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Schlechte Zeiten für Umweltschutz

(VN) Schwarzach - Bei Rohrspitz-Demos wäre er dabei, einen Diedams-Tunnel fände er gar nicht so übel: Landesrat Erich Schwärzler über den Naturschutz, Rohrspitz und die Energiezukunft.
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Grafik: Diedams-Tunnel

Was sagen Sie zu den Plänen am Diedamskopf, einen Tunnel in die Bergspitze zu graben als Touristenattraktion?

Schwärzler: Ein spannendes Projekt, das im Detail beurteilt werden muss. Wenn man dadurch für den Sommertourismus neue Antworten finden kann, soll man das prüfen.

Gar keine Umweltbedenken?

Schwärzler: Grundsätzlich sage ich nicht: aus Natur- und Umweltschutzgründen ist das abzulehnen. Das sage ich nicht. Hier brauchen wir keine Seilbahn, die ist schon da. Und wir wissen doch, dass wir im Sommertourismus ein enormes Manko haben. Die Frage ist etwa, wie diese Aussichtsluken gestaltet werden.

Auch Naturschutzanwältin Katharina Lins findet die Idee gar nicht schlecht, hinter den Kulissen scheint der Deal zu laufen: Wenn der Tunnel durchgeht, verzichten die Bergbahnen auf zwei weitere Sessellifte. Ist es legitim, das so zu verknüpfen?

Schwärzler: Nein, die Kombination schließe ich aus. Seit die neuen Eigentümer die Bahn übernommen haben, werden diese Erweiterungen nicht mehr diskutiert. Es gibt eine andere Diskussion: Kann man nicht das Skigebiet Diedamskopf mit Kleinwalsertal verbinden? Da sage ich klar Nein. Es muss Grenzen geben in der Erschließung.

Wie geht es dem Umweltschutz insgesamt im Land? Im Natura-2000-Gebiet Rohrspitz plant man eine Tiefgarage, am Diedamskopf einen Touristentunnel . . . Ist der Umweltschutz endgültig ermüdet?

Schwärzler: Nein. Wir haben auf engem Raum Naturnutzung und Naturschutz in einem Spannungsfeld. Aber zeigen Sie mir ein Land in ganz Europa, wo so viel Bio­topflächen im Siedlungsraum liegen wie in Vorarlberg! Schauen wir in die Schweiz, die haben das ganze Bodenseeufer verbaut. Wir haben das Bodenseeufer als Schutzgebiet deklariert. Deshalb sag ich: Das soll man nicht einem Großprojekt opfern. Wir haben 23 Natura-2000-Gebiete, die wir an sich sehr gut umgesetzt haben. Aber die müssen auch bewirtschaftet werden. Landwirtschaft und Naturschutz sind in diesem Sinn Zukunftszwillinge.

Heute wird die Skiverbindung Mellau–Damüls von vielen als ein Sündenfall betrachtet. Schon werden neue Projekte am Hochjoch usw. diskutiert. Oder braucht das Zugertal einen Golfplatz? Viele Umweltschützer kapitulieren inzwischen: Lohnt es sich überhaupt, dagegen anzurennen, wenn sie dann eh überstimmt werden?

Schwärzler: Krisenzeiten sind keine guten Zeiten für den Naturschutz, weil unter dem Primat Arbeitsplatz vieles geopfert wird. Trotzdem muss es Grenzen geben. Wir haben schon den Druck, der sagt: Weil die Nachbarn das auch machen . . . Und doch haben wir kein Gletscherskigebiet, das man vor zwei Jahren noch andiskutiert hat am Beispiel Tirols. Eine neue Entwicklung ist, dass man heute nicht mehr nur über Verbotszonen spricht, sondern über die Hausordnung der Natur. Da hat sich viel verändert. Wer mit der Natur Geld verdient, muss ihr etwas zurückgeben. Aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes war Mellau–Damüls abzulehnen, in der Gesamtabwägung der Zukunft dieser Bergregion hat man Ja gesagt, aber die Betreiber mussten eine Million Euro Ausgleichszahlungen leisten. Dieses Geld setzen wir in der Region für lebensunterstützende Maßnahmen ein.

Am Rohrspitz sagen Sie auch Nein. Aber was hilft das?

Schwärzler: Also, wenn ich nicht mehr Nein sage, wer soll dann noch Nein sagen?

Natürlich, Sie sind ja Umweltlandesrat. Aber nützt es was?

Schwärzler: Es kann doch nicht sein, dass jeder Kleine, der einen Stadel dort unten hat und ein bisschen was verändern will, drei Mal „nein“ zur Antwort erhält. Und dann kommt so ein großes Projekt daher. In der Dimension muss man Nein sagen. Ich sage nicht, dass man keine Verbesserungsmaßnahmen treffen darf, aber nicht in dieser Dimension. Dafür werde ich mich einsetzen und dafür werde ich kämpfen. Ich kann nicht sagen, ob ich gewinne.

Kann man mehr als nur Nein sagen?

