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Schafschur ist ein Knochenjob

Wie in der Fabrik. Hinten treiben sie die Schafe mit scharfen Zurufen in den Pferch. Vorne kommen sie Minuten später wieder frei: Nackt, entwurmt und mit geschnittenen Klauen.  

Dazwischen steht Ekkehard Reinprecht. Zu viert scheren sie die Schafe, auf die neuseeländische Art. Es riecht nach Angst, Schweiß und Schafskot. Und unentwegt schreien die Lämmer.

Ekkehard blickt kurz auf. Dann packt er das um sich schlagende Schaf fester und macht weiter. Er hat keine Zeit. Scherer werden pro Tier bezahlt. Heute verdient der Schwarzenberger 2,50 Euro für jedes Schaf, dem er die Wolle abnimmt.

Niemand spricht. Scherer sind wortkarge Gesellen. Eng drängeln sich die Tiere aneinander und starren mit aufgerissenen Augen durch die Gitterstäbe.

Eine Minute pro Schaf

„Wenn er gut drauf ist, braucht er eine Minute pro Schaf.“ Gerade hat Werner Eibl ein trächtiges Muttertier hochgewuchtet, auf den Rücken gelegt und an den Vorderläufen zu Reinprecht gezerrt. „Der ist der Beste.“ Schafzüchter kommen eigens her, um ihm zuzusehen.

Ein Schäferhund läuft unruhig vor den Boxen hin und her. Ambros und Maria Metzler klauben die Wolle auf und packen sie in große Säcke. Ambros macht Filzpatschen daraus. Der Rest wird zu Dämmwolle verarbeitet.

Heute ist das Fell nichts mehr wert. Kein „goldenes Flies“? Ach Gott! Früher haben Schafzüchter wie Herbert Witzigmann „in der Sannwaldfabrik noch 27 Schilling fürs Kilo erhalten“. Heute kriegt er 50 Cent. Deshalb, sagt Waltram Knünz aus Klaus, „packen sie auch die Bauchwolle und die der Füße mit dazu“. Manche machen Dünger draus. Andere binden sie an Bäume. Das hilft gegen Wildverbiss.

Pause. Die Scherer legen die elektrischen Messer weg und richten sich mühsam auf. Der Schweizer Kollege steckt sich eine Zigarette an. Auf seinem Zähler steht 46. Reinprecht hat seit in derselben Zeit 72 Schafe geschoren. Das T-Shirt mit der Aufschrift „World Championship 2005“ trägt er nicht zum Spaß.

Tiere zu schwer

25. ist er geworden, heuer in Australien. Dort sind die Weltbesten zu Hause. Aber die weigern sich, in Europa zu scheren. „Unsere Tiere sind mit bis zu 130 Kilo doppelt so schwer wie ihre. Das ist harte Arbeit. Aber wir haben hier nichts anderes.“

29 Jahre ist er alt. Zwei Saisonen schert er pro Jahr, im Frühjahr und Herbst. In Deutschland, der Schweiz, Italien und Neuseeland. Wo sie nach ihm rufen. 30.000 Schafe kriegt er so jedes Jahr zu fassen. Klemmt sie zwischen den Beinen ein, strafft mit der linken Hand die Haut und schert mit der rechten. In 40 gleichmäßigen Zügen. Heute Abend werden sie 600 Schafe erleichtert haben. Und dann? „Bin ich müde“, sagt Reinprecht, wischt sich die Hände ab und geht essen. Da hören auch die Schafe zu blöken auf, als wüssten sie um die Gnadenfrist.

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