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Seine Diözese ist die ganze Welt

Der Vatikan versetzte Bischof Gaillot wegen seines sozialpolitischen Engagements in die Wüste. Lesen Sie das VN-Interview mit Bischof Jacques Gaillot.

1995 war für die Mächtigen das Maß voll. Der französische Innenminister schwärzte den Bischof von Evreux wegen seines Einsatzes für Einwanderer ohne Papiere im Vatikan an, der ihn abzog und das Bistum Partenia zuwies – ein Ort unter dem Sand der Sahara.

Die Kurie bedachte aber nicht, dass Jacques Gaillot über das Internet umso wirkungsvoller mit aller Welt kommunizieren werde. Allein im September gab es 250.000 Zugriffe. Im Interview zeichnet Gaillot sein Bild einer lebendigen Kirche.

VN: Von Ihnen stammt das Zitat, „eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts.“ Wie geht es Ihnen mit der Macht in der Kirche?
Gaillot: “Macht ist nie positiv. Eigentlich geht es um Demut. Die Zukunft der Kirche liegt woanders. Das Volk ist zur Verantwortung bereit, lehnt totale Vorherrschaft aber ab. Es ist viel Bewegung in der Kirche, die Basis fühlt sich nicht mehr vertreten. Die Individualisierung schreitet fort. Dieser Wechsel ist eine schwierige Geburt, ist aber unaufhaltsam. Ich bin optimistisch.”

VN:Wo muss Kirche in der Gesellschaft ansetzen?
Gaillot: “Bei der Gerechtigkeit in der Welt. Ohne Solidarität mit den Armen gibt es keine Spiritualität, Innerlichkeit und Mystik. Der Armut zuschauen und am Sonntag die Messe zelebrieren, schafft keine Einheit mit Christus.”

VN: Welche Aufgaben warten auf den neuen Papst?
Gaillot: “Er sollte aus Lateinamerika kommen, zB aus Honduras. Kirche muss demokratischer werden, indem die Teilkirchen mehr Autonomie erhalten. Sie muss sich den Problemen der Menschen zuwenden: Umweltzerstörung, Sinn des Lebens, Gerechtigkeit, Frieden. Dabei sucht sie Kooperationen. Ökumene war für mich zB in Frankreich der gemeinsame Einsatz aller Weltreligionen gegen den Irakkrieg. Nur gemeinsam sind wir Christen. An der Basis wird das schon wahrhaft gelebt.”

VN: Was spricht gegen die Priesterweihe von Frauen?
Gaillot: “Nichts. Ich war schon immer dafür. Das Priesterbild ist überhaupt zu diskutieren. Mann oder Frau, verheiratet oder nicht, auf Zeit oder dauernd? Entscheidung darüber sollte der Ortskirche überlassen bleiben, sie weiß, welche Art Priester sie braucht. Wenn man aber daran rührt, rührt man auch an der hierarchischen Struktur. Wir sind unterwegs.”

VN: Mancherorts wünscht man nicht einmal Mädchen als Ministranten.
Gaillot: lächelt nur sehr milde.

VN: Haben Sie eine Botschaft für die Vorarlberger?
Gaillot: “Wie alle Menschen sollen auch sie Vertrauen in sich selber haben auf das, was sie trägt. Sie sollen ihre Verantwortung gegenüber der Kirche und ihrem Bischof wahrnehmen, das heißt, sie und ihn zu formen versuchen.”

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