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Schiedsrichter in der Schusslinie

Nach diversen spielentscheidenden Fehlentscheidungen, stehen die Schiedsrichter in Südafrika mehr in der Kritik als jemals zuvor.

Der Protoest stößt bei der FIFA jedoch auch taube Ohren: “Wir sind sehr, sehr zufrieden mit den Schiedsrichtern. Es gab exzellente Leistungen”, sagte der spanische Schiedsrichter-Obmann der FIFA, José Maria Garcia Aranda, beim Medientag der 29 WM-Referees in Pretoria.

Der Zorn richtet sich gegen die unklare Linie der Unparteiischen, die die Spieler durch verschiedene Regelinterpretationen verwirrten. “Vergleichbare Vergehen werden vollkommen unterschiedlich bewertet. Die Referees sind für Spieler und Trainer nicht berechenbar. Das ist fatal”, urteilte der dreimalige Welt-Schiedsrichter Markus Merk in der “Stuttgarter Zeitung” und sprach sogar von “Wettbewerbsverzerrung”.

Auch der Kaiser Franz Beckenbauer schüttelte verständnislos den Kopf über die zahlreichen folgenschweren Fehlentscheidungen. Für ihr fanden sie beim Spiel Brasilien – Elfenbeinküste in der Leistung von Philippe Lannoy ihren vorläufigen Höhepunkt. Der Franzose ließ ein eindeutiges Handtor gelten, gab dafür aber zwei klare Rote Karten nach brutalen Fouls ivorischer Profis nicht. Auch Khalil Al Ghamdi lag in der Partie Chile – Schweiz bei einigen Kartenverteilungen gewaltig daneben. Zudem bewertete er das 1:0 der Südamerikaner aus Abseitsposition als regelkonform.

Der Kaiser plädierte ausserdem wieder für den “vierten Mann”: “Ich könnte mir – die UEFA hat’s ja in der Europa League getestet – das mit dem zusätzlichen Schiedsrichter oder Assistenten neben dem Tor vorstellen.” Der hätte wahrscheinlich auch gesehen, dass Fabiano den Ball vor dem 2:0 der Brasilianer zweimal mit der Hand berührte. Die UEFA will in der kommenden Saison, die in der Europa League erprobten Torrichter auch in der Champions League und bei EM-Qualifikationspartien testen.

Die Unparteiischen selbst dürfen sich bei der WM nicht zu ihren und den Auftritten der Kollegen äußern, weil sie von der FIFA einen Maulkorb verpasst bekamen. “Darüber werden Sie von mir keine Auskunft bekommen. Wir sind hier, um Spiele zu leiten”, erklärte auch Wolfgang Stark, der die Partie England – Slowenien leitete.

Merk sagte zu den Fehlpfiffen der Schiri-Elite: “Schuld ist ein schwer nachzuvollziehendes Auswahl- und Ausbildungssystem, in dem auf nebensächliche Dinge Wert gelegt wird.” Nach Ansicht des 48-Jährigen aus Kaiserslautern solle man sich mehr um die Zweikampfbeurteilung kümmern, wann ist es Gelb, wann Rot. Zudem warf der langjährige FIFA-Referee dem Weltverband strukturelle Schwächen und mangelnde Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit anderen Meinungen vor: “Die FIFA-Schiedsrichterkommission ist überwiegend in spanischer Hand. Die Führung ist leider unberechenbar. Insgesamt ist das Vertrauen in die Kommission nicht sehr hoch.”

Bei den Referees selbst hingegen gibt es keinen Anflug von Selbstkritik. Der Spanier Alberto Undiano wehrte sich gegen die Kritik an seinem Kartenfestival bei Deutschlands WM-Niederlage gegen Serbien. “Ich muss mich nicht entschuldigen. Ich habe die Fernsehbilder nach dem Spiel gesehen und ich glaube, es gab nichts, was ich mir vorwerfen muss.”

Sein Landsmann Aranda stellte sich zwar den Fragen der Medienvertreter, ließ aber ebenfalls keinen Hauch von Selbstkritik erkennen. “Das Niveau aller Schiedsrichter ist sehr, sehr hoch”, meinte der Spanier. Referees würden ebenso wie Weltklassespieler Fehler machen. Hellmut Krug, Mitglied der Schiedsrichter- Kommission des Deutschen Fußball-Bundes, bemängelte indes in der Zeitung “Die Welt”, dass Unparteiische sämtlicher Kontinentalverbände zum Einsatz kommen. “Das bringt zwangsläufig Qualitätsunterschiede mit sich”, sagte er, “bei Weltmeisterschaften stehen nicht nur die weltbesten Schiedsrichter auf dem Platz.”

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