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SPÖ "durchschaut" die ÖVP

Schwarzach - Bundeskanzler Alfred Gusenbauer sprach im "VN"-Interview über die SPÖ und seine Zukunft. Seiner Meinung nach versucht die ÖVP die SPÖ ins Lager der FPÖ zu drängen, um Schwarz-Blau zu legitimieren.

VN: Die SPÖ vollzog in ihrer EU-Politik einen totalen Schwenk. Dieser wurde aber nicht im SPÖ-Präsidium besprochen. Verkündet wurde diese neue Haltung in einem Brief an den Herausgeber der Kronen-Zeitung. Damit wurden viele vor den Kopf gestoßen.
Alfred Gusenbauer: In der SPÖ gab es schon länger eine Diskussion zu diesem Thema. Zudem wurden die Landesparteivorsitzenden und die Spitzen der SPÖ-Gewerkschaft vor diesem Schritt informiert.

VN: Informiert wurden sie erst an dem Tag des Bekanntwerdens des Briefes.
Alfred Gusenbauer:Sie haben durch ihre öffentlichen Stellungnahmen ihre Zustimmung erklärt. Es ging uns um das Zielpublikum der EU-Skeptiker. Wir haben einen Anteil von 28 Prozent in der Bevölkerung, die sind für die EU. Wir haben ein hartes Drittel, die sind gegen die EU, und dazwischen liegen die Skeptiker. Wir müssen verhindern, dass aus den EU-Skeptikern EU-Gegner werden. Das Problem ist die Tatsache, dass uns die EU-Skeptiker seit geraumer Zeit nicht mehr zuhören. Daher war es notwenig, einen Glaubwürdigkeitsschritt zu setzen, und zu sagen: Wir sind bereit für einen Dialog, und dies ist sehr ernst gemeint. Deshalb sagen wir, ein neuerlicher EU-Vertrag, vergleichbar mit Lissabon, soll am Ende eines Ratifizierungsprozesses durch das Volk beschlossen werden. Es war uns wichtig, dieses Angebot dort zu platzieren, wo wir viele EU-Skeptiker ansprechen können. Dass dies bei den Lesern der Kronen Zeitung ist, liegt auf der Hand. Wir wollten daher diese Botschaft unverfälscht und klar artikulieren. Deshalb auch der Brief an den Herausgeber.

VN: Sie sprechen von Glaubwürdigkeit und sind dabei, diese zu verlieren.
Alfred Gusenbauer: Es ist doch ein wenig scheinheilig zu behaupten, die SPÖ mache eine Politik mit der Kronen-Zeitung. Wir werden in manchen Fragen mit der Kronen Zeitung einer Meinung sein, in anderen nicht. Es hat sich in meiner Meinung zum Lissabon-Vertrag nichts geändert. Wir werden alles tun, damit der Vertrag in Kraft tritt.

VN: Der Brief kommt einem Sündenfall gleich. Ist es Ihnen egal, was etwa ein Franz Vranitzky oder Ferdinand Lacina hierzu sagen?
Alfred Gusenbauer:Ich würde jederzeit die Kritik akzeptieren, wenn die SPÖ ihre Pro-Haltung zur EU geändert hätte. Das ist nicht der Fall. Wir bekennen uns zur EU. Allerdings wollen wir die Distanz zwischen Bürger und der EU überbrücken. Zudem möchte ich daran erinnern, dass sich auch die ÖVP für eine Volksabstimmung ausspricht, wenn es um die Aufnahme der Türkei geht. Zudem hat es schon in vielen Mitgliedsstaaten Volksabstimmungen zu unterschiedlichen EU-Verträgen gegeben.

VN: Die Koalition ist seit dieser Kehrtwende schwer angeschlagen. Es geht nichts mehr. Wir lange muss sich Österreich diese Lähmung noch gefallen lassen?
Alfred Gusenbauer: Für mich ist die Aufregung der ÖVP völlig überzogen. Was also ist die Absicht er ÖVP?

VN: Haben Sie eine Antwort?
Alfred Gusenbauer: Ich erkenne eine klare strategische Absicht der ÖVP. Sie versuchen, die SPÖ ins Lager der EU-Gegner zu rücken. Was nicht stimmt. Dort im Lager der EU-Gegner ist hingegen die FPÖ. So will man sich die FPÖ für die Zeit nach der nächsten Wahl schönreden. Das heißt, die ÖVP versucht die FPÖ auf eine Stufe mit der SPÖ zu stellen. Deshalb sei es dann egal, so die VP-Strategie, wieder mit der FPÖ zu koalieren. Die Empörung der ÖVP ist also eine inszenierte, um eine Neuauflage für Schwarz-Blau vorzubereiten.

VN: Rot-Blau ist ebenso denkbar.<
Alfred Gusenbauer: Nein.

VN: Trotz der Kritik reagieren Sie immer noch gelassen. Denken Sie nicht an Aufgabe?
Alfred Gusenbauer: Aufgeben gehört nicht zu meinem Wortschatz. Ich versuche, das Regierungsprogramm umzusetzen. Ich will meine Verantwortung erfüllen. Davon lasse ich mich nicht abbringen. VN: Am Montag tagt das SPÖ-Präsidium. Rechnen Sie dort mit einem erneuten Versuch, Sie als Kanzler abzulösen?
Alfred Gusenbauer: Wir haben die Trennung zwischen Kanzler und geschäftsführenden Parteichef und das wurde so akzeptiert.

VN: In der kommenden Woche tagt der Nationalrat. Rechnen Sie damit, dass die ÖVP mit der Opposition in Sachen Neuwahl- und Misstrauensantrag stimmt?
Alfred Gusenbauer: Prognosen über das Verhalten der ÖVP sind schwierig.

VN: Ab welchem Zeitpunkt hat für Sie diese Koalition keinen Sinn mehr?
Alfred Gusenbauer:Es muss ein Budget gemacht, es muss die Gesundheitsreform beschlossen werden, es muss eine Steuerreform fixiert werden. Wenn diese wichtigen Fragen nicht gelöst werden, macht diese Koalition keinen Sinn mehr.

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