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Tirol: Sölden und St. Christoph unter Quarantäne

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Die polizeilichen Checkpoints an den Ortsgrenzen werden derzeit eingerichtet. Die Gemeinden werden bis 2. April isoliert. Aus Sölden liegen drei positive Testungen vor.
Kritik an Tiroler Krisenmanagement
Vorarlberger Arlbergregion unter Quarantäne

Die Tiroler Orte Sölden im Ötztal sowie St. Christoph am Arlberg sind Dienstagabend aufgrund des Coronavirus unter Quarantäne gestellt worden. Die polizeilichen Checkpoints an den Ortsgrenzen werden derzeit eingerichtet, teilte das Land mit. Die Gemeinden werden bis 2. April isoliert. Aus Sölden liegen drei positive Testungen vor, wo ein Bezug zu einer Schirmbar nicht ausgeschlossen werden kann.

Das österreichische Bundesland Tirol hat im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus weitere Orte unter Quarantäne gestellt. Wie das Land am Dienstagabend mitteilte, gelten die Isolierungsmaßnahmen ab sofort auch für den bei Wintersportlern beliebten Ort Sölden sowie für St. Christoph am Arlberg. An den Ortsgrenzen werden daher polizeiliche Checkpoints eingerichtet.

"Uns liegen drei positive Testungen von Personen aus Sölden vor, wo wir wiederum nicht ausschließen können, dass ein Bezug zu einer Schirmbar hergestellt werden kann", sagte Landeschef Günther Platter laut der Mitteilung. "Um eine Weiterverbreitung des Coronavirus bestmöglich zu verhindern oder zu verlangsamen, ist diese behördliche Anordnung für die Gemeinde Sölden unabdingbar." Für St. Christoph am Arlberg wird die Quarantäne demnach nach weiteren Infektionen im direkt angrenzenden Lech am Arlberg nötig.

Für Sölden-Bürgermeister Ernst Schöpf (ÖVP) war die Quarantäne keine Überraschung: "Ich bin als Realist davon ausgegangen, dass das Damoklesschwert über uns hängt". Der Ort sei nun - wie immer nach der Saison - "wie ausgestorben", beschrieb er die Stimmung.

ORF-Reporter Georg Oberhammer berichtet aus Tirol

Das nur rund 40 Einwohner zählende St. Christoph gilt als Nobelskiort am Arlberg. Sölden dagegen ist mit den Ortschaften Gurgl, Zwieselstein, Heiligkreuz und Vent die flächenmäßig größte Gemeinde Österreichs. Platter rief jene Menschen, die in den vergangenen zwei Wochen in den betroffenen Gebieten waren, dazu auf, sich freiwillig daheim zu isolieren.

Dass am Dienstag erneut Orte gesperrt werden, galt am Nachmittag noch als unwahrscheinlich. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sagte bei einer Pressekonferenz, dass weitere Quarantäne-Maßnahmen derzeit nicht in Vorbereitung seien. Er könne derartiges für die Zukunft aber nicht ausschließen. Es werde täglich evaluiert und immer am selben Tag entschieden.

Gesamte Arlbergregion unter Quarantäne

Damit steht nun die gesamte Arlbergregion unter Quarantäne. Schon am Mittag hatte das österreichische Bundesland Vorarlberg solche Maßnahmen für die Ortschaften Lech, Zürs, Stuben, Warth und Schröcken verkündet. "All jene, die sich in den vergangenen 14 Tagen in den betroffenen Gebieten in Tirol und Vorarlberg aufgehalten haben, sollen sich freiwillig häuslich isolieren", sagte Platter.

Am Freitag hatte Tirol das Paznauntal mit den Gemeinden Ischgl, Kappl, See und Galtür sowie der Gemeinde St. Anton am Arlberg unter Quarantäne gestellt. Vor allem in Ischgl sollen sich zahlreiche Touristen mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert und es dann in ihre Heimatländer getragen haben

Urlauber verteilten sich in Tirol

Zuvor hatte die Abreise der Gäste aus den Tiroler Wintersportorten Ischgl sowie St. Anton kurz nach Verkündung der Unter-Quarantäne-Stellung am vergangenen Freitag weiter für Wirbel gesorgt. Wie "Der Standard" berichtete, sollen nicht nur Hunderte Urlauber in Innsbruck gelandet sein, sondern sich viele auch über andere Regionen Tirols verteilt haben.

So habe laut dem Bericht Freitagabend eine Gruppe von 159 Urlaubern aus St. Anton in einem Hotel im Tiroler Oberland eingecheckt. Sie sollen eine Nacht geblieben sein, um am Samstag ihren Rückflug in Innsbruck anzutreten. Dem Hotel sollen dafür pauschal 3.000 Euro bezahlt worden sein. Von wem, sei bisher unklar. Das Personal befindet sich nun in freiwilliger Selbstisolation in einem anderen Hotel.

Auch in Lech am Arlberg sowie im Zillertal reisten den Recherchen zufolge am Freitag Gäste aus den Quarantänegebieten an. Im Zillertal sei dies vereinzelt und hauptsächlich im Privatzimmerbereich passiert. Schon am Wochenende war in Medienberichten unter Berufung auf Hoteliers von Hunderten Fluggästen die Rede, die in Innsbruck gestrandet sein sollen. Die Stadt sprach daraufhin lediglich von vier Urlaubern, die statt auszureisen in die Landeshauptstadt gekommen seien.

