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So krank sind die Wiener

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Die größte regionale Mess-Aktion von Gesundheitswerten, die es in Österreich je gegeben hat, ist mit einer hohen Beteiligung der Bevölkerung planmäßig nach zwei Monaten zu Ende gegangen.

Von 20. März bis 20. Mai haben 55.000 Personen im Rahmen der Aktion “10 Minuten für meine Gesundheit“ fünf Gesundheitswerte in den Apotheken in Wien und Niederösterreich überprüfen lassen. In den beiden Monaten haben die Apotheken Gewicht, Blutdruck, Bauchumfang, Cholesterin und Blutzucker unbürokratisch, anonym und kostenlos gemessen. Die Aktion, die bei der Bevölkerung großen Anklang gefunden hat, hat allerdings auch alarmierende Ergebnisse zum Vorschein gebracht.

Die Ergebnisse der Gesundheitschecks sollten sowohl Betroffene als auch die österreichische Gesundheitspolitik nachdenklich stimmen. Bei mehr als der Hälfte der Teilnehmer liegen die Gesundheits-Werte im Risikobereich. Die Apotheker haben in diesen Fällen umgehend reagiert und 55 Prozent der Teilnehmer, also 29.700 Personen, direkt an einen Arzt verwiesen. Die Menschen in Ostösterreich weisen damit schlechtere Gesundheitswerte auf als im Westen: Aus vergleichbaren Untersuchungen, die bereits in den Bundesländern Salzburg und Tirol durchgeführt wurden, geht hervor, dass die Österreicher im Westen deutlich gesünder sind. So hat etwa ein männlicher Teilnehmer aus Wien/NÖ einen mittleren Bauchumfang von 101 cm, während ein Salzburger mit 98 cm doch weniger Bauchumfang hat. Bei Frauen zeigt sich ein ähnliches Bild: 92 cm beträgt der mittlere Bauchumfang einer Wienerin oder Niederösterreicherin, während der mittlere Bauchumfang einer Salzburgerin bei 88 cm liegt.

Ergebnisse zu Blutdruck und Cholesterin
Mehr als ein Drittel der untersuchten Personen in Wien und Niederösterreich leidet an Bluthochdruck, die Hälfte davon hatte bis zum Zeitpunkt der Messung keine Ahnung davon. Fast jeder zweite, konkret 46 Prozent, weist zu hohe Cholesterinwerte auf.

Zu fett: Achtung Lebensgefahr!
Fettkrankheit ist hierzulande die Todesursache Nummer eins und sie scheint sich wie eine Epidemie auszubreiten. Das Ergebnis der Aktion “10 Minuten für meine Gesundheit“ zeigt, dass bereits jeder zweite Wiener bzw. Niederösterreicher krankhaft fettleibig ist (Bauchumfang Messung: Werte bei Männern ab 100 cm, bei Frauen ab 90 cm). Nur jede sechste Person weist Idealwerte (Männer unter 90 cm, Frauen unter 80 cm) auf. Wer fettleibig ist, hat ein hohes Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. „Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie sehr sie sich durch ihren ungesunden Lebensstil selbst krank machen“, so die beiden Apothekerpräsidenten Burggasser und Luks. „Wer seine Gesundheitswerte kennt, kann sein persönliches Gesundheitsrisiko besser einschätzen und reagieren.“

Diabetes: Rund 1.000 Personen frisch entdeckt
Zuckerkrankheit wird in der Regel zu spät erkannt. In 90 Prozent der Fälle liegen bei Entdeckung der Krankheit bereits schwere Gefäßschäden vor. Im Zuge der Aktion “10 Minuten für meine Gesundheit“ wurde bei insgesamt 8.800 Teilnehmern (16 Prozent) Diabetes oder Diabetesgefährdung festgestellt, wobei die Hälfte nichts von ihrem Risiko wusste. Von den gefährdeten Personen wurde bei rund 1.000 manifester Diabetes sogar frisch entdeckt (Werte ab 200 mg/dl). Diese Personen haben erstmals ein Vorsorge-Angebot in Anspruch genommen. Ein Arztbesuch wurde in diesen Fällen von den Apothekern dringend angeraten.

Rund ein Drittel der Teilnehmer männlich
„Das Vorurteil, dass Männer Vorsorge-Muffel sind, können wir nicht bestätigen“, freut sich Burggasser. Es ist als durchaus positives Zeichen zu werten, dass rund 25.000 Personen, also fast die Hälfte der Teilnehmer, im berufsfähigen Alter ist. Jeder zweite Untersuchte war unter 60 Jahre alt. Immerhin 7 Prozent waren sogar unter 30 Jahre. „Diese Daten zeigen, dass sich sowohl Männer als auch jüngere Personen für ihre Gesundheit und für Vorsorge interessieren. Mit unserem Gesundheits-Check haben wir offenbar eine Marktlücke getroffen“, so Luks.

