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Sind "Lucky Girls" glücklicher?

TikTok-Trend "Lucky-Girl-Syndrom": Gemeint ist damit das "Manifestieren" von Glück und Erfolg. Das soll einem zum gewünschten Leben verhelfen.

Steffanie Kosmala ist ausgebildete Coachin und Naturheiltherapeutin. In ihrer Praxis in Dornbirn erzählt sie, dass ihr Berufszweig oft missverstanden wird. Ihre Heilmethoden schließen die Schulmedizin nicht aus, sie arbeitet sogar eng mit PsychologInnen zusammen. Ihre Aufgabe ist es lediglich, die PatientInnen auf ihrem Weg unterstützend zu begleiten.

Es sei sehr wichtig, notwendige medizinische Therapien bei Bedarf anzunehmen, so Kosmalla. Auf die Frage, was sie über das "Lucky-Girl-Syndrom" denkt, meint sie, es sei eine gute Sache. Eine positive Ausrichtung sei ein guter Anfang zu einem glücklicheren Selbst.

Social Media als Auslöser

Für mögliche Ursachen für diesen Glückswahn nennt sie Situationen, in denen sich Jugendliche womöglich schutzlos fühlen und diese Manifestationen als Anker betrachten. Die häufigsten Probleme seien die mit der Schule oder den Eltern. Zusätzlich habe Social Media den Drang verstärkt, ein "perfektes" Leben führen zu müssen.

Sie warnt vor solchen Idealvorstellungen: „Es steckt viel Schein hinter der vermeintlich glamourösen Promiwelt, lasst euch nicht täuschen“, warnt Steffanie. Sie ist der Meinung, man müsse das gesamte Schulsystem reformieren, da es nicht mehr auf die aktuellen Bedürfnisse von Schüler Innen angepasst ist. Viel mehr Fokus solle man auf Fächer legen, die jedes Kind individuell fördern. Auch der hohe Leistungsdruck sei ein Thema, was wiederum zu Konkurrenzkämpfen zwischen den SchülerInnen führen würde.

Ist der Trend effektiv?

Auf diese Frage antwortet Steffanie Kosmalla gelassen: „Auf jeden Fall, wenn man positiv ausgerichtet ist, dann ist das ein guter Anfang, um gesunde Routine in den Alltag zu bringen.“ Vor allem sei es das Bewusstsein, welches gefördert werden würde. „Wenn man sich Glück und Zufriedenheit in das Leben manifestiert, ist es immer mit einer Idealvorstellung verbunden.

Somit beschäftigen sich die Mädchen und Burschen mit Themenbereichen in ihrem Leben viel intensiver. Das hilft ihnen dabei herauszufinden, wo sie genau sein möchten und wo ihr Fokus liegt.“ Es spiele aber keine große Rolle, ob sich diese Idealvorstellungen mit der Zeit verändern, das sei normal. Auf die Aussage besorgter ExpertInnen, die behaupten, dass dieser Trend toxische Auswirkungen hat, reagiert sie überrascht. Für sie kann alles toxisch werden, wenn man falsch damit umgeht.

Ängste akzeptieren und lösen

Solange man bei diesen positiven Affirmationen die negativen Gedanken nicht komplett verdrängt, sei es kein Problem. Ganz im Gegenteil: Es sei gut, eine positive Ausstrahlung zu haben. Ihre Zukunftsprognose ist die Sorge, dass Jugendliche Bindungsstörungen entwickeln könnten, wenn nicht früher gehandelt wird. Schon Bewusstseinsübungen seien eine hilfreiche Selbsthilfemethode. Man müsse sich laut Kosmalla erden und mit der Erde verbinden, um Ängste zu lösen.

Foto: privat

„Glaube fest daran“
Ich glaube ans Manifestieren. Wenn ich jeden Tag vor dem Spiegel stehe und mir denke: „Ich bin nicht gut genug“, werde ich irgendwann anfangen, es zu glauben. Genauso funktioniert es aber auch mit positiven Gedanken. Wenn ich es schaffe, diese positive Energie zu bündeln und fest an das glaube, was ich gerne hätte, dann funktioniert das.“ Elisabeth, 18Jahre

Foto: privat

„Nur ein Trend“
„Ich habe einige Videos darüber auf TikTok gesehen. Ich persönlich finde den Trend etwas unsinnig, vor allem wenn es darum geht, seinen Crush zu manifestieren. Trotzdem bin ich der Meinung, dass man es durchaus probieren kann, da es einem Hoffnung gibt, bestimmte Dinge zu erreichen. Positives Denken schadet nie. Mira, 15 Jahre

Foto: privat

„Spaß unter Freunden“
„Meine Freundinnen und ich probieren solche Dinge ständig aus. Ich kenne diesen Trend etwas länger und seit dem manifestieren wir verschiedene Dinge wie zum Beispiel Klamotten oder Schminke. Es hat auch tatsächlich schon öfter geklappt.“ Sabina, 13 Jahre

3 Fragen an Bertram Strolz, Pädagoge und Psychotherapeut

Foto: Christoph Schöch Photography GmbH

Denken Sie, dass man allein durch positives Denken Glück anziehen kann? Positives Denken allein genügt nie. Ein glückliches und gelingendes Leben beruht auf einem guten Umgang mit sich selbst und vor allem auf Empathie zu anderen Menschen. Hilfsbereitschaft, Dankbarkeit und nährende Beziehungen führen zum eigentlichen Glück.

Weshalb sind Mädchen eher von solchen Phänomenen betroffen?
Das liegt nicht an den Mädchen, sondern an diesem unseligen gesellschaftlich implementierten Streben nach Schönheitsidealen, unterlegt mit Emotionen wie Neid und Missgunst. Es ist eine fatal Machomänner dominierte Sicht der Welt, die diese Oberflächlichkeiten fördert. An diesem Punkt gilt es anzusetzen.

Wann kann positives Denken toxisch werden?
Es ist in allem so, dass die Dosis das Gift macht. Positivität gibt es nur, wenn wir auch das Negative, die Schwierigkeiten und Probleme als Teil des Lebens betrachten. Wenn es dann wieder gut ist, wenn ich etwas geschafft habe, wenn wir Leid und Frustration überwunden haben, dann entsteht Zufriedenheit. Das Streben nach „nur“ Glück beruht auf Verdrängung und wirkt toxisch.

Foto: Shutterstock

„Toxic Positivity“: Kann positives Denken gefährlich sein?

Unter „Toxischer Positivität“ versteht man den Druck, alles nur positiv sehen und sich permanent glücklich fühlen zu müssen. ExpertInnen warnen vor diesem Phänomen. Es sei wichtig, negative Gedanken nicht komplett zu unterdrücken. Betroffene verspüren den Zwang, nur noch ein positives Gedankengut zu verspüren, was schlussendlich zu Frustration führen kann. Es sei nichts dagegen einzuwenden, wenn man eine allgemein glückliche Einstellung hat, man solle nur keine Angst davor haben, sich auch einmal nicht gut zu fühlen. Die ifs Kin­der- und Jugend­be­ra­tung bie­tet psy­cho­lo­gi­sche Bera­tung und Behand­lung für junge Men­schen. Es gibt in ganz Vorarlberg ifs Beratungsstellen.

Infos: www.ifs.at/kontaktadressen.html

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