Polizei spricht von "einzelnen Fällen"

Die Tiroler Polizei berichtete der APA von "einzelnen Fällen". Es habe sich um Fluggäste gehandelt, die sich nach Bekanntwerden der Maßnahmen in Bewegung gesetzt hatten. Zu diesem Zeitpunkt sei die Infrastruktur für die Kontrollen in den Quarantäne-Regionen noch in der Aufbauphase gewesen. Es sei aber "keineswegs" dazu gekommen, dass "flächendeckend und massenweise" Touristen am Freitag in die Landeshauptstadt gekommen waren, um dort zu schlafen.

Tourismus-Chef von St. Anton weist Vorwürfe zurück

Auch seitens der Verantwortlichen in den Orten selbst wies man jede Verantwortung zurück. Der Geschäftsführer des Tourismusverbandes St. Anton am Arlberg, Martin Ebbster, dementierte gegenüber dem "Standard" vehement, dass es aktive Hilfe für die betroffenen Urlauber seitens des TVB gegeben haben könnte, sich anderswo Zimmer zu suchen. Die Situation sei am Freitag derart chaotisch gewesen, dass man dazu gar keine Zeit gehabt hätte. Man sei damit beschäftigt gewesen, den Urlaubern die erforderlichen Passierscheine auszustellen, damit diese ihre Heimreise antreten konnten.

Sache der Behörden

Alles Weitere sei Sache der Behörden gewesen, die diese Abreise eigentlich hätten kontrollieren sollen. Stellungnahmen des Landes und der Stadt standen am Dienstag auf APA-Anfrage noch aus. Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) sah in der "ZIB 2" des ORF Montagabend jedenfalls keine Fehler der Behörden und stellte auch Angaben über Hunderte Gäste in Abrede, die etwa nach Innsbruck gekommen seien. Überdies sah er auch eine Eigenverantwortung der Gäste gegeben. Man habe mit ihnen mit Formularen vereinbart, dass sie "zügig durch Tirol und Österreich durchfahren" und sich daheim zwei Wochen in Quarantäne begeben.

FPÖ-Hofer: "Skandal"

FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer Gesundheitsminister nahm Rudolf Anschober (Grüne) in die Pflicht und verlangte eine Stellungnahme des Ministers ob des "Skandals". "Dieser Skandal schadet Österreich nachhaltig. Ich erwarte mir dazu endlich eine Stellungnahme von Gesundheitsminister Rudolf Anschober, der sich als verantwortliches Regierungsmitglied mit Sicherheit über alle Details informiert hat", erklärte Hofer. Das gestrige - "eher hilflos wirkende" - Interview von Tilg in der "ZIB 2" lege den Verdacht nahe, dass dieser nun der Öffentlichkeit als "Bauernopfer" präsentiert werden soll.

Gesundheitslandesrat soll zurücktreten

Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer will nicht so lange warten. Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) sei mit der aktuellen Situation überfordert und mit seinen eigenen Fehlentscheidungen beschäftigt, so der Tiroler SPÖ-Vorsitzende. "Er muss mit sofortiger Wirkung abberufen werden", verlangte Dornauer. Es brauche jetzt Experten im Gesundheitsressort.

Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) wies weiterhin jede Kritik am Vorgehen der Behörden in Ischgl zurück. Man habe in der jeweiligen Situation das "Menschenmöglichste" getan, betonte Platter. Zudem sei der Virus ja nicht in Ischgl entstanden, fügte er hinzu. Auch bei der Ausreise, die teilweise offenbar chaotisch abgelaufen sein dürfte, habe man das Möglichste getan, um eine geordnete Abreise zu gewährleisten, meinte der Landeschef. Es seien immerhin tausende Touristen im Paznauntal gewesen.

Man müsse im Nachhinein die Abläufe "auf den Prüfstand stellen und klären, was besser gemacht werden hätte können", räumte Platter später ein. "Wir werden das auch rasch aufarbeiten müssen", meinte der Landeshauptmann. Leider könne niemand "das Buch von hinten lesen". Alles richtig zu machen sei angesichts dieser Krise nicht möglich. Nachdem die Situation überstanden wurde, müsse Tirol "daraus Lehren für die Zukunft ziehen". In seinen Augen seien Entscheidungen "schnell" getroffen worden und "sehr radikal" - "aber diese Kompromisslosigkeit rettet am Ende Leben", so der Landeshauptmann.

Minister werden genau prüfen

Gesundheitsminister Anschober und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) wollen den Umgang der Behörden im Tiroler Ischgl mit der Corona-Krise genau prüfen und aus allfälligen Fehlern lernen und Verbesserungen erzielen. "Man kann nirgendwo ausschließen, dass Fehler passieren", sagte Anschober. Jetzt aber laute sein Appell: "Konzentrieren wir uns auf die Bewältigung der Krise."

Der Gesundheitsminister berichtete, er habe sich die Daten vorlegen lassen, man werde das genau analysieren. "Schauen wir es uns an, wo hat es funktioniert, wo sind Fehler passiert." Fehler seien "in einer derartigen Situation nicht auszuschließen" - und: "Dann braucht es auch Konsequenzen, um Verbesserungen zu erreichen." Innenminister Nehammer sagte, alle, die im Einsatz stehen, seien gezwungen, "ihr Bestes zu geben". Und: "Ja, wir sind alle gefordert, aus Abläufen zu lernen, besser zu werden."

Weitere Quarantäne-Maßnahmen (wie in Tirol, Vorarlberg und im Kärntner Heiligenblut) sind derzeit nicht in Vorbereitung, sagte Anschober. Ausschließen konnte er derartiges für die Zukunft aber nicht "Es wird jeden Tag evaluiert", ob es zu lokalen Cluster-Bildungen kommt und wie hoch das Risiko Ausbreitung ist. "Dann wird immer am selben Tag entschieden, gleichgültig wie der Ort heißt, ob es prominente Wirtschaftstreibende gibt oder nicht."

Alle aktuellen Informationen zum Coronavirus im Special

(APA)

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