Jugendliche: Dickes Ende naht
An der Aktion “10 Minuten für meine Gesundheit“ haben auch 1.210 Jugendliche teilgenommen. Offenbar ernährt sich ein Großteil unserer Kinder falsch und startet bereits mit Übergewicht ins Erwachsenenleben. In allen Altersgruppen hat sich ein dramatischer Anstieg viszeraler Fettleibigkeit (Bauchfett) gezeigt. Jedes dritte Kind hat ein Gewichtsproblem (13 % Übergewicht, 13 % Adipositas, 4 % extreme Adipositas, 4 % Untergewicht). Jedes vierte Mädchen überschreitet bereits mit 12 Jahren den unteren Risikobereich einer erwachsenen Frau. Jeder vierte Bub überschreitet mit 15 Jahren den unteren Risikobereich eines erwachsenen Mannes. Sinzinger: „Besonders auffällig an der Studie ist die extreme viszerale Gefährdung Jugendlicher. Wir haben in Österreich beinahe amerikanische Verhältnisse erreicht. Unsere Kinder sind fettleibig und blicken auf ein Leben, das von Krankheiten geprägt sein wird. Hier besteht akuter Handlungsbedarf.“ Für die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), die diese Aktion finanziell unterstützt hat, ist dieses Ergebnis ein Grund zu handeln. WGKK-Obmann Franz Bittner: „Kommendes Schuljahr werden wir eine umfangreiche Gesundheitsförderungsaktion zu gesunder Ernährung und Bewegung an Wiener Schulen durchführen. Die Gesundheit der Kinder muss gezielt verbessert werden.“

Wien versus Niederösterreich
Die Beteiligung an der Aktion “10 Minuten für meine Gesundheit“ wurde von den Wienerinnen und Wienern gleichermaßen angenommen wie von den Niederöster- reicherinnen und Niederösterreichern. Gesundheitlich gesehen gibt es allerdings Spezifikationen der jeweiligen Bundesländer. So rauchen etwa in Wien 19,1 Prozent der bei der Aktion Befragten, während in Niederösterreich 14,4 und österreichweit „nur“ 13,6 Prozent vom Glimmstängel nicht lassen.

Doch was dem Wiener seine Zigarette ist scheinen für den Niederösterreicher kulinarische Freuden zu sein. Der mittlere Blutzucker der Niederösterreicher liegt mit 107,6 deutlich über dem Wert der Wiener (104,5).

Das Krankheitsprofil der Wiener

  • Die gesündesten Wiener leben in den Bezirken Hietzing (13) und Mariahilf (6), gefolgt von Josefstadt (8), Liesing (23) und Neubau (7).
  • Das höchste Gesundheitsrisiko weisen Wiener aus den Bezirken Brigittenau (20), Fünfhaus (15), Margarethen (5), Meidling (12) und Penzing (14) auf.
  • Die meisten Raucher wohnen in Simmering (11), Margarethen (5) und Hernals (17). In diesen Bezirken beträgt die Raucherquote über 25 Prozent.
  • Am wenigsten wird in Hietzing geraucht, wo die Quote unter 14 Prozent liegt.
  • Der Bauchumfang bei Männern ist konstant in allen Wiener Bezirken zu hoch.
  • Cholesterin: Alsergrund (9) hat die besten Werte, Frauen belegen in den Nobelbezirken (1, 13, 18, 19) die hohen Plätze.
  • Blutzucker: Alsergrund (9) liegt im Idealbereich, gefolgt von Josefstadt (8). Die höchsten Blutzucker-Werte weist Brigittenau (20) auf.

    Dazu WGKK-Obmann Bittner: „In den sogenannten ’Arbeiterbezirken’ sind die Gesundheitschancen noch immer geringer als in den ’Nobelbezirken’. Gerade deshalb ist es wichtig, einen besonders niederschwelligen Zugang zur Gesundheitsvorsorge zu schaffen. Ich will daher in den ’gesundheitlichen Problembezirken’ noch heuer gezielte Maßnahmen zur besseren Inanspruchnahme der kostenlosen neuen Vorsorgeuntersuchung setzen. Die Aktion der Apotheken ist dabei sehr nützlich.“

    Das Krankheitsprofil der Niederösterreicher

  • Die gesündesten Niederösterreicher leben in Lilienfeld und Hollabrunn.

  • Am risikoreichsten lebt man in Horn, Neunkirchen, Waidhofen/Th, Zwettl und Scheibbs. In diesen Gemeinden hat die Bevölkerung DURCHSCHNITTLICH 3 Risikofaktoren.
  • Die „niedrigsten“ BMI Werte für Frauen und Männer finden sich in Baden (25), die schlechtesten in Zwettl und Mistelbach (27,9). Der Bauchumfang ist bei Männern bis auf Gmünd im höchsten jemals gemessenen Mittelwert von 104 cm. Die Frauen sind bis auf Zwettl (95 cm) im Grenzbereich von 90 cm.
  • Die wenigsten männlichen Raucher finden sich in Waidhofen und markieren den Österreichrekord von 7 Prozent. Am meisten geraucht wird in Melk und Gmünd (18 Prozent), das ist immer noch deutlich weniger als in Wien.
  • Der reichste Bezirk von NÖ (Mödling) hat die höchsten Cholesterinmittelwerte (211) gefolgt von Neunkirchen, Gänserndorf und Amstetten. Gmünd und Hollabrunn liegen mit dem Cholesterin nahe dem Idealbereich.
  • Bluthochdruck: Waidhofen, Scheibbs, Horn und Krems-Stadt liegen im Mittel im deutlich hypertonen Bereich (146/89!). In Lilienfeld und Baden werden die tiefsten Mittelwerte gefunden (136/81). – Blutzucker: Die höchste Diabetesgefahr besteht in Scheibbs und Horn, die geringste in Waidhofen/T und Korneuburg.

    Österreichs Apotheken auf einen Blick
    In Österreich gibt es 1.190 öffentliche Apotheken, von denen 296 auf Wien und 204 auf Niederösterreich entfallen. Über 4.800 Apotheker beraten die Bevölkerung in Gesundheitsfragen. Insgesamt arbeiten in Österreichs Apotheken zirka 13.000 Personen, 90 Prozent davon sind Frauen. Mehr als die Hälfte der öffentlichen Apotheken befindet sich am Land und in Kleinstädten, womit die Apotheken eine wichtige Rolle als Gesundheits-Nahversorger erfüllen. Die Aktion “10 Minuten für meine Gesundheit“ wird im Oktober auf ganz Österreich ausgedehnt.

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