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Schiefe Optik im Prozess gegen den Rechtsanwalt

Vorsitzende des Feldkircher Schöffensenats hatte vor der Hauptverhandlung seine Befangenheit erklärt
Vorsitzende des Feldkircher Schöffensenats hatte vor der Hauptverhandlung seine Befangenheit erklärt ©VOL.AT/Hofmeister
Feldkirch - Richter musste Betrugsprozess leiten, obwohl er sich für befangen hielt: Richterkollegin ist Gattin eines Kanzleipartners des Mitangeklagten.

Von einer schiefen Optik im Betrugsprozess gegen einen am Landesgericht Feldkirch in erster Instanz im Zweifel freigesprochenen Rechtsanwalt wird in Juristenkreisen gesprochen. Denn ein Kanzleipartner des angeklagten Wirtschaftsanwalts ist mit einer Richterin des Landesgerichts Feldkirch verheiratet. Deshalb hätte der Schöffenprozess nicht in Feldkirch, sondern in Innsbruck stattfinden sollen, meint auch ein Bregenzer Rechtsanwalt. Nur so hätte der Anschein der Unbefangenheit gewahrt werden können.

Der Vorsitzende des Feldkircher Schöffensenats hatte vor der Hauptverhandlung seine Befangenheit erklärt. Richter Richard Gschwenter wollte wegen der Verbindung seiner Richterkollegin mit dem angeklagten Anwalt die Verhandlung nicht führen. Seinen Befangenheitsantrag hat Landesgerichtspräsident Heinz Bildstein jedoch abgewiesen. Deshalb musste Gschwenter den Vorsitz übernehmen.

Der Schöffensenat unter seinem Vorsitz sprach am Montag den Feldkircher Rechtsanwalt und den angeklagten Tankstellenunternehmer aus dem Bezirk Bludenz im Zweifel vom Vorwurf des schweren Betrugs im Ausmaß von rund einer Million Euro an drei Treibstofflieferanten frei. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das Gericht ging zugunsten der beiden Angeklagten davon aus, dass sie zum Zeitpunkt der Treibstofflieferungen den gleich danach gestellten Konkursantrag für zwei überschuldete Firmen des Tankstellenunternehmers doch noch nicht beschlossen und weiterhin auf einen Schuldennachlass und einen Investor gehofft hatten.

Beißhemmungen

„Dass der Richter da Beißhemmung hatte, ist klar und menschlich nachvollziehbar“, kommentiert ein Bregenzer Rechtsanwalt vor dem Hintergrund der Befangenheit die Freisprüche.

Überrascht hat das Urteil dennoch Richter und Rechtsanwälte, weil der Oberste Gerichtshof (OGH) im April einen anderen Standpunkt eingenommen habe. Das Höchstgericht hat in einem Zivilverfahren Schadenersatzansprüche eines Salzburger Treibstofflieferanten gegen die Vorarlberger Hausbank des Tankstellenunternehmers bestätigt. Denn die Bank habe trotz der Insolvenzgefahr für das Tankstellenunternehmen den Energiehändler zu dann nicht bezahlten Treibstofflieferungen verleitet.

Das Urteil des Obersten Gerichtshofes lasse „an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig“, meint ein Feldkircher Anwalt. Er glaubt deshalb auch nicht, dass das Feldkircher Strafurteil vor dem OGH Bestand haben wird.

(Quelle: NEUE/Seff Dünser)

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