auch für die weiter unten liegenden Nachbarn am Rhein.“ 16.04 Uhr. In Schwarzach regnets.

Zur Person

Dr. Reinhard Böhm leitete unter anderem das EU-Projekt „ALP-IMP“, in dessen Rahmen, in Zusammenarbeit mit führenden Klimaforschern Europas, erstmals eine Rekonstruktion des Klimas im Alpenraum für die letzten 1000 Jahre erarbeitet wurde. Geboren: 1948 in Wien Ausbildung: Studium der Meteorologie und Geophysik an der Universität Wien Laufbahn: seit 1973 als Klimatologe an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik

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