Die schriftlichen Sachverständigen-Gutachten haben nicht nur Zweifel an der von den Beamten behaupteten Notwehr-Version bzw. am gerechtfertigten Waffengebrauch verstärkt. Offen ist auch, ob vor allem dem Schützen überhaupt Fahrlässigkeit zuzubilligen ist. Das räumte der Leiter der mit der Causa befassten Staatsanwaltschaft Korneuburg, Karl Schober, am Dienstag im Gespräch mit der APA ein.
Auf die Frage, ob am Ende der Ermittlungen gegen den Polizisten, der den tödlichen Schuss auf den 14-jährigen Florian P. abgegeben hat, Anklage wegen eines Vorsatzdelikts erhoben werden könnte, meinte Schober: “Grundsätzlich ist aus heutiger Sicht eine rechtliche Würdigung in alle Richtungen möglich.”
Sollte die Staatsanwaltschaft nach Abschluss der Untersuchungen zum Schluss kommen, dass der Verantwortung der beiden Beamten nicht zu folgen ist, die den Waffengebrauch mit einer angeblichen Gefahrenlage rechtfertigen, wäre es demnach denkbar, dass der Polizist zumindest wegen schwerer Körperverletzung mit tödlichen Ausgang (Strafrahmen: Ein bis zehn Jahre) oder absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge (Strafrahmen: Fünf bis zehn Jahre) zur Verantwortung gezogen wird. Dieser Möglichkeit widersprach Schober – konkret darauf angesprochen – nicht.
Der Leiter der Staatsanwaltschaft betonte allerdings, in dieser Sache wären die Ermittlungen noch im Gange und daher vorzeitige Spekulationen unangebracht. So fehlt noch der Abschlussbericht der Kriminalisten vom Landespolizeikommando Oberösterreich, die zuletzt auch die Sanitäter vernommen hatten, von denen der tödlich getroffene Florian P. erstversorgt und ins Spital gebracht worden war. Zudem sollen die Ermittler die nunmehr schriftlich vorliegenden Erkenntnisse des Schießsachverständigen und des Gerichtsmediziners in ihren Bericht einfließen lassen.
Der Endbericht wird Ende dieser oder spätestens Anfang der kommenden Woche der Anklagebehörde zur Verfügung stehen. Unmittelbar danach will die Staatsanwaltschaft noch einmal den Todesschützen befragen, dessen bisherige Schilderung des Tatablaufs eindeutig und in mehreren Punkten den Feststellungen der Sachverständigen widerspricht.
Wie Schober durchblicken ließ, sollte es nach der neuerlichen Vernehmung des Polizisten nicht mehr lange dauern, bis die zuständige Staatsanwältin ihren Vorhabensbericht fertiggestellt haben wird, in dem sie entweder die Einstellung des gegen die Beamten gerichteten Verfahrens oder eine Anklageerhebung vorschlagen muss. In letzterem Fall würde der Vorhabensbericht bereits den konkreten Entwurf des Strafantrags beinhalten, der dann von der Oberstaatsanwaltschaft Wien zu prüfen und letztlich vom Justizministerium zu genehmigen wäre.
Dieses Genehmigungsverfahren nimmt besonders in heiklen Fällen einige Zeit in Anspruch, was vor allem an der zuständigen Abteilung im Ministerium liegen dürfte. So haben einige medienträchtige Verfahren längst die Oberstaatsanwaltschaft passiert und harren nun teilweise seit mehreren Monaten im Justizministerium der Erledigung.
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