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"Schlecht und falsch"

Schwarzach – Karas mahnt ein Umdenken in der Politik ein – die Änderung einer teilweise „schizophrenen“ Debatte.

Sind Sie ein engagierter EU-Politiker?

Othmar Karas: Ein Politiker mit Leidenschaft und ein engagierter Politiker in der EU.

 

Strasser war auch engagiert. Aber in die falsche Richtung.

Karas: Das hat zu seinem Rücktritt geführt. Die Delegation hat einen Neuanfang gesetzt, wir haben unser Team neu geordnet. Und wir ziehen unsere Konsequenzen daraus. Es ist unvereinbar, Lobbyist gemeinsam mit einem Mandat zu sein. Wir haben auch eine Initiative zur Europäisierung der Definition von Korruption und der Straftaten gesetzt.

 

Strasser und Sie waren nicht unbedingt Freunde. Wie sehr haben Sie sich also persönlich über die Affäre geärgert?

Karas: Sie ist vorbei. Die ÖVP-Delegation hat ihre Konsequenzen gezogen. Wir wollen den Verlust an Glaubwürdigkeit und Vertrauen wieder gutmachen. Strasser und ich hatten jahrelang im Übrigen ein äußerst korrektes Verhältnis. Aber wir haben ein unterschiedliches Selbstverständnis, einen unterschiedlichen Zugang.

 

Zum Glück.

Karas: Für mich istdas Kapitel abgeschlossen. Ich bin auch keiner, der jemandem einen Stein nachwirft. Es ist ihm selbst damit nicht gut gegangen. Nur: Für mich ist Politik nicht nur das Einhalten von Regeln, Politik ist mehr. Politische Verantwortung hat in meinen Augen auch sehr viel mit ethischen und moralischen Grundsätzen zu tun. Das Einhalten von Regeln ist da nur die Voraussetzung von Glaubwürdigkeit. Der Bürger hat ein sehr gutes Gespür, was rechtens ist.

 

Die EU genießt auch bei den Vorarlbergern nicht unbedingt den besten Ruf. Warum?

Karas: Vorarlberg hat für mich immer zu jenen Bundesländern gezählt, in denen die europäische Gesinnung unddas europäische Bewusstsein sehr stark ausgeprägt sind. Ich sehe hier keinen Einbruch. Ich kenne auch LH Sausgruber nur als einen, der verbinden will.

 

Die Politik ist die eine Sache. Die Bevölkerung die andere. Und die Bürger stehen der EU eben skeptisch gegenüber.

Karas: Dasist mir nicht unbekannt. Es wäre schlimm, würde man hier einfach zur Tagesordnung übergehen. Weil ich großteils der Auffassung bin, dass das hausgemacht ist. Wie wir mit der EU umgehen, entspricht nicht der Realität. Wir sind Teil dieser Gemeinschaft, sind daher mitverantwortlich, sind bei jeder Entscheidung dabei. Und die Europäische Union als Gemeinschaft hat nur jene Kompetenzen, die wir ihr auch zugestehen. Dieses Faktum ist aber nicht immer Teil der politischen Kommunikation. Das halte ich für schlechtundfalsch. Dass wir alleine durch die Erweiterung der Union volkswirtschaftlich zehnmal soviel netto erwirtschaften wie unser Nettomitgliedsbeitrag ist – das verschweigen wir. Das halte ich für schizophren. Das führt zu einer Entfernung von den Europäischen Institutionen, die der Wirklichkeit nicht entspricht. Wir sitzen in einem Boot. Und jeder hat in diesem Boot seine Rolle zu spielen.

 

Was muss sich ändern?

Karas: Das wäre nie entstanden, wenn man verantwortlich Politik gemacht und die Realität beschrieben hätte. Die Innenpolitik gehört in einem hohen Ausmaß europäi­siert, und in der Europapolitik muss die Vielfalt Europas stärker zum Tragen kommen. Das muss sich rasch ändern. Die Hauptverantwortung dafür haben alle die, die in der Öffentlichkeit stehen und die Meinung bilden. Wenn man stetig mit dem Finger aufeinander zeigt, dann wird die Gemeinschaft geschwächt unddas Zusammenleben schwierig. Dann kann man auch nicht seine volle Leistung bringen. Dabei müssten wir doch ganz dringend den nächsten Integrationsschritt setzen. Man ist ja nicht halbert schwanger. Die EU erfüllt ihren Gründungsauftrag zu 100 Prozent, steht aber vor zwei ganz großen Herausforderungen.

 

Und die wären?

Karas: Die erste ist die Globalisierung. Wir sind der politisch zersplittertste Kontinent der Welt. Das politische Projekt wäre es, die EU zum Sprecher des Kontinents in der Welt zu machen. Eine gemeinsame Außenpolitik, eine gemeinsame Verteidigungspolitik wären zwei wichtige Punkte, um zur politischen Union zu werden. Wir müssen diese Gemeinschaft als Vereinigte Staaten von Europa denken, obwohl sie kein Staat werden wird. Die zweite Herausforderung ist die Finanzwirtschafts- und Staatsschuldenkrise. Die ist ganz massiv und lange noch nicht vorbei.

 

Von Brüssel nach Wien. Wollen Sie nach 2013 Schwarz-Blau?

Karas: Die Politik der FPÖ ist im Widerspruch zum Geist Europas. Wer mit den Ängsten der Menschen spielt, die Ängste schürt, Grenzen nicht abbauen, sondern errichten will, hat für mich keinen Platz in verantwortungsvollen Positionen.

 

Zur Person:

Othmar Karas EU-Abgeordneter (ÖVP), 1. Vizepräsident und Schatzmeister der EVP-Fraktion Geboren: 24. Dezember 1957 in Ybbs an der Donau Ausbildung: Politik-Studium Uni Wien, MBL im Bereich Europäisches und internationales Wirtschaftsrecht an der Hochschule St. Gallen Laufbahn: U. a. Nationalrat, ÖVP-General, seit 1999 EU-Abgeordneter Familie: verheiratet mit Christa Karas-Waldheim, einer Tochter des verstorbenen Altbundespräsidenten Kurt Waldheim, ein Sohn

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