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"Sogar Pfarrer waren bei mir"

Julia arbeitete jahrelang als Pros­tituierte und hat nun ein Buch geschrieben.
Julia arbeitete jahrelang als Pros­tituierte und hat nun ein Buch geschrieben. ©AP/Symbolbild
Feldkirch - Julia Hale (28) aus Feldkirch arbeitete seit ihrem 18. Lebensjahr als Prostituierte und hat diese Erinnerungen nun in eBook-Form veröffentlicht. W&W sprach mit ihr über ihre Vergangenheit im Rotlicht und die Situation heute.

WANN & WO: Wie bist du ins horizontale Gewerbe gekommen?

Julia: Ich habe neben einem Bordell gewohnt, damit kam die Neugier. Als das Geld knapp wurde, war es eine schnelle, aber auch leichte Entscheidung. Das war damals in Wien so ein typisches Puff, in dem man vorher mit dem Gast Alkohol trinkt. Für die Chefin dort war ich natürlich als 18-jährige Neueinsteigerin der Jackpot.

WANN & WO: Was war deine Motivation?

Julia: Dieselbe wie in jedem anderen Job auch: Geld! Jeder arbeitet für Geld. Mir haben damals die Perspektiven gefehlt, ich fand keinen Job. Das geht übrigens, wie ich weiß, gerade vielen Studenten so. Viele der heutigen Anwältinnen haben in ihrer Studienzeit dieselben Erfahrungen wie ich gesammelt. Da spricht nur keine darüber.

WANN & WO: Wie war es mit deinem ersten Gast?

Julia: Tatsächlich sehr einfach. Er stand neben mir an der Bar, war mir sehr sympathisch, gutaussehend und ich konnte mich super mit ihm unterhalten. Die Chefin initiierte dann, dass wir doch eine halbe Stunde aufs Zimmer gehen sollen. Er übernahm dann die Führungen.

WANN & WO: Warst du nur in Etablissements oder auch selbstständig?

Julia: Zwischendurch war ich mal selbstständig. Aber nicht lange, da es in Studios weniger gefährlich ist.

WANN & WO: Wer kam als Kunde zu dir?

Julia: Alle möglichen Altersklassen von 18 aufwärts. Der älteste Gast war 92 Jahre alt! Und vom Anwalt über den großen Firmenchef bis zum kleinen Bauern, sogar Pfarrer waren dabei. Es waren auch drei Promis darunter – zwei, die österreichweit bekannt sind, einer international.

WANN & WO: Was waren deiner Erfahrung nach die absonderlichsten Wünsche der Herren?

Julia: Da tun sich teilweise Abgründe auf. Kotzservice ist das beste Beispiel: Ein Mann kam zu uns, bildhübsch, und wollte unbedingt, von den Frauen bepinkelt werden. Danach sollten wir uns auf ihn übergeben. Da stieg ich aus. Aber auch „Kaviar“, diverse abartige Rollenspiele etc. werden gewünscht. Wirklich hart wird es dann, wenn einer zu dir sagt, du sollst ihn „Papa“ nennen. Ein etwa 70-Jähriger sagte zu mir, dass ich – mit 18 – zu alt für ihn wäre und ging wieder. Übel war auch, als wir zu einem Hausbesuch nach Dornbirn bestellt worden sind: Die Kinder des „braven“ Vaters befanden sich im Nebenzimmer, während er sich vergnügte. Aber da habe ich dankend abgelehnt. Generell ist der Großteil der Gäste verheiratet, Hausbesuche im Ehebett sind keine Ausnahme.

WANN & WO: Wie sieht es beim Thema ungeschützer Sex aus?

Julia: Angebote gibt es öfter. Ein Kunde legte mir 1000 Franken bar auf den Tisch und fragte mich, ob ich den Gummi weglasse. Aber keine Chance. Die aktuellen Tendenzen im Gewerbe finde ich sehr problematisch: Stichworte „Küssen“ und „Französisch natur“. Viele wissen gar nicht, was man sich dabei holen kann. Aber mittlerweile gehört das fast schon dazu.

WANN & WO: Hast du eine besonders positive Erinnerung an die Zeit?

Julia: Ja, definitiv! Einige sehr gute Freundschaften hab ich mitgenommen. Aber es gab viele lustige und schöne Momente, es ist schwierig, da einen zu benennen.

WANN & WO: Deine wichtigste Lektion, die du in dieser Zeit für dich gelernt hast?

Julia: Lügen macht auf Dauer keinen Spaß und die meisten Menschen sind nicht die, die sie vorgeben zu sein.

WANN & WO: Wie war dein Ausstieg aus der Branche?

Julia: Ich habe beschlossen, wieder einen „normalen“ Beruf auszuüben und ganz einfach gewechselt, als ich diesen auch gefunden habe.

WANN & WO: Weiß dein Umfeld von deiner Vergangenheit?

Julia: Nur meine besten Freunde wissen Bescheid!

WANN & WO: Wie beurteilst du die Situation Prostitution im Ländle?

Julia: Sehr schlecht, man sollte es legal machen, das nimmt dem Gewerbe die Kriminalität. In der Schweiz sind die Frauen ganz normal gemeldet, zahlen Steuern usw. Somit ist es auch kein Problem, dass man in einer blöden Situation die Polizei rufen kann. Hier in Vorarlberg ist das nicht möglich, denn man zeigt sich damit ja selbst an und kriegt die höhere Strafe als der „Täter“. Drei Typen sind einmal über eine Freundin aus Vorarlberg hergefallen – zur Polizei konnte sie nicht gehen. Vor allem die Geldstrafe fürchten die meisten. Fakt ist, dass es Prostitution im Ländle gibt. Nebenbei ist es doch schade, dass die eigenen Landsleute das viele Geld in der Schweiz ausgeben. Zum Nachteil für Vorarlberg.

WANN & WO: Warum hast du das Buch geschrieben?

Julia: Weil ich die Reportagen darüber leid bin und generell die Berichterstattung. Aber vor allem, weil sich in Vorarlberg jeder gegen ein Puff äußert und es abwertet, aber in der Schweiz mehr als 50 Prozent der Stammgäste Vorarlberger sind! Einige Bekannte davon grinsen mir öfters aus dem W&W entgegen.

WANN & WO: Wie ist das Feedback auf das Buch bisher?

Julia: Alles in allem gut. Aber ich glaube, dass viele auch schockiert sind. Dass ich das Buch unter einem Pseudonym veröffentlich habe, ist zum Schutz meiner Nächsten. Und zu meinem. In der Gesellschaft in Vorarlberg wirst du angesehen wie das Allerletzte, wenn du als Prostituierte gearbeitet hast. Obwohl das eigentlich ein normaler Job ist.

“Einmal Puff und zurück”

Das zweite Buch der Vorarlberger Autorin ist Anfang Februar bei Amazon als eBook erschienen. Darin erzählt sie über ihre teils schockierenden Erfahrungen im Gewerbe – vom Einstieg bis hin zu ihrem „Ruhestand“. Preis: 4,99 Euro bei amazon.at.

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