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Sensation in Bregenz: Michael Ritsch ist neuer Bürgermeister

Neuer Bregenzer Bürgermeister Ritsch nahm Revanche für seine Niederlage gegen Markus Linhart im Jahr 2005.
Neuer Bregenzer Bürgermeister Ritsch nahm Revanche für seine Niederlage gegen Markus Linhart im Jahr 2005. ©VOL.AT/Phiipp Steurer
Der 52-jährige SPÖ-Politiker Michael Ritsch wird Bürgermeister der Vorarlberger Landeshauptstadt Bregenz. Er setzte sich am Sonntag in der Bürgermeister-Stichwahl mit 51,67 Prozent der Stimmen gegen den 60-jährigen amtierenden ÖVP-Bürgermeister Markus Linhart durch. 
Jubelstimmung bei Ritsch in Bregenz
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Ritsch wird damit der erste sozialdemokratische Bürgermeister von Bregenz seit 30 Jahren.

Video: So emotional reagiert Ritsch

Herausforderer Ritsch konnte in der Stichwahl 5.460 Stimmen (51,67 Prozent) für sich beanspruchen, der seit 1998 amtierende Bürgermeister Linhart 5.108 (48,33 Prozent) - ein Vorsprung von 352 Stimmen für Ritsch. Die Wahlbeteiligung lag bei 49,85 Prozent - nach 50 Prozent im ersten Wahlgang. Ritsch und Linhart traten bei diesen Gemeindewahlen bereits zum vierten Mal in der Bürgermeister-Direktwahl gegeneinander an, nach 2005 standen sie sich heuer zum zweiten Mal in einer Stichwahl gegenüber.

Video: Das sagt Markus Linhart zur Stichwahl-Niederlage

Ritsch wird nun das dritte sozialdemokratische Stadtoberhaupt von Bregenz, wo von 1970 bis 1990 Bürgermeister der Sozialdemokraten regierten (Fritz Mayer von 1970 bis 1988, Norbert Neururer von 1988 bis 1990) und die Partei zeitweise die absolute Mehrheit innehatte.

Ritsch war diesmal mit 893 Stimmen Rückstand in die Stichwahl gegangen (3.532 zu 4.425 Stimmen; 8,72 Prozentpunkte Unterschied) - weit mehr als vor 15 Jahren, als Ritschs Rückstand im ersten Wahlgang lediglich 317 Stimmen betrug. Linhart behielt damals mit einem Stimmenanteil von 52,56 Prozent die Oberhand.

Ritsch am Ziel seiner Träume

An der Spitze der Vorarlberger Sozialdemokraten waren Michael Ritsch keine wirklichen Erfolge beschieden. Auf Landesebene reihten sich drei enttäuschende Landtagswahlen aneinander, und auch auf Kommunalebene konnte Ritsch nach 2005 nicht mehr reüssieren. Am Sonntag aber wendete sich das politische Schicksal des 52-Jährigen zum Guten. Mit seiner Wahl zum Bürgermeister von Bregenz ging ein lange gehegter Traum in Erfüllung.

Als ausgebildeter Gendarm hatte Ritsch schon früh bei der Gewerkschaft angeheuert, mit nur 22 Jahren wurde er Stadtvertreter in seiner Heimatstadt. Fünf Jahre später stieg Ritsch in den Bregenzer Stadtrat auf, 2004 wurde er in den Landtag gewählt. Seine erste politische Sternstunde schlug 2005 bei den Vorarlberger Gemeindevertretungswahlen. Zwar unterlag er in der Bürgermeisterdirektwahl letztlich nur hauchdünn Amtshinhaber Markus Linhart (ÖVP). Doch hatten die Ländle-Sozialdemokraten nach vielen Jahren des Darbens endlich wieder einen Top-Kandidaten in ihren Reihen gefunden. 2007 übernahm er das Ruder.

Ritsch entpuppte sich über die Jahre hinweg als brillanter Rhetoriker und unerschrockener Kämpfer gegen die vermutete Allmacht der Vorarlberger ÖVP. Der nicht uneitle, aber sehr umgängliche Ritsch beharrte auf seinen Themen, Soziales und Wohnbau standen im Mittelpunkt - und eilte von Misserfolg zu Misserfolg. Manche Beobachter stuften seine Politik als "zu links" ein, um damit in Vorarlberg reüssieren zu können. Andere merkten an, Ritsch sei einfach nur im falschen Bundesland geboren worden - und hätten ihm in anderen Bundesländern (mit größerer SPÖ-Tradition) Riesenerfolge zugetraut.

Trotz aller politischen Schwierigkeiten ließ Ritsch sich gute Laune und Humor aber nicht verderben - wie sich auch anhand seiner Zwergenkampagne zur Landtagswahl 2014 zeigte. Vielmehr schärfte er seine Positionen und befreite sich von innerparteilichen Zwängen. So kümmerte er sich nicht um das Wohlbefinden der Großen Koalition auf Bundesebene und sagte stattdessen seine Meinung. Letztlich trug er sehr zum Abgang von SPÖ-Chef Werner Faymann bei, mit dem er gar nicht konnte.

War Ritsch nach der Landtagswahl 2009 noch bereit gewesen, seinen Hut zu nehmen - wozu es mangels eines Nachfolgers nicht kam - hielt er später an seiner Position als Parteichef fest. Nach internen Querelen und infolge einer schwierigen Bandscheibenoperation fehlte Ritsch 2016 jedoch über Monate hinweg die Fitness, die ein Parteichef braucht. Vor fast genau vier Jahren, am 30. September 2016, trat er als Landesparteivorsitzender ab, blieb aber bis zur Landtagswahl 2019 Klubobmann im Landtag. Nach der Landtagswahl - und der unfreiwilligen Abgabe der Klubleitung an den neuen Parteichef Martin Staudinger - konnte sich Ritsch ganz auf die Gemeindevertretungs- und Bürgermeisterwahlen 2020 konzentrieren.

Dass dem Vater zweier Töchter der große Coup gelang, war am Ende aber doch überraschend. Zwar überzeugte er mit einem äußerst engagierten und persönlichen Wahlkampf, doch war er nach dem ersten Wahlgang deutlich hinter Linhart zurückgelegen. In der Stichwahl gaben ihm aber offenbar viele Grün-Wähler ihre Stimme, die Linhart mit der versprochenen Fortführung der schwarz-grünen Koalition bei Laune halten wollte. So konnte Ritsch nach 15 Jahren Revanche für die Niederlage im Jahr 2005 nehmen.

Alle Infos zur Bürgermeister-Stichwahl in Vorarlberg auf VOL.AT

(APA)

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