Schwärzler: Man kann mehr. Ich hab das mit den Projektgegnern strategisch durch- besprochen und Landesrat Karlheinz Rüdisser gebeten: Nimm die Fragen der Gegner ernst. Wir haben da unten ein Natura-2000-Gebiet und ein Verschlechterungsverbot. Ich frage mich sowieso, weshalb die Tiefgarage an den Rohrspitz hinaus muss. Die sollen die Tiefgarage doch im Ort neben die Kirche setzen und Elektro-Autos nehmen zum Ein- und Ausfahren. Wieso geht sowas nicht, nur weil einer Nein sagt da unten? Man muss bereit sein, über Alternativen zu reden.

Und wenn die Behörde das Projekt genehmigt?

Schwärzler: Dann gibt’s eine Berufungsinstanz.

Irgendwann würde es zu Demonstrationen vor Ort kommen. Wo stehen Sie dann?

Schwärzler: Dort, wo ich hingehöre natürlich. Bei den Demonstranten. Ich kann doch heute nicht sagen: Ich bin dagegen. Und morgen verstecke ich mich. Das ist nicht Bregenzerwälderart.

Ein kleiner Maßstab für das Umwelt-Bewusstsein der Menschen ist die Situation an den Müllinseln in den Gemeinden. Wenn man die Bauhöfe fragt, die den Saustall wöchentlich aufräumen müssen, hat die Obsorge für die Umwelt letzthin merklich nachgelassen.

Schwärzler: Wir haben eine Wegwerfgesellschaft. Man kauft jede Menge ein. Das Problembewusstsein, dass all der Abfall wieder entsorgt werden muss, ist zu klein. Das muss man schärfen. Aber wenn ich mir etwa die saubere Bergwelt ansehe, ist vieles besser geworden. Es ist heute einfach eine Hürde für einen Menschen, auf dem Berg oben eine Cola-Dose wegzuwerfen. Was wir tun müssen, ist, dass wir auch im Tal das Problembewusstsein erhöhen.

Wird es dem Naturschutz jemals gelingen, die verlorenen Pfründe zurückzubekommen?

Schwärzler: Ich denke, wir müssen anfangen, mehr über jene Projekte zu reden, die man in den Bezirkshauptmannschaften schon abwürgt. Ich bin außerdem froh, dass wir den Naturschutzrat haben, der deutlich aufzeigt, wo die Grenzen liegen. Derzeit befassen wir uns etwa mit der Frage der Energie: Welche Wasserkraftwerke kann man bauen?

Dabei sprechen sich Kraftwerksbetreiber im Vorfeld mit Naturschutzräten ab, ob bestimmte Projekte salonfähig sind.

Schwärzler: Gott sei Dank ist das so.

Fernab jeder Öffentlichkeit.

Schwärzler: Nein, nein, nein. Wir haben eine Gesamterhebung gemacht und Varianten ausgeschieden. Jetzt analysieren wir: Welche Kraftwerke kann man sich vorstellen? Wir brauchen aber bei jedem Kraftwerk eine Einzelfallprüfung. Da führt kein Weg daran vorbei.

Täuscht der Eindruck, dass die Wirtschaft gemeinsam mit dem landeseigenen Energieversorger derzeit alles unternimmt, um sich die Vorarlberger Energiepolitik einzuverleiben?

Schwärzler: (denkt lange nach) Der Eindruck täuscht nicht ganz. Derzeit gibt es starke Bestrebungen, all das, was langfristig ausgerichtet ist, Ökostandards usw., zu verhindern mit dem Argument: Das vermögen wir gar nicht. Wenn man aber langfristig denkt, muss man höhere Ökostandards umsetzen. Die Wirtschaft ist mehrheitlich nachhaltig unterwegs. Aber Teile der Industrie sagen: All das, was da in der Energiezukunft diskutiert wird, das kostet uns nur einen Haufen Geld, das bringt nichts.

Am Beispiel „Haus der Energie“ ist doch heute schon klar, dass die Vkw 51 Prozent haben werden und die Wirtschaftskammer 49 Prozent?

Schwärzler: Nein, nein, das schließ ich aus. 49 Prozent, das wäre ein Wahnsinn. Das kommt nicht infrage. Grundsätzlich hat man entschieden im Aufsichtsrat der Vkw-illwerke-Gruppe, ein Haus der Energie zu bauen. Wir haben gerade mit den Mitarbeitern des Energieinstituts Wege der Zusammenarbeit besprochen. Die entscheidende Frage wird sein, ob das Energieinstitut räumlich im Haus der Energie angesiedelt wird.

Die Frage ist doch, wenn ein Haus der Energie entsteht auf Grund und Boden der Vkw und die Wirtschaftskammer maßgeblich beteiligt ist, gibt dann die Landesregierung nicht wichtige Punkte der Steuerungspolitik aus der Hand?

Schwärzler: Die Energiepolitik muss immer vom Land aus gemacht werden. Deshalb schließe ich auch 51/49 aus. Das wäre eine Fehlentscheidung. Für mich muss außerdem klar sein: Das Energieinstitut bleibt eigenständig, auch in Zukunft. Wenn wir die Energieautonomie umsetzen wollen, würden wir das allerdings mit dem Energieinstitut allein nicht schaffen. Das Energieinstitut sollte sich meiner Ansicht nach künftig stärker um die Fragen des Klimaschutzes kümmern.

Das bedeutet ein klares Bekenntnis zum Energieinstitut?

Schwärzler: Ja.

Das Interview führten Gerold Riedmann, Thomas Matt.

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