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"Shared Space" statt Schilderwald

Statt Zebrastreifen in der Rathausstraße und am Kornmarkt ein gleichberechtigtes Nebeneinander aller Verkehrsteilnehmer.
Statt Zebrastreifen in der Rathausstraße und am Kornmarkt ein gleichberechtigtes Nebeneinander aller Verkehrsteilnehmer. ©Franz Steiner

Weniger Markierungen, Verkehrszeichen und Ampeln zur Vermeidung von Unfällen.

BREGENZ. Gleinstätten in der Steiermark hat in der vergangenen Woche als erste österreichische Gemeinde den Schritt gewagt und Verkehrszeichen, Signalanlagen und Fahrbahnmarkierungen aus dem Ortsbild verbannt und das, obwohl auf der Durchzugsstraße täglich bis zu 6500 Autos, davon ein Drittel Schwerlastwagen, die Ortschaft passieren. Und die ersten Messungen der Polizei bestätigten, was die Fachleute vorhergesagt haben: Autofahrer gehen vom Gas, wenn sie in die ungewohnt gestaltete Ortsdurchfahrt einfahren.

Unfälle rückläufig

“Generell ist ein Rückgang der Unfälle, vor allem schwerer Unfälle, festzustellen. Und trotz geringerem Tempo kommen auch Autos schneller vorwärts. Shared Space regelt sich also selbst”, meint Verkehrspädagoge Fritz Menzl. “Das System hat aber auch Grenzen. Verkehrsflächen für höhere Geschwindigkeiten sind dazu ungeeignet. Es funktioniert nur, wenn die Geschwindigkeiten Blickkontakt zulassen.” Römerstraße und Rheinstraße würden sich also für Shared Space weniger eignen. Die Neugestaltung des Kornmarktquartiers wäre aber eine Chance, die Ideen des niederländischen Verkehrsplaners Hans Mondermann auch in Bregenz umzusetzen. Eine Idee, die sich bereits in Städten in den Niederlanden, Belgien, Dänemark, Deutschland, England und der Schweiz durchgesetzt hat.

Unterstützung der EU

“Den realisierten Beispielen in den Niederlanden ist ein starker Rückgang des Verkehrsunfallgeschehens gemein, und dies bei zum Teil erheblichen Verkehrsstärken. Die Europäische Union unterstützt die Verbreitung und Umsetzung der Shared-Space-Ideen”, heißt es dazu in einer Studie des Österreichischen Verkehrssicherheitsfonds des Bundesministeriums für Verkehr. Als nächstes sollen in Graz Shared-Space-Zonen eingeführt werden. Baudirektor in Graz ist Bertram Werle, der zuvor im Bregenzer Bauamt für Verkehrsfragen zuständig war.

Seestadt und Kornmarkt

Sein Nachfolger in Bregenz, Clemens Gössler, bestätigt, dass konkrete Überlegungen angestellt werden: “Innenstadtbereiche, wie das Viertel rund um den Kornmarkt, aber auch die Seestadt würden sich für die Umsetzung derartiger Projekte empfehlen. In abgespeckter Form gibt es das Nebeneinander von Fahrzeugen und Fußgängern bereits in der Montfortstraße.” Dort funktioniert das Miteinander nach Beobachtungen der Polizei sehr gut – einziger Gefahrenbereich ist der Zebrastreifen in der Verlängerung der Weiherstraße. “Wir diskutieren seit geraumer Zeit Shared-Space-Konzepte und haben auch bereits eine Exkursion nach Köniz bei Bern durchgeführt, wo ein solches Projekt sehr erfolgreich umgesetzt worden ist – so, wie auch in anderen Orten in der Umgebung von Bern (“Berner Modell”). Die positiven Auswirkungen vor allem für Fußgänger sind unbestritten – und der Autoverkehr wird nicht mehr gebremst als durch Ampeln. Kurz gesagt: Die Barrierewirkung einer Straße würde geringer, und das ist natürlich interessant für Bregenz, das von mehreren tiefen Straßenschneisen durchzogen wird”, meint Vizebürgermeister Gernot Kiermayr, der gerne eine steirische Ausstellung über Shared-Space-Projekte nach Bregenz bringen würde – “das würde die Diskussion noch intensivieren”.

Breite Zustimmung

Auch die SPÖ Bregenz findet, dass eine “Entrümpelung” von Verkehrszeichen und Bodenmarkierungen dringend notwendig wäre. “Bestes Beispiel sind Kornmarkt und Rathausstraße mit den zahlreichen Zebrastreifen, oder die Brielgasse mit einem Gewirr an Bodenmarkierungen, die mehr Unsicherheit als Sicherheit schaffen”, meint Stadtrat Klaus Kübler. Er könnte sich Shared Space in allen 30 km/h-Zonen der Stadt vorstellen. Mit den angedachten Verkehrskonzepten könnte die Stadt Bregenz nicht nur das Leid, das schwere Unfälle jedes Jahr verursachen, weitestgehend verhindern, sondern darüber hinaus noch pro Jahr rund 25.000 Euro für die Erneuerung von Markierungen und Verkehrszeichen einsparen.

Shared Space

Shared Space bedeutet, dass alle Verkehrsteilnehmer – also Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer – gleichberechtigt sind. Auf Verkehrszeichen, Signalanlagen und Fahrbahnmarkierungen wird verzichtet, die Straßenverkehrsordnung auf Rechtsregel, Vertrauensgrundsatz und angemessene Geschwindigkeit reduziert. Ziel ist es, den Straßenraum multifunktional, lebenswert und sicherer zu gestalten.

Franz Steiner

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