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Sprache ist der Schlüssel zur Integration

"Es gibt Leute, die nicht sehen wollen, dass Unterschiede auch eine Bereicherung für die Gesellschaft sein können".
"Es gibt Leute, die nicht sehen wollen, dass Unterschiede auch eine Bereicherung für die Gesellschaft sein können". ©privat

Lustenau. Für Christine Vetter vom Lustenauer Integrationsausschuss ist eine aktive Beteiligung der Menschen mit Migrationshintergrund am gesellschaftlichen Leben nur durch bessere Bildungschancen möglich.

Was bedeutet Integration für Sie?

Vetter: Integration meint das Herstellen eines Ganzen und darunter versteht jeder etwas anderes. Ich verwende statt Integration lieber das Wort Zusammenleben, ein Begriff, der allen geläufig ist. Denn letztlich will ja jeder mit seinem Nachbarn / Mitschüler / Mitarbeiter möglichst gut auskommen.

Worauf beruhen die Probleme der Migranten in Lustenau?

Vetter: Das Gastarbeitermodell ging von einem Kommen und Gehen aus. Aus dem Gehen ist ein Bleiben geworden. Das haben beide Seiten zu spät wahrgenommen. Ein Bleiben verlangt von beiden Seiten mehr Einsatz. Hier gilt es, die Versäumnisse der letzten vierzig Jahre aufzuholen. Wir stehen besonders in den Bereichen Bildung und Wohnen vor Herausforderungen.

Muss man hier nicht gezielt die deutsche Sprache fördern?

Vetter: Ja. Das ist ganz sicher die wichtigste Voraussetzung für eine bessere Bildung und ein gelingendes Zusammenleben. Dieselbe Sprache zu sprechen, erleichtert in der Tat sehr vieles. Durch gezielte Frühförderung im Kindergarten erreichen wir in Lustenau 99,4 % der vier- bis sechsjährigen Kinder. Auch die Kurse für Frauen sind ausgebucht. Wir machen die Erfahrung, dass die Angebote auch angenommen werden. Gleichzeitig ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass eine gut entwickelte Muttersprache die beste Basis für das Erlernen einer Zweitsprache ist und dass deswegen auch die Förderung der Muttersprache notwendig ist. Hier leistet die Bibliothek einen wichtigen Beitrag.

Gibt es konkrete Pläne auf die schwierige Bildungs- und Ausbildungssituation junger Migranten?

Vetter: Aus meiner Arbeit beim IfS sind mir die schwierigen Situationen bestens bekannt. Die Benachteiligung von migrantischen Jugendlichen nimmt ihren Anfang oft in der noch fehlenden Sprachkompetenz und zieht sich durch bis ans Ende der Schulzeit. Schlechte oder fehlende Abschlusszeugnisse weisen den Weg in die Arbeitslosigkeit. Wir leben im Moment in der paradoxen Situation, dass wir hohe Arbeitslosenzahlen haben und gleichzeitig gegen einen steigenden Facharbeitermangel kämpfen müssen. Die gezielte Frühförderung ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Bildungskarriere.

Beeinträchtigen Bildungsprobleme das soziale Umfeld?

Vetter: Wenn Jugendliche keine Perspektiven und Tagesstruktur haben, ist das ein Nährboden für soziale Probleme. Das gilt für alle Jugendlichen. Die PISA-Studie zeigt, dass etwa 15 Prozent der österreichischen Jugendlichen zu wenige Kompetenzen für eine qualifizierte Ausbildung mitbringen. Da gibt es keine kurzfristigen Lösungen.

Welche positiven Beiträge können Migranten auf kommunaler Ebene leisten?

Vetter: Ein sehr gutes Beispiel aus unserer Gemeinde ist das Projekt “Bewegung – Begegnung” von Tierra Madura, das sich im Herbst mit dem Thema Migration und Alter beschäftigen wird. Nur selten wird davon gesprochen, dass es in allen Lustenauer Schulen sehr gute Schüler mit Migrationshintergrund gibt, die zwei Sprachen sprechen – das ist auch eine ökonomische Ressource. Auch in Vereinen, vor allem Sportvereinen gibt es zahlreiche migrantische Mitglieder.

Wo steht Lustenau derzeit in Sachen Integration?

Vetter: In der letzten Legislaturperiode wurde in einem gemeinsamen Prozess mit Zugewanderten, Einheimischen und Gemeindepolitikern eine Auflistung von Aufgabenfeldern im Bereich Zusammenleben erstellt. Herausgekommen ist eine Sammlung mit jeder Menge Ideen und Maßnahmen, die teilweise sehr einfach und kurzfristig umzusetzen wären – neben anderen, die strukturelle Veränderungen mit sich bringen, wie die Berücksichtigung von Migranten in der Gemeindeverwaltung. Ich hoffe stark, dass alle Vertreter den Sommer nutzen, um sich die umfangreiche Sammlung anzuschauen, so dass es im Herbst mit einem Jahr Verzug zu einem Beschluss und einer Umsetzung kommen kann.

Zur Person: Christine Vetter 
Wohnort: Lustenau
Familie: Partnerschaft, zwei Kinder
Beruf: Integrationsberaterin für Menschen mit Behinderung beim IfS
Lebensmotto: Wer etwas will, findet Wege, wer etwas nicht will, findet Ausreden.

Text: Bernhard Tost

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