Sülo ist zäh. Seine Wünsche legt er auf lange Sicht an. Wer spastisch gelähmt ist, lernt geduldig sein. So zielstrebig wie er seinen elektrischen Rollstuhl lenkt, hat er sein Buchprojekt verfolgt. Allen davon erzählt. Manche das Manuskript lesen lassen. Sülo gab die Hoffnung nicht auf. Weil die meisten ja auch begeistert waren. Sie trugen sein erstes Buch noch in Erinnerung. Mit 27 Jahren hatte sich der körperlich behinderte, aber geistig gesunde junge Mann dem Publikum vorgestellt. Eiserne Beine erschien 1994. Es wurde ein Bombenerfolg. Warum also sollte das zweite Buch scheitern?
Ein Tabu in Buchform
Er hat zehn Jahre daran geschrieben. Zeile um Zeile seinen verkrampften Fingern abgerungen. Und doch erschraken Erstleser regelmäßig. Weil Sülo ein Tabu brach. Er schrieb über Sexualität. Von seinem Recht auf Intimität. Er tat es ungeschminkt. Aber seine Hartnäckigkeit wurde belohnt. Viele haben dazu beigetragen: Doris Rinke, Marcel Mayer, Peter Melichar, Annette Raschner und andere. Sie haben sich nicht abschrecken lassen, wenn Sülos Beine außer Kontrolle gerieten. Sie haben gelernt, genau hinzuhören, wenn er sich nur schwer artikulieren konnte. Denn Sülo weiß um seine Außenwirkung: Wenn ich anderen etwas sage, dann verstehen sie mich nicht, tun aber so, als ob sie mich verstünden. Dann sagt er es ein zweites Mal, und sie sind überrascht, dass ich sie durchschaut habe. Er durchschaut tatsächlich viel. So reicht das Spektrum seines zweiten Buchs von sehr persönlichen Schilderungen seiner Bedürfnisse über die Zusammenfassung der rechtlichen Situation bis zu handfesten Tipps der Marke: Wie macht man Rollifahrerinnen an? Es liest sich gut. Sülo hat Sprachtalent. Sein Wortwitz baut Brücken über die Distanz allzu großer Intimität. So gelingt es ihm, selbst den Tod mit einzubinden. Man sollte, findet Sülo, auf der Erde so leben, dass man in Ruhe sterben kann, zufrieden, solidarisch mit anderen und respektvoll. Sein Name hat übrigens eine Bedeutung: Süleyman lässt sich als der Friedfertige übersetzen, das türkische Wort Kurt bedeutet Wolf. Ein berührendes Buch hat er da geschrieben, der friedfertige Wolf aus Hard.
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