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Seismograf des Menschlichen: Schriftsteller Arno Geiger wird 50

Geiger gehört zu den erfolgreichsten Schrifstellern Österreichs
Geiger gehört zu den erfolgreichsten Schrifstellern Österreichs ©Sams
Seine Bücher sind Fixstarter auf den Bestseller - aber auch auf den Bestenlisten, sein Name ein Dauerbrenner für Literaturpreise und seine Erzählkunst von einem klarsichtigen Einfühlungsvermögen, das immer wieder staunen macht. Am Sonntag (22. Juli), wird der Schriftsteller Arno Geiger 50 Jahre alt.

Seit seinem kometenhaften, wenn auch nicht frühen Erfolg mit dem Mehrgenerationenroman “Es geht uns gut”, der ihm 2005 den erstmals vergebenen Deutschen Buchpreis einbrachte, hat Geiger Buch um Buch thematische Versatilität, sprachliche Finesse und robuste Verkaufbarkeit bewiesen – und dabei mit dem gefeierten Porträt seines Vaters in den letzten, von Alzheimer geprägten Jahren, “Der Alte König in seinem Exil”, auch auf intime Weise Einblick in seinen persönlichen Lebenskosmos gegeben. Bereits in einfühlsamen Reportagen hatte sich Geiger mit der Erkrankung seines Vaters, aber auch mit anderen Schicksalen, etwa eines Kindes mit Downsyndrom, auseinandergesetzt. “Mein Schreiben gründet sich in einem ganz grundsätzlichen Interesse an Menschen”, sagte er einmal im APA-Interview. “Ich halte nichts anderes für literaturfähig.”

Geboren wurde Arno Geiger am 22. Juli 1968 in Bregenz und wuchs im Vorarlberger Wolfurt auf. Er studierte Germanistik und eine Fächerkombination aus Alter Geschichte und Vergleichender Literaturwissenschaft in Wien und Innsbruck und schloss das Studium 1993 in Wien ab. 17 Sommer lang jobbte er als Bühnentechniker hinter den Kulissen der Bregenzer Festspiele. “Für meine Entwicklung war es unglaublich wichtig, da ich dort die unterschiedlichsten Lebensentwürfe vorgeführt bekommen habe, die ich als Mittelschichtkind nicht gekannt habe”, sagte er später zur APA. 2006 kehrte er als Festredner zur Seebühne zurück.

Zahlreiche Literaturpreise

Bereits 1997 erschien sein Romanerstling “Kleine Schule des Karussellfahrens”, in dem er die innere Leere eines jungen Mannes im Jahr 1989 gegen die Träume von den aufregenden Revolutionsereignissen von 1789 setzte. 1998 wurde Geiger dafür der New Yorker “Abraham Woursell Award” für junge europäische Literatur verliehen. 1998 bekam er ein fünfmonatiges Aufenthaltsstipendium im Literarischen Colloquium Berlin, im Jahr darauf das Vorarlberger Literaturstipendium sowie das Staatsstipendium für Literatur. 1999 erschien der melancholische Liebesroman “Irrlichterloh”, 2001 das schmale Drama “Alles auf Band oder Die Elfenkinder” (gemeinsam mit Heiner Link). Im gleichen Jahr erhielt er auch den Carl Mayer Drehbuchförderpreis der Grazer Diagonale. In seinem Roman “Schöne Freunde” (2002) warf Geiger einen kindlichen Blick auf eine Erwachsenenwelt, die in Skurrilität und Melancholie an Fellini erinnerte.

Zweimal, 1996 und 2004, nahm Arno Geiger beim Wettlesen um den Bachmannpreis teil, ohne dabei größeres Aufsehen zu erregen. Dabei war beim zweiten Anlauf bereits “Es geht uns gut” in der Schublade, jenes Epochenpanorama, das eine österreichische Familie nicht chronologisch durch sechs entscheidende Jahrzehnte begleitet, und das “ebenso genau wie leicht vom Gewicht des Lebens spricht”, wie es dann in der Jurybegründung zum ersten deutschen Buchpreis hieß. Preise ließen auch danach nicht auf sich warten – um mit dem Johann-Peter-Hebel-Preis (2008), dem Hölderlin-Preis (2011), dem Literaturpreis der Adenauer-Stiftung (2011), dem Alemannischen Literaturpreis (2017) und dem Joseph-Breitbach-Preis (2018) nur eine Auswahl zu treffen.

Vielstimmiger Lob- und Preisregen

Als Schriftsteller meldete er sich nach dem Buchpreis mit dem behutsamen, vielseitigen Erzählband “Anna nicht vergessen” (2007) zurück, legte mit “Alles über Sally” (2010) einen geradezu klassischen Beziehungsroman vor und durfte sich für “Der Alte König in seinem Exil” im Folgejahr über einen vielstimmigen Lob- und Preisregen freuen. In “Selbstporträt mit Flusspferd” (2015) wandte Geiger sein Interesse der Jugend zu und erzählte leichtfüßig von den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens.

Über “Unter der Drachenwand” (2018), der 1944, inmitten eines bereits verlorenen, aber noch nicht vergangenen Krieges spielt, urteilte die Jury des im vergangenen April zuerkannten Breitbach-Preises: “Arno Geigers Meisterschaft der Anverwandlung – bewährt schon bei der Rückgewinnung einer ganzen Epoche in ‘Es geht uns gut’ und in der Reflexion des eigenen Bewusstseins über das Fremdgewordene in ‘Der alte König in seinem Exil’ – hat jetzt in dieser seismographischen Nachzeichnung der letzten Phase des Dritten Reichs und seiner Selbstzerstörung einen neuen Höhepunkt erreicht.